Ein Meer aus Menschen: Das Southside-Festival war in diesem Jahr mit 65 000 Besuchern so groß wie noch nie. Foto: Nädele

Das Southside-Festival hat dieses Jahr so viele Besucher gezählt wie noch nie. Nach zwei Jahren Zwangspause durfte nun wieder ausgerastet werden.

Neuhausen ob Eck - Was für ein Wochenende – erschöpft, aber glücklich und mit jeder Menge Erinnerungen im Gepäck räumen die Southside-Festival-Besucher den Campingplatz und machen sich auf den Heimweg. Hinter ihnen liegen drei Tage voller Hitze und unvergesslicher Erlebnisse. Das Line-up hatte nach zwei Jahren Zwangspause einige große Namen zu bieten. Los ging es bereits am Freitag mit Acts wie "Kontra K", "Bring Me The Horizon", "Kings Of Leon" und "Rise Against", die die gut 60 000 Festivalfans zum Mitsingen und Tanzen brachten.

Und es wurde immer besser: Am Samstagnachmittag sorgten "OK Kid" aus der "Stadt ohne Meer", die kurzfristig nach einer Anfrage drei Tage zuvor für "Gayle" eingesprungen waren, für gute Stimmung. Frontmann Jonas Schubert bahnte sich mittels eines Schlauchboots den Weg über die Menge.

Stimmungsgaranten waren wie so oft die Allround-Musiker von "SDP"

"Charli XCX", die mit Songs wie "Out out" und "I love it" einen festen Platz in den Playlists vieler Pop-Fans hat, legte mit ihren beiden Background-Tänzern eine atemberaubende Choreographie hin und sorgte für 90er-Jahre-Vibes auf dem Festivalgelände. Für Alternative/Indie-Rock-Fans waren "The Killers" und deren Meisterwerke "Somebody told me" und "Mr. Brightside" ein Muss. Sie gehörten musikalisch definitiv zu den Highlights des Samstags. Metalcore-Fans eröffneten derweil jede Menge Moshpits zum Sound von "Electric Callboy" (früher "Eskimo Callboy").

Stimmungsgaranten waren wie so oft die Allround-Musiker von "SDP". Allein ihre Bühnenshow mit riesigen bunten Bällen und einem Feuerwerk begeisterte die Massen. Dazu konnte man sich zu Songs wie "Tanz aus der Reihe" und "Wo war ich in der Nacht von Freitag auf Montag" so herrlich gut bewegen. Ums Tanzen ging es auch bei "Seeed", die ihre größten Hits wie "Ding" in ein Reggae-Gewand hüllten. Und auch danach gab es keine Tanz-Pause. DJ Martin Garrix verwandelte das Festivalgelände in einen einzigen großen Club.

Daniel Ganther von den Johannitern berichtet von 3600 Versorgungsfällen

Man sollte meinen, am Sonntag wären viele Festivalfans K.o. gewesen. Keine Spur, schließlich gab es auch da insbesondere am Abend einige Highlights, für die es sich lohnte, mittags eine kleine Siesta einzulegen. Es schien nämlich so, als wollte sich das Wetter angesichts der hochkarätigen Bands ebenfalls von seiner besten Seite zeigen und es dabei ein wenig übertreiben. Von Tag zu Tag wurde es heißer. Am Sonntag schwitzte die Menge zwischenzeitlich bei rund 33 Grad.

Das brachte einige Herausforderungen mit sich – etwa die Wahl des richtigen Sonnenhuts. Und respektvolle und gleichsam leidvolle Blicke ernteten die Herren, die sich beim Outfit besonders viel Mühe gegeben und sich in bunt schillernde Synthetik-Leggings gequetscht hatten, die bekanntermaßen nicht allzu atmungsaktiv sind.

Wie sehr die Festivalgänger mit der Hitze zu kämpfen hatten, erfuhr man bei der Pressekonferenz am Sonntag. Daniel Ganther von den Johannitern berichtete von 3600 Versorgungsfällen. 2500 davon seien harmloserer Natur gewesen. Generell habe sich alles mit Blick auf die Hitze im erwarteten Rahmen gehalten. 445 Helfer waren vor Ort im Einsatz.

Polizei sprach von positiver Grundstimmung

Peter Westhoff vom Polizeipräsidium Konstanz berichtete von einer positiven Grundstimmung. Das diesjährige Festival sei, Stand Sonntagnachmittag, das friedlichste überhaupt gewesen. Lediglich 70 Delikte habe es gegeben, darunter vor allem Diebstähle, weniger als zehn Körperverletzungen, was sehr wenig sei, und weitere Einzelfälle wie der Gebrauch eines gefälschten Eintrittsbändels. Man habe viele positive Kontakte mit Festivalbesuchern gehabt. Aggressivität sei die absolute Ausnahme gewesen. Verstöße gab es gegen die Drohnenflugverbotszone beim Festival. Die Polizei habe insgesamt acht Drohnen detektiert und eingesammelt, berichtete Westhoff. Sein Fazit fiel aber sehr positiv aus. "Nach zwei Jahren Corona wollten die Menschen einfach feiern", meinte er.

