Sky du Mont erzählt im Interview, warum er dem Filmgeschäft den Rücken kehrt, was ihn an der „Rocky Horror Show“ begeistert – und wie befreiend es ist, nicht mehr gefallen zu müssen. Ein Gespräch über Abschiede, neue Freiheiten und die in seinen Augen nicht vorhandene Zukunft des deutschen Fernsehens.
Elegant, charmant und stets mit einem Hauch Ironie – Sky du Mont zählt zu den bekanntesten Gesichtern des deutschen Films. Nun steht er nicht mehr vor der Kamera, sondern auf der Bühne: Als Erzähler in der „Rocky Horror Show“ begeistert er ab Mittwoch auch das Publikum in der Stuttgarter Liederhalle mit seiner unverwechselbaren Stimme und Präsenz. Im Gespräch zeigt sich der 77-Jährige offen, reflektiert – und schonungslos ehrlich.
Herr Du Mont, was hat sie gereizt, die Rolle des Erzählers in der Rocky Horror Show anzunehmen?
Als mir das angeboten wurde, habe ich mir erst einmal das Original angeschaut, den Film. Den fand ich nicht so doll. Dann habe ich es mir auf der Bühne angeschaut, da fand ich es dann schon ziemlich doll. Das ist jetzt schon ziemlich lange her, 2011 glaube ich. Ich mache das jetzt ja schon zum fünften Mal.
Wie war das beim ersten Mal?
Was soll ich sagen, da wurde ich beschimpft und war mir dann nicht sicher, ob ich das gut fand. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und genieße es wirklich, besonders die Zurufe, die ich bekomme, wie zum Beispiel wenn ein Mann ruft „Sky, ich will ein Kind von dir!“. Da kann ich natürlich spontan reagieren. Jetzt macht es mir tierischen Spaß, weil ich jetzt die Ruhe und Erfahrung habe, um auf die ganzen Zurufe reagieren zu können. Das ist ja eigentlich meine Aufgabe.
Ist die Interaktion mit dem Publikum der besondere Reiz an der Rocky Horror Show?
Ich weiß nicht, ob es der Reiz ist. Richard O‘ Brien hat ja eigentlich nicht sehr viel gemacht. Aber er hat dieses eine Stück geschrieben und hat die Musik dazu komponiert und diese Musik ist einfach sensationell. Ich würde sagen, dass die meisten Zuschauer nicht wirklich verstehen, was da auf der Bühne so gesagt wird. Aber das ist egal, weil es einfach eine sensationelle Musik ist. Es nimmt einen einfach mit. Und dann kommt halt ein grauhaariger Mann auf die Bühne, der dazu da ist, in einem heute leider sehr antiquierten Deutschtext etwas zu sagen. Und da bietet es sich an für die Zuschauer, zu rufen: „Langweilig!“ Das ist ok, das gehört dazu und das ist mittlerweile Ritual. Ich habe mir das Stück auch in London angeschaut und ich fand unseres übrigens besser, weil es irgendwie lebendiger ist.
Wie lange dieses Stück bereits funktioniert ist unglaublich.
Hammer. Aber wirklich, jede Vorstellung ist ausverkauft. Die Leute gucken sich die Show teilweise dreimal an. Das ist außergewöhnlich.
Gibt es eine Szene, auf die sie sich jeden Abend auf der Bühne freuen?
Ja, da gibt es eine, weil ich da die Musik sehr schön finde. Zum Beispiel den Song „I’m Going Home“, wenn Frank’n’Furter sagt, er geht wieder zurück auf den Planeten, wo sie herkommen - und dazu wird getanzt. Das finde ich besonders schön und sehr bewegend. Überhaupt finde ich die Musik hammermäßig: Das ist teilweise wirklich Rock’n‘Roll. Da geht die Lutzi ab, da stehen die Zuschauer da und schwenken ihre Handys mit dem Licht und werfen Konfetti.
Hat sich die Rocky Horror Show in den vergangenen Jahren verändert?
Ja! Das ist für mich nun die beste Inszenierung, die ich erleben durfte. Es ist es ja nun das fünfte Mal, dass ich es mache, und diesmal ist es sehr modern. Es swingt mehr, es ist noch bewegter. Die Engländer, das muss man einfach mal sagen, sind einfach richtig gut.
Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Film- und Theaterbranche in den letzten Jahrzehnten verändert?
Also bei uns in Deutschland hat sich die Filmbranche sehr verändert. Es gibt unglaublich gute junge Regisseure oder auch ältere Regisseure, die jetzt die Freiheit haben, ihre Ideen durchzusetzen. Wir machen mittlerweile wirklich gute Filme. Das fand ich, war früher nicht so.
Das ist deutlich.
Ich bin sehr frei, weil ich mittlerweile meinen letzten Film gemacht habe. Ich werde nie mehr vor die Kamera treten.
Ihr Ernst?
Ja. Ich mache das seit 55 Jahren und ich beschließe das mit Bullys Film, was ein Zufall ist. Aber ich freue mich natürlich sehr darüber. Kurzum: Ich werde nicht mehr vor der Kamera stehen und deswegen kann ich natürlich auch sehr kritisch sein.
