Stuttgart - Derzeit werden in Deutschland so viele Solaranlagen aufgestellt wie noch nie zuvor. Der Goldrausch auf deutschen Dächern führt jedoch immer öfter dazu, dass die Anlagen auf ungeeigneten Dächern installiert werden. Die Schäden mehren sich.

In dem Berliner Kindergarten hatte man sich den Aufbruch in das neue Energiezeitalter anders vorgestellt. Mit der neuen, Tausende Euro teuren Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach wollte man ein Zeichen für mehr Umweltschutz setzen und gleichzeitig von den satten Einspeisevergütungen profitieren, die der Staat Solarstromproduzenten über eine Dauer von 20 Jahren gewährt. Dazu hatte die Kommune ihr Kindergarten-Dach an einen Solardienstleister vermietet, der die Anlage aufstellte und in Betrieb nahm, die Kita erhielt im Gegenzug feste Pachteinnahmen. Nach wenigen Wochen folgte die Ernüchterung. Es begann, durchs Dach hineinzuregnen, in mehreren Räumen bildete sich Schimmel. Nachdem eine Elterninitiative Druck machte, wurden die Kinder aus dem Gebäude ausquartiert. Monatelang lag die Kommune mit dem Anlagenbetreiber in einem juristischen Clinch darüber, wer für die entstandenen Schäden aufzukommen habe.

Das Beispiel ist kein Einzelfall. Immer öfter werden Solaranlagen auf Dächern montiert, die dafür eigentlich gar nicht geeignet sind. "Der Verdacht liegt nahe, dass oft nicht so genau hingeschaut wird, ob sich das Dach auch wirklich eignet", sagt Christian Lübke, Sprecher des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin.

Im Jahr 2008 - neuere Zahlen liegen noch nicht vor - sind allein die Schäden, die an den Solarmodulen entstanden sind, auf 14 Millionen Euro geklettert. Exakte Zahlen für die Dachschäden gibt es nicht. Schätzungsweise liegen sie aber deutlich höher. Und: Da der Neubau von Anlagen sich immer weiter beschleunigt, ist es wahrscheinlich, dass die Versicherer immer mehr Schäden regulieren müssen.

Für Baugutachter Wirth ist die Sache daher klar: Bevor nicht sichergestellt ist, dass das Dach in tadellosem Zustand ist, ist die Installation jeder Solaranlage darauf sinnlos. Auch wenn auf dem Papier noch so große Renditen locken.

Nach Zahlen der Bundesnetzagentur sind allein im Juni dieses Jahres 135.000 Fotovoltaik-Anlagen in Deutschland neu ans Netz gegangen. Das sind fast so viele wie im gesamten Jahr 2009 zusammen. Damals wurden 160.000 Dachkraftwerke installiert. Nach Meinung von Experten könnten im gesamten Jahresverlauf 2010 Solarstromkapazitäten von 10 Gigawatt neu zugebaut werden. Das entspricht theoretisch der Leistung von knapp zehn Atomkraftwerken.

Der Run auf die Solaranlagen aber überfordert derzeit zumindest Teile des Markts. Denn während sich die Hersteller der Module auf die Auftragsschwemme vorbereitet und die Produktion ausgeweitet haben, werden fähige Installateure knapp. Wer sich noch dieses Jahr eine Fotovoltaik-Anlage aufs Dach setzen wolle, werde es schwer haben, bei einem renommierten Installateur einen Termin zu finden, sagt etwa der Karlsruher Baugutachter Stefan Wirth. "Die sind alle ausgebucht." Die Knappheit an geschultem Personal zur Aufstellung der Anlagen hinterlässt auch ihre Spuren auf den Dächern.

Grund für die Pannen zwischen Solarpaneelen und Sparren sei meist unsachgemäße Installation, heißt es auch beim GDV. Der Boom der vergangenen Branche habe dazu geführt, dass die Anlagen mitunter von Firmen errichtet würden, die von dem Geschäft eigentlich gar keine Ahnung hätten, sagt Sebastian Schulz, vom Ingenieurdienstleister Progeo. Dazu komme der Zeitdruck auf dem Bau. In den dünnen Dachmembranen könnten schon kleine Schäden reichen, damit ein Dach Monate später zum Sanierungsobjekt werde, sagt er. "Derartige Fälle" sind auch beim Zentralverband des deutschen Dachdeckerhandwerks bekannt. Dass die Dächer immer öfter schlappmachen, führt man aber hier auch darauf zurück, dass mittlerweile auch andere Gewerke wie Elektriker oder Metallbauer auf den Sparren umherturnen. Die seien zwar Profis, wenn es darum gehe, die Anlagen anzuschließen, aber von der Grundlage - dem Dach - hätten sie eben wenig Ahnung.

Das führt mitunter auch dazu, dass Solaranlagen auf Dächer installiert werden, die eigentlich Sanierungsfälle sind. Viele Dachbesitzer machten sich nicht klar, welch langfristige Investition sie mit dem Erwerb einer Fotovoltaik-Anlage tätigten. Erst nach gut einem Jahrzehnt werfe eine Anlage zur Erzeugung von Solarstrom Gewinne ab, sagt Fachmann Schulz von Progeo. Die staatlich garantierten Einspeisevergütungen fließen sogar zwanzig Jahre lang. Da müsse der Bauherr genau darauf achten, dass sein Dach auch so lange durchhalte, sagt der Experte. Denn eine unplanmäßige Dachsanierung, etwa weil sich unter der Last der Anlagen die Sparren durchbiegen oder undichte Stellen auf der Dachfläche entstehen, werfe jede Kalkulation über den Haufen.

Für Baugutachter Wirth ist die Sache daher klar: Bevor nicht sichergestellt ist, dass das Dach in tadellosem Zustand ist, ist die Installation jeder Solaranlage darauf sinnlos. Auch wenn auf dem Papier noch so große Renditen locken.