Mehrere hundert Ehrengäste waren zum gemeinsamen Sommerempfang von Landratsamt und Kreissparkasse nach Freudenstadt gekommen. Foto: Sannert

"Sommerempfang" im Mai? "Typisch Landkreis Freudenstadt", hieß es beim Empfang in der Kreissparkasse – der habe den Anspruch, der Zeit voraus zu sein.

Freudenstadt - "Zukunft ist heute, zwei Jahre und vier Monate nach dem letzten Neujahrsempfang, unser Thema", kündigte Landrat Klaus Michael Rückert an, der die Gäste auch im Namen des Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse, Werner Loser, in deren Hauptfiliale in Freudenstadt willkommen hieß.

Gekommen waren neben Landtagsabgeordneten, Oberbürger- und Bürgermeistern, Kreis- und Gemeinderäten auch Vertreter von Behörden, Kirchen, Verbänden und Vereinen, von Industrie, Gastronomie, Handwerk und Landwirtschaft. Beim Blick in die Zukunft ging es vor allem um Nachhaltigkeit, ein Thema, das sich durch alle Reden zog.

Endlich sei es wieder möglich, sich zu begegnen, um alte Kontakte aufzufrischen und neue zu knüpfen, um "den kleinen aber feinen Landkreis voranzubringen", freute sich der Landrat, der allen dankte, die in der Krise geholfen und dafür gesorgt hätten, die Pandemie einzudämmen. "Das Landratsamt hat unheimlich viel gewuppt. Wir haben keinen Tag zu gehabt und haben jeden Sonntag und Feiertag gemeldet", betonte Rückert, der nun von Bund und Land "eine offene und ehrliche Manöverkritik" fordert. Vieles sei in den beiden letzten Jahren nicht gut gelaufen, und deshalb brauche es eine Fehlerkultur ohne Schuldzuweisungen, um mit derlei Krisen künftig besser umzugehen.

Weitere Hilfstransporte

Nie wieder, so Rückert, dürften Kitas oder Hochschulen so lange geschlossen werden und Kliniken an den Rand des Bankrotts geraten. Anstatt 2,5 Milliarden Euro in ÖPNV-Tickets zu investieren, sollte lieber mehr Geld in Studienplätze mit dem Fach Psychologie gesteckt werden, "damit die Schäden wieder gut gemacht werden können", fordert er.

Dank sagte der Landrat auch für die Spenden in Höhe von rund 505 000 Euro, um Flüchtlinge aus der Ukraine zu unterstützen. "Das ist eine großartige Leistung", so Rückert, der an die Hilfstransporte in den polnischen Partnerlandkreis erinnerte und stellvertretend für alle Helfer "Mister Partnerschaft", Kreisbrandmeister Frank Jahraus, für das Engagement dankte. Der Landkreis Freudenstadt werde seinen Partnerlandkreis auch künftig unterstützen und Hilfstransporte nach Lemberg organisieren, versprach Rückert.

Krankenhaus und Backbone

Aber auch im Kreis selbst gebe es noch viel zu tun. Nach dreijähriger Bauzeit sollen noch in diesem Jahr der Krankenhausneubau in Freudenstadt eingeweiht und die noch fehlenden Verbindungsstücke im Backbone-Netz in den Kommunen für eine funktionierende Breitbandversorgung geschaffen werden. "Dann haben wir Lichtgeschwindigkeit und nicht mehr gebremstes Kupfer."

Mit einem Nachhaltigkeitskonzept – dem ersten in Baden-Württemberg – sollen für den Landkreis weitere zukunftsweisende Maßnahmen sowie ein Leitbild erarbeitet werden. Gedacht sei, so Rückert, an einen Schulwettbewerb und ein Jugendforum sowie zwei Regionalkonferenzen für alle Einwohner. Ein Nachhaltigkeitsbeirat sei bereits gegründet, der Kreistagsbeschluss für das Projekt solle noch dieses Jahr gefasst werden, gab der Landrat bekannt.

