Der Stuttgarter Regisseur Gero Weinreuter (38) hat acht Folgen "Soko Stuttgart" gedreht.
"Ich versuche, an Grenzen zu gehen, die filmischen Mittel auszureizen", sagt er, der acht von 20 Folgen gedreht hat. Man merkt jedem seiner Sätze an, dass er 2009 viel mit dieser und für diese Serie gelebt hat. "Im Drehbuch stand nur: Es werden neun Schüsse auf ihn abgegeben und sechs treffen. Aber es ist ja ein inszenierter Mord, wie ihn die Mafia verübt, und das wollte ich sichtbar machen. Wenn man nun daran denkt, erinnert man sich ans splitternde Glas, nicht ans Sterben." Auf Blut hat er gänzlich verzichtet, das Opfer ist nicht aus der Nähe zu sehen - dem Sendeplatz um 18 Uhr ist das angemessen.
"Ich wollte der extremen Härte der Situation eine emotionale Basis geben, die Zuschauer berühren", erklärt Weinreuter und offenbart in der Wortwahl, dass er lange im Werbe- und Imagefilm zu Hause war. Seit elf Jahren ist er Mitinhaber der Firma Leithaus, die in einer früheren Nähmaschinenfabrik in Bad Cannstatt sitzt und die Auftritte großer Firmen mitgestaltet. Seit 2004 führt er auch Regie bei TV-Serien, "Die Rettungsflieger", "Notruf Hafenkante" und nun die Stuttgarter "Soko", bei der 80 Prozent des Teams aus der Region stammen. "Da beweist die hiesige Filmbranche einem breiten Publikum, dass sie das kann", sagt Weinreuter. "Sechseinhalb Tage für 45 Minuten sind nicht üppig. Wir sehen das sportlich, wollen, dass es nach mehr aussieht. Die Erschießungsszene hat eine Nachtschicht gekostet, und ich musste den Rest so organisieren, dass ich trotzdem im Zeitplan bleibe."
In einer Folge geht es um illegale Medikamententests im Krankenhaus. Gleich zu Beginn stirbt ein Patient, und die Schwestern kämpfen um sein Leben, aus der Nähe in einer atemberaubenden Bildfolge, die den Stress und die Hektik der Situation spiegelt. "Da ist Schnittalarm, das sind 25 Einstellungen in 35 Sekunden zu aggressiver Musik", sagt Weinreuter, "das ist ein Anfangs-Versprechen an die Zuschauer." Für manchen auch irritierend - die "Soko Stuttgart" ist jünger, schneller und komplexer als mancher das von deutschen Krimis kannte. "Es ist ein schmaler Grat", sagt Weinreuter. "Was die einen als zu schnell empfinden, ist den anderen zu dröge. Wir beobachten die Reaktionen auf Fälle und Figuren genau und reagieren darauf. Eine Serie ist ja nie fertig, sie entwickelt sich permanent." Das ZDF jedenfalls beweist Mut und stellt sich den Realitäten: Viele Zuschauer nehmen längst US-Vorzeigeprodukte wie die Thriller-Serie "24" als Maßstab.
Dazu gehören auch nachvollziehbare Charaktere. "Kommissare brauchen Raum, sich aneinander zu reiben", sagt Weinreuter, "und es ist wichtig, dass die Zuschauer auch die Motive des Täters verstehen." In einer Folge erschlägt ein Hausmeister einen Rentner und legt am Ende eine sechseinhalbminütige Lebensbeichte ab - im Krimi eine gefühlte Ewigkeit. "Da muss jede Nuance stimmen", sagt der Regisseur. "denn die Zuschauer sollen sich dabei ertappen, emotional auf der Seite des Täters zu stehen."
Dass nur eine von zwei Serien funktioniert hat, die 2009 im Land produziert wurden, ist für ihn kein Drama. ",Biggi' war ein Unfall, da kam viel zusammen, der tote Sendeplatz, die Dramaturgie, schwache Bücher. Bei der ,Soko' hat von Anfang an alles gestimmt. Jetzt hat Stuttgart ein authentisches Vorzeigeprojekt." Er hat der Stadt immer die Treue gehalten und sieht die Serie als Chance, "ihr komisches Image" zu korrigieren: "Wir zeigen, wie Stuttgart sein kann, wir wollen einen Aha-Effekt erzielen."
Weltoffen und urban erscheint die Stadt da - ganz anders als das bräsige Kehrwochen-Stuttgart, das früher oft zu sehen war. "Das Bienzle-Trauma ist überstanden", sagt Weinreuter. Heute um 18 Uhr läuft, thematisch passend zum neuen Wettskandal, seine Folge "Fankurve". Darin ist ein toter Schiedsrichter im Hotel zu sehen, toben fanatische Fußball-Anhänger im Stadion - und es ist sicher auch wieder die eine oder andere Szene zu entdecken , die man bis vor kurzem nicht in deutschen Krimis erwartet hätte.
Die aktuelle „Soko Stuttgart“-Folge „Fankurve“ läuft am Donnerstag, 26. November, um 18 Uhr im ZDF.