"Lade dich freundlich ein auf zweiten März von deinem Kamerad Joh. Hanselmann", steht auf der sogenannten Rückseite dieser Postkarte von vor 1905, weil so lange auf die so genannte Vorderseite nur Anschrift, Postvermerke und Briefmarke durften. Foto: Digital-Archivfotos: Schabert

Eine Postkarte wurde vor 100 Jahren aus Neuweiler gen Stuttgart versandt. Aus welchem Lokal dies damals geschah, ist zwar nicht mehr zu rekonstruieren, doch aber wird dadurch eines klar: Neuweiler boomte aus touristischer Sicht.

Neuweiler - Ob es der "Ochsen", das "Lamm" oder die "Spezerei und Pension v. Lina Lutz" war, aus der vor 100 Jahren eine Postkarte aus der Sommerfrische Zwerenberg nach Stuttgart versandt wurde, ist nicht bekannt. Aber der in deutscher Schrift auf dieser zu findende Text belegt, dass schon damals und nach einer weiteren Karte sogar um die vorletzte Jahrhundertwende Gäste in dem seit den frühen 1970er-Jahren staatlich anerkannten Erholungsort ausspannten und sich wohlfühlten.

Die Zwerenberg-Urlauber schrieben 1921 auf der Rückseite der Ansichtskarte – auf der die ehemalige Spezerei zur "Handlung von Kaufm. Hamann" geworden war und wohl noch immer Gäste aufnahm – in flüchtiger Deutscher Schrift an die "sehr geehrten Herrn und Frau Schultheiß" in der Landeshauptstadt am 5. Juni 1921: "Anstelle eines Besuchs, der mir leider nicht mehr möglich ward, senden wir herzl. Grüße aus uns. Sommerfrische auf der Höhe des Schwarzwalds – einfache Verhältnisse, völlige Ruhe, richtige Höhe wirken zusammen u. können wir Ihnen hies. Platz ebenfalls zur Erholung bestens empfehlen. Mit schönstem Gruß, Ihre …"

Lokale sind auf einer Postkarte abgebildet

Die drei eingangs genannten Lokale sind auf einer anderen Postkarte abgebildet, die schon vor 1905 aus Zwerenberg versandt wurde. Erkennbar ist das Alter daran, dass bis zum Frühjahr dieses Jahres auf die bis dahin Rückseite genannte Bildseite auch der Text musste, weil auf die nach damaliger Anschauung so genannte Vorderseite nur Anschrift, Briefmarke und Postvermerke durften. Die bunte, vom Altensteiger Verlag Albert Großmann hergestellte, kolorierte Ansichtskarte im Stil der damaligen Zeit zeigt neben einer Gesamtansicht und der Kirche die beiden Gaststätten und das bis 1996 noch von der Familie Obst betriebene Einzelhandelsgeschäft Hamann. Die beiden Gasthäuser und private Gastgeber verzeichneten in den 1980er-Jahren in Zwerenberg jährlich um die 10 000 Übernachtungen.

Ein kleines Jubiläum gibt es in diesen Tagen im Gasthof Ochsen. Diesen haben, wie der Schwarzwälder Bote im Mai 2011 berichtete, vor zehn Jahren die Wirtsleute Dieter und Inge Dürr damals nach 45 Jahren an den heutigen Betreiber und Koch Günther Schmidt übergeben. Sie hatten ihn 1966 von der legendären "Ochsen-Marie", der Tante von Dieter Dürr, übernommen. Bei der Übergabe 2011 handelte es sich allerdings nicht mehr um das auf den alten Postkarten zu sehende Haus. Dieses musste 1973 einem Neubau weichen. Das heutige Gasthaus entstand damals – eine Engstelle an der Straße freigebend – unmittelbar dahinter und wurde 1982 erweitert. Wie schon in einer Urkunde von 1743 beschrieben, wird es nach wie vor als "Schildwirthschaft" betrieben: Dies bedeutete, dass eine solche Gaststätte das Recht hatte, Gäste zu bewirten und zu beherbergen.

Feste, Feiern, Versammlungen und viele verschiedenartige Veranstaltungen haben im neuen Ochsen in fast 50 Jahren stattgefunden. Dazu zählten auch Ehrungen von Feriengästen, die sich hier oft über zwei Generationen hinweg zunächst im alten, dann im neuen Haus erholten, als ein Schwarzwaldurlaub für viele weit vor südlichen Zielen rangierte. Vielleicht kommt ja nach der Pandemie wieder ein kleines Stück des einstigen Booms zurück? Bei Besprechungen und Beratungen trafen sich hier auf Einladung der Gemeinde Neuweiler auch gelegentlich die Besitzer der Fremdenverkehrsbetriebe und suchten nach gemeinsamen Wegen. In ihren Tourismus-Spitzenzeiten in den 1980er-Jahren schrammte die Waldgemeinde mit ihren beiden staatlich anerkannten Erholungsorten Agenbach und Zwerenberg knapp an 40 000 Übernachtungen vorbei.