Das war Tag 1 in Bildern

Diesen Eindruck konnte Marina Jung, Bürgermeisterin von Neuhausen ob Eck, bestätigen. Das Publikum sei sehr entspannt gewesen und habe die gute Stimmung genossen. Aus der Bevölkerung seien nur wenige Beschwerden eingegangen. Veranstaltungsleiter Benjamin Hetzer von FKP Scorpio sagte, er sei glücklich und stolz, das Festival mit einer Rekordanzahl an Zuschauern – 65 000 waren es dieses Jahr – nach zwei Jahren Corona umgesetzt haben zu können. Dabei habe es doch einige Hürden gegeben. Eine davon sei der Personalweggang gewesen. "Diesen zu kompensieren, war äußerst schwer", sagte Hetzer, der das Festival seit 2012 leitet. Immerhin seien mehr als 5000 Menschen als Personal beim Festival im Einsatz.

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Auch hatten die Veranstalter im Vorfeld mit Materialknappheit zu kämpfen, beispielsweise was Teile für die Bühnen angeht. "Insgesamt ist uns aber gelungen, ein Zeichen dafür zu setzen, dass Großveranstaltungen möglich sind. Für mich ist es ein sehr gelungenes Festival", stellte er fest. Besonders beeindruckend sei der Füllstand des Geländes bei "Seeed" gewesen. "Das habe ich in dieser Mächtigkeit noch nie erlebt", sagte Hetzer.

Die Veranstalter planen langfristig mit dem Take-off-Gewerbepark

Will man künftig in Sachen Besucher weiter aufstocken? Mit den aktuellen Flächen seien 65 000 das Maximum, sagte der Veranstaltungsleiter. Die Kapazität zu erhöhen, sei nicht undenkbar, aber von verschiedenen Faktoren, wie Wasserversorgung, verfügbarer Fläche und Straßenkapazität, abhängig.

Generell habe man in das Gelände investiert und könne erstmals die Blue Stage und die Green Stage zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgen, was eine gute Sache sei. Die Veranstalter planen also auch langfristig mit dem Take-off-Gewerbepark. Vorerst läuft der Vertrag bis 2025.

Am Abend war die Forderung dann ganz klar: "Dance with somebody"

Kritikpunkte waren unter anderem die Getränke- und Essenspreise. Laut Hetzer seien diese an die aktuelle Situation angepasst worden – eine Preissteigerung könne man ja auch in den Supermärkten beobachten. Um die Festivalbesucher hydriert zu halten, habe man verschiedene Trinkwasserstellen eingerichtet, an denen die Wartezeit nie länger als eine Minute betragen habe, sagte Hetzer.

Zurück zur Musik: Am Nachmittag kamen Hip-Hop-Fans bei Rapperin Juju, die zur Freude der Festivalgänger einige der alten "Sxtn"-Songs im Gepäck hatte, und Rock-Begeisterte mit "Nothing but thieves" und "Jimmy Eat World" auf ihre Kosten.

Ein musikalischer Leckerbissen, der untrennbar mit dem Genre Punk verbunden ist, war "Bad Religion". Selten hat Gesellschaftskritik so gut geklungen. Komplettiert wurde das Punk-Programm mit den "Idles". Tanzen und das Festivalfeeling so richtig auskosten, konnte man mit den Indie-Rockern von "Foals".

Am Abend war die Forderung dann ganz klar: "Dance with somebody". Die schwedische Rock-/Pop-Band "Mando Diao" sorgte für den perfekten Sommerabend. Parallel gab es für Hip-Hop-Fans einen Knaller: "K.I.Z". Nach dem Motto ihres Albums "Rap über Hass" war Eskalation angesagt mit schamlosen Lyrics, einer Mischung aus Punk und Rap und einer Portion Ironie bei Liedern wie "Hurra die Welt geht unter".

Beim Headliner "Deichkind" zählt nur Krawall und Remmidemmi

Die "Twenty One Pilots" sind nach Radio-Hits wie "Heathens", "Ride" und "Stressed out" längst kein Geheimtipp mehr. Kaum jemand hangelt sich so gekonnt durch verschiedene Genres und strahlt Power und Lässigkeit zugleich aus. Danach kam der Headliner "Deichkind", und es gab nur noch eins, was zählte: Krawall und Remmidemmi. Tanzen, springen, ausrasten – die Zuhörer ließen ihre Freude über das Festival und die neue Freiheit nach der Corona-Pause ein letztes Mal heraus und gaben alles.