Und wie sieht es mit dem deutschen Fernsehen aus?
Da kann ich nun Gott sei Dank auch sehr offen sein: Ich finde, dass das deutsche Fernsehen eine Katastrophe ist: nur noch Krimis – nachmittags Krimis, abends Krimis. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Publikum das sehen will. Mich wundert überhaupt nicht, dass die Leute nur noch Streamingdienste gucken. Ich verstehe nicht, wie man so am Geschmack des Publikums vorbeigehen kann. Natürlich schauen die älteren Menschen ihre gewohnten Sender weiter. Aber die junge Generation, die jungen Leute, die eigentlich die Zukunft in unserer Branche sind, die gucken sich das nicht an. Da wette ich alles. Die gucken sich irgendwelche Serien an, auf Netflix oder auf Amazon. Ganz ehrlich? So mache ich das auch. Ich finde diese Entwicklung einfach schade.
Gibt es einen Filmstil, den sie besonders herausfordernd finden?
Eine gute Frage. Die Komödie ist immer schwieriger. Das glauben die Leute zwar nicht, aber es ist so. Machen sie zu wenig, lacht keiner, machen sie ein Mü zu viel, lacht auch keiner mehr. Komödie ist - auch im Theater - wirklich das Schwierigste. Gute Krimis hängen natürlich vom Drehbuch ab. Ich guck natürlich auch gerne gute Krimis, aber nicht die, die wir hier im Fernsehen sehen. Ich gucke auch keinen „Tatort“ mehr. Es ist immer die gleiche Soße. Ich persönlich habe natürlich ein paar Sternstunden. Bully hat mit seinem Film natürlich mein Leben verändert. Dieser Erfolg war, oder ist, so gigantisch. Dass ich natürlich davon profitiert habe, lag natürlich auch daran, dass ich zu Bully gesagt habe: „Einen Bösewicht will ich nicht spielen. Wenn du die Rolle umschreibst und der Bösewicht auch lustig ist, dann mache ich das sehr gerne“ – und das war der Erfolg von Santa Maria.
Wenn wir vom „Schuh des Manitu“ reden, müssen wir auch über den neuen Film „Das Kanu des Manitu“ reden. Auf diesen Film sind alle gespannt, vor allem auch hinsichtlich der Diskussionen über das, was man sagen darf oder nicht...
Wir haben alle einen Maulkorb auf. Aber das ist Quatsch. Unsere Branche, und da nehme ich Sie jetzt mit dazu, weil Sie über die Branche schreiben, die darf keinen Maulkorb haben, das geht nicht. Die Freiheit der Kunst muss gegeben sein. Und wenn dann wieder welche kommen: „Nein, keine Homosexuellen“ und keine weiß nicht was - dann können wir alle ins Kloster gehen. Das ist Quatsch. Die Kunst muss frei sein.
Das heißt, dass auch der Film „Das Kanu des Manitu“ frei von Sprachverboten ist.
Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich den Film nicht gesehen habe und wir zusätzlich gebeten wurden, nichts preiszugeben. Ich kann nur sagen, dass meine Rolle nicht sehr groß ist, um nicht zu sagen: Sie ist klein. Insofern weiß ich gar nichts. Ich bin zwar mit Bully befreundet und wir treffen uns regelmäßig, aber er erzählt mir nix. Und ich verstehe das auch. Er ist bestimmt wahnsinnig unter Druck. Ich bin sehr gespannt.
Was macht für Sie einen guten Schauspieler aus?
Gute Frage. Ein guter Schauspieler muss zunächst in der Lage sein, sehr schnell die Regieanweisungen zu übernehmen und natürlich wiedergeben. Wir nehmen mal den „Schuh des Manitu“: Der Regisseur sagt: „Ich möchte, dass du einen edlen Bösewicht spielst, der aber durch die Komik nicht mehr so gefährlich wirkt, sondern eher mit einem Schmunzeln.“ Das muss ich als Schauspieler umsetzen. Oder auf der Bühne: Der Regisseur hat immer eine Vorstellung, wie das Stück sein wird. Als Schauspieler ist es deine Aufgabe, das zu übernehmen und so zu machen, dass es völlig natürlich wirkt.
Man muss quasi in den Kopf des Regisseurs eindringen?
Vielleicht nicht in den Kopf. Er hat eine Vorstellung, nehmen wir das als Haus. Und in dieses Haus muss der Schauspieler eintreten, damit er sozusagen ein Teil des Mobiliars ist und sich alles miteinander verbindet.
Zur Person
Sky du Mont,
geboren 1947 in Buenos Aires, aufgewachsen in England und Deutschland, ist Schauspieler, Sprecher und Buchautor. Berühmt wurde er durch seine Rollen in internationalen Produktionen wie „Eyes Wide Shut“ (an der Seite von Tom Cruise und Nicole Kidman) und als Bösewicht Santa Maria in Michael Bully Herbigs „Der Schuh des Manitu“. Auch in zahlreichen TV-Produktionen war er zu sehen. Unverkennbar ist seine markante Stimme – ob als Erzähler in der „Rocky Horror Show“ oder in zahlreichen Hörbüchern und Werbespots. Heute konzentriert er sich auf die Bühne und das Schreiben.