Seit Jahren ist in Nebensätzen immer wieder von einem besonderen Kulturereignis die Rede, das kommen soll, wenn der Zug in greifbare Nähe rückt. Im Mai wird es Realität. Der Blasmusik-Kreisverband hat dafür etliche Unterstützer ins Boot geholt. Darunter Künstler, Handwerker, Köche, Schüler und sogar Jäger.
Fledermäuse, Kostenexplosionen, Zeitverzögerungen – die Schlagzeilen zur Hermann-Hesse-Bahn waren in den letzten Jahren meist eher unerfreulich.
Was dabei auf der Strecke blieb, war Freude über die Tatsache, dass bald wieder ein Zug von Calw Richtung Weil der Stadt rollen soll.
Überhaupt: „Es fehlt in Deutschland so was wie eine Kultur der Vorfreude“, meint Hans-Joachim Fuchtel, langjähriger Vorsitzender des Blasmusik-Kreisverbands Calw.
Das soll sich ändern. Und dafür haben ziemlich viele Akteure ziemlich viel auf die Beine gestellt. Höhepunkt wird dabei das „Bahntheater“, das am Samstag, 24. Mai, ab 19 Uhr in der Gemeindehalle Calw-Stammheim auf die Bühne gebracht wird. „Ein musikalisches Spektakulum in Erwartung der Hermann-Hesse-Bahn“, wie es heißt.
Die Vorgeschichte
Bereits seit langem ist hinter den Kulissen und in vielen Nebensätzen immer wieder die Rede von einer Art Musical zum Start der Hesse-Bahn gewesen. Nun wird es – in gewisser Hinsicht – tatsächlich Realität.
Bereits rund vier Jahre ist es her, so berichtet Fuchtel im Gespräch mit unserer Redaktion, dass er sich mit seinem ersten Stellvertreter Uwe Göbel, der auch als Kreisgeschäftsführer der Blasmusiker fungiert, Gedanken gemacht habe, was der Verband Innovatives angehen könnte – getreu ihres Arbeitsmottos „Tradition und Innovation“.
Dabei seien sie beim Jahrhundert-Projekt Hesse-Bahn gelandet. Schnell waren Vorstand und Mitglieder ins Boot geholt – und Robert Roller, der sich durch Erfahrung mit größeren Veranstaltungen auszeichnete. Der recherchierte akribisch, arbeitete sich in Vergangenheit und Gegenwart der Bahn hinein, von 1872 bis heute. Und legte Fuchtel irgendwann „eine Art Drehbuch“ vor.
Ein „echtes“ Musical stellte sich mit der Zeit dann aber doch als kaum umsetzbar heraus – nicht zuletzt, weil der Aufwand allein aus dem Ehrenamt heraus kaum zu stemmen gewesen wäre.
Ein großes Programm mit verschiedenen Punkten unter einem gemeinsamen Dach und mit einem Moderator allerdings schon.
Die Finanzierung
Eine große Frage blieb jene nach der Finanzierung. Bis die Akteure auf einen Aufruf des EU-Förderprogramms Leader im Schwarzwälder Boten stießen, sich bewarben – und schließlich eine Förderzusage über 12 000 Euro bekamen. Spenden, Sponsoren und Eigenleistung sollten das Übrige ermöglichen.
Die Akteure
Je mehr die Idee an Fahrt aufnahm, desto mehr Mitwirkende fanden sich zusammen. „Wenn man will, kann man im ehrenamtlichen Bereich mehr stemmen, als viele denken“, unterstreicht Fuchtel.
Und so beteiligen sich unter anderem die Kreishandwerkerschaft, die Berufsschulen, der Dehoga, etliche Musiker und Kulturschaffende, Politiker und viele mehr – bis hin zum berühmten Schauspieler Hartmut Volle, der den Abend am 24. Mai moderieren wird.
Das Ziel
Alle Akteure sollen nun zu den gemeinsamen Zielen beitragen. Fuchtel zählt auf: die Kultur der Vorfreude wieder beleben. Die Menschen für das Projekt Hesse-Bahn begeistern und mitreißen, weil es nur durch deren Mitwirkung und Akzeptanz zum Erfolg werden kann. Und nicht zuletzt soll auch gezeigt werden, dass die Bahn „prima für unser Klima“ ist.
Fuchtel nennt dazu Zahlen, die im Landratsamt zusammengestellt wurden. Bei rund 2800 Fahrgästen pro Werktag, würden pro Jahr rund fünf Millionen ansonsten mit dem Auto gefahrene Kilometer gespart – was etwa 128 Erdumrundungen entspricht. Und einer Ersparnis von etwa 103 Tonnen CO₂ pro Jahr.