Ziel sei es, den Kreis ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltig für die Zukunft fit zu machen, mit einem komplett neuen ÖPNV-Konzept mit Mobilitätsgarantie, das einen Anschluss aller Städte und Gemeinden jede Stunde rund um die Uhr vorsieht, mit einem Integrationskonzept, das Flüchtlingen erlaubt, schnell Deutsch zu lernen und Arbeit zu finden, sowie dem Gewinn von Fachkräften und Auszubildenden, die dringend benötigt werden.

Sparkasse "umgekrempelt"

Um Nachhaltigkeit in der Struktur sowie im Umgang mit Kunden und Mitarbeitern ist auch die Kreissparkasse bemüht, wie Werner Loser betonte. Mit einem Gesamtprojekt mit zwölf Einzelprojekten und mehr als 200 Einzelmaßnahmen hätten über 100 Mitarbeiter im vergangenen Jahr sämtliche Strukturen und Prozesse auf den Prüfstand gestellt, mit dem Ziel, "das Optimierungspotenzial der Kreissparkasse zu heben und uns zukunftssicher aufzustellen", so Loser. Man habe die Kreissparkasse "umgekrempelt und von links nach rechts gedreht". Die Bank wolle jetzt verstärkt in Qualität, in Investitionen und die Qualifikation des Personals investieren, vor allem aber in den Klimaschutz, kündigte Loser an: "Ziel der Kreissparkasse ist, bis 2035 CO2-neutral zu sein.

Bevor der Vorstandsvorsitzende die Gäste zum Stehempfang mit Sekt und Häppchen einlud, dankte er André Bäumler und Frederika Finkbeiner von der Musik- und Kunstschule Region Freudenstadt, die an Klavier und Cello die Veranstaltung mit klassischen Werken umrahmten.

Gastvortrag zum Thema Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit war also ein zentrales Thema beim Sommerempfang. Doch was bedeutet der Begriff eigentlich, und wo kommt er her? Die Antwort gab Bastian Kaiser, Forstwissenschaftler, Buchautor und Professor für angewandte Betriebswirtschaft an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, der sich auf die Entwicklung und Evaluierung geeigneter Organisationsstrukturen und die Bewältigung von Gemeinschaftsaufgaben spezialisiert hat und von Ministerpräsident Winfried Kretschmann 2017 in den Nachhaltigkeitsbeirat des Landes berufen wurde.

"Jeder hat eine eigene Vorstellung von Nachhaltigkeit", ist Kaiser überzeugt. Doch die meisten dächten an Wald und Bäume, an Förster und an Klimaschutz. Dabei komme der Begriff nicht aus der Ökologie, sondern aus der Ökonomie. Erstmals erwähnt wurde er Anfang des 18. Jahrhunderts, als bereits eine enge Gemeinschaft zwischen Mensch und Wald bestand. Damals, so der Professor, habe man auf große Kahlschläge im Wald verzichtet – allerdings nicht aus ökologischen Gründen. Vielmehr habe man vermeiden wollen, dass der Rohstoff Holz knapp werden und die Einnahmen der adligen Herrschaften mindern könnte. Es galt der Grundsatz: "Man soll nicht mehr nutzen, als nachwachsen kann."

"Nachhaltigkeit hat immer was mit Nutzung zu tun", so der Referent. Die meisten fänden Holz zwar toll, wollten aber nicht wahrhaben, dass dafür Bäume gefällt werden müssen. Wer denke beim Holz schon an Zeugnisse, Buntstifte, Eis am Stiel, an die Werkbank des Vaters, an seine Blockflöte oder den Fußboden im Wohnzimmer, fragte Kaiser in die Runde. Genau genommen sei der Begriff Nachhaltigkeit somit ein sogenanntes Plastikwort.

Kaiser ist überzeugt: "Die Ökonomie ist der natürliche Feind der Ökologie." Dennoch müsse die heutige Generation angesichts des Klimawandels eine nachhaltige Entwicklung im Blick haben. "Wir müssen erkennen, dass jeder Fortschritt und jede Investition Geduld und Verzicht erfordern", lautete sein Fazit.