Das Publikum der Alten Seminarturnhalle erlebte beim Auftritt von Sissi Perlinger einen höchst unterhaltsamen Abend. Foto: Stadler

Kultur: Wirbelwind Sissi Perlinger zu Gast in der Seminarturnhalle

Nagold. Mit ihrer aktuellen und neuesten Bühnenshow "Die Perlingerin – worum es wirklich geht" verwandelte Sissi Perlinger nicht zum ersten Mal die Alte Seminarturnhalle in einen Tempel der guten Laune.

Mit einem schamanischen Ritual, einem lauten "Buh" zum "Ent-Stressen" animierte die bizarre Diva des Kabaretts, Sissi Perlinger, wie immer in Animal Print gewandet, ihr Publikum, vor allem die über 50-jährigen zum Glücklichsein. Glücklich wie die Dänen, zu denen es sie in nächster Zeit auch zieht, vor allem wegen ihrem dänischen Partner, für den sie seine Sprache erlernen möchte und sich deshalb für eine ganze Weile von der Bühne verabschiedet.

Künstlerin erfreut über Tigerlook im Publikum

Beim Blick ins meist weibliche Publikum blieb der Perlingerin nicht unerkannt, dass viele der Gäste dem Bühnen-Derwisch mit mindestens einem Kleidungsstück im Tigerlook huldigten, auch wenn es nur ein Seidentuch oder -schal war. Mit ihrem Programm "Die Perlingerin – worum es wirklich geht" galoppierte die preisgekrönte Comedian durch Diättipps in Form von minutenlangem Lächeln, schickte künftig Wurstesser in ausgediente Raucherboxen am Airport und ließ Cola mit Bier-Trinker hinterher cola-bieren.

Für die ausgebildete und preisgekrönte Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin, die zudem Gitarre und Schlagzeug spielt, ist eine Hochzeit auf den ersten Blick vergleichbar mit der Katze, die man im Sack kauft. Ebenso ist das weiße Hochzeitskleid gleich einem weißen Haushaltsgerät und die darin steckende Frau das Personal, das ein Mann braucht. Und wenn die Ehe ein sicherer Hafen ist, dann sind die Golanhöhen ein Luftkurort, sagt sie. Und außerdem, so die Perlingerin, beginnt das Leben sowieso erst, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Hund tot ist. Standen früher die berühmten drei K für Küche, Kinder und Kirche, so optimieren sich moderne Frauen heutzutage selbst, vor allem durch Social Media, und die K’s bedeuten jetzt: Krasser Kick, Kawumm. Und Kinder sind durch ihre Handies wie auf Crack: amazonisiert, vergoogelt und veräppelt.

Dazwischen singt sie, darunter auch das Lied von den Elementen und den Sinn des Lebens, der darin liegt, dem Leben Sinn zu geben. Sie sprach über Jobs in verhassten Büros, mit Männern, die Krawatten tragen, wie Sklaven im alten Babylon, denen vergleichbar die Schlinge um den Hals lag. Außerdem verhindere deren nach unten zeigende Spitze das aufsteigende Chakra. Dazwischen tobt sie affenähnlich über die Bühne, wechselt mehrfach das Outfit, auch mit Afro-Perücke und riesiger roter Brille und schrill-buntem Kaftan im 70er Jahre Style.

Sie politisiert im langen Zebramantel

Dazwischen lädt sie das Publikum im Saal zum heilsamen Ausschütteln des Unterkiefers ein. Hierdurch, so die Bühnenqueen, werden die Synapsen im Hirn neu geschüttelt und verdrängte Aggressionen, die zu Zähneknirschen führen, verschwinden.

Im zweiten Teil ihrer Bühnenshow verwandelte sie sich in Marlene im langen Zebramantel, wurde politisch und bemerkte, dass viele Schmarotzer auf Staatskosten leben – vor allem im Parlament. Aber auch die geplante Abschaffung des Bargeldes durchleuchtete die Perlingerin und schlug stattdessen vor, einen Kontoauszug beim Rom-Besuch in den Trevi-Brunnen zu werfen. Mit ihrem Song "Ich wär‘ so gerne Nachtigall" inspirierte sie ihr Publikum zum Thema Freiheit, bevor sie den Holztisch zur Gymnastikunterlage umfunktionierte und ihre schlangenartige Beweglichkeit demonstrierte. Überdies sieht sie die derzeitige Krise als wichtigen nächsten Schritt der Menschheit hin zu einem liebevollen Bewusstsein, einer spannenden Zeit in der die Menschen wachsam bleiben und sich lockermachen sollten. Und ADHS bedeutet für sie: alles durcheinander – Hauptsache Spaß.

Den köstlich unterhaltsamen Abend in der Alten Seminarturnhalle beendete sie – trotz kleinerer Mikroprobleme – mit zwei Zugaben, bevor sie zum Besuch von kulturellen Veranstaltungen appellierte, da "die Branche am Abnippeln" sei. Das Publikum war verzückt und zögerte nicht, die ausgiebigen Beifallskundgebungen im Stehen zu äußern.