Nicht zuletzt erhoffen sich die Verantwortlichen von ihrem großen Projekt auch einen Werbeeffekt für „aktives Tun“ – also für das Engagement in Vereinen und Co.
Die Besonderheit
Das Vorhaben, das die Blasmusiker angestoßen haben, hebe sich deutlich vom üblichen Prozedere ab. Während andernorts ein Band durchschnitten und fünf Reden gehalten würden, soll hier mit vielen Aktivitäten eine Brücke zwischen öffentlichem Verkehr und Kultur gebaut wird.
Laut Fuchtel ein möglicherweise einmaliges Vorhaben. „Ich habe das in Deutschland zumindest noch nie gesehen“, so der Verbandsvorsitzende.
Die Kunstaktion
Vieles ist inzwischen in vollem Gange. Etwa eine Kunstaktion in Schulen. Die Realschule von Althengstett, die Grundschulen von Heumaden, Altburg und Ostelsheim sowie das Maria-von-Linden-Gymnasium stellen durch gemalte Bilder, Kollagen und Fotos mit Einzelarbeiten aus 14 Klassen ihre Ideen zur Hermann-Hesse-Bahn dar.
In einer Ausstellungseröffnung am 13. Mai im Landratsamt dürfen die Schüler ihre Werke ab 17 Uhr erstmals der Öffentlichkeit präsentieren. Eine Bläserklasse aus Althengstett begleitet das Ganze musikalisch. Am Tag des Spektakulums soll die Kunst dann die Wände der Stammheimer Halle schmücken.
Das Musical
Im Mittelpunkt steht das „Bahntheater“ am 24. Mai. Die lange Geschichte der Bahn, von der Entstehung – auch damals schon von Fragen und Bedenken begleitet – über die Stilllegung bis zur Wiederbelebung, wird ebenso Thema sein wie die Bedeutung des Zuges für die Region.
Mehr als 200 Ehrenamtliche werden an diesem Abend auf der Bühne stehen – darunter die Musikvereine aus Calw, Stammheim und Althengstett, die Aurelius Chöre, die Swing Singers, die Musikschule (die ein Fledermaus-Ballett aufführt), Schauspieler der Veigelesbühne aus Möttlingen und natürlich Schauspielers Hartmut Volle als Moderator.
Die Kreishandwerkerschaft beteiligt sich durch den Bau von Kulissen; Schüler der Rolf-Benz-Schule in Nagold haben als eine der wenigen Requisiten eine Draisine gebaut.
Auch manche Kleinigkeiten lassen staunen. Wie Robert Roller erzählt, seien zwei Schneiderinnen gewonnen worden, die ehrenamtlich die Flügel für das Fledermaus-Ballett schneidern. Eine von ihnen habe dafür eigens in Saarbrücken einen Ballen Stoff besorgt.
Warum das Ganze nicht warten kann, bis die Hesse-Bahn tatsächlich fährt? Weil die größtmögliche Halle – jene in Stammheim – dafür gebraucht werde, so Fuchtel. Und die wird ab diesem Sommer und bis voraussichtlich September 2026 umfassend saniert.
Das Festbankett
Als zusätzliches Schmankerl planen die Akteure unterdessen auch ein Festbankett. Allerdings wird dabei nicht irgendetwas auf der Speisekarte stehen – sondern das Menü, das am 12. Juni 1872 im Hotel Waldhorn in Calw in Anwesenheit des württembergischen Königs der Calwer Bevölkerung gereicht wurde. Im Zuge der Recherchen wurde die damalige Menükarte wiederentdeckt.
Jungköche des Dehoga bereiten dabei mit Unterstützung durch den Kochclub Nordschwarzwald die Speisen im Dehoga-Campus auf dem Wimberg zu. Das nötige Wildbret stellt die Kreisjägervereinigung zur Verfügung.
Musikalisch wird es durch die Camp-Band der Bläserjugend, die Jagdhornbläser und die Ostelsheimer Stubenmusik bereichert. Für die Freunde der württembergischen Eisenbahn gibt Helmut Hackstein einen Überblick.
Letzteren, das streicht Fuchtel indes heraus, sei man zu besonderem Dank verpflichtet. Deren Beharrlichkeit habe es erst ermöglicht, dass die Bahnstrecke als solche gesichert wurde.
Das Quiz
Nicht zuletzt garnieren die Akteure ihr großes Programm mit etwas, das jeder mitnehmen kann: einem Hermann-Hesse-Bahn-Quiz. Durch an vielen Stellen ausgelegte Fragen zur Bahn, etwa beim Calwer Wochenmarkt, soll die breite Öffentlichkeit einbezogen werden. Bereits 2000 Karten seien verteilt.
Tickets für zehn Euro für das „Bahntheater“ am 24. Mai sind ab sofort bei allen Reservix-Verkaufsstellen erhältlich.