Abrissbagger auf dem früheren STP-Gelände in Sindelfingen: Der heutige Eigentümer, die Daimler AG,will hier bis Mitte 2015 einen Neubau hochziehen. Foto: Michele Danze

Die C-Klasse kommt weg, dafür wird der sogenannte Betriebsmittelbau gestärkt: Die Daimler AG steckt jetzt knapp 100 Millionen Euro in ein Gelände, das die Firma schon vor neun Jahre aus der Konkursmasse der STP Elektronische Systeme GmbH gekauft hat.

Sindelfingen - Die Abrissbagger sind schon im Einsatz. Sie rücken dem früheren Verwaltungsgebäude einer Firma zu Leibe, die ein trauriges Ende nahm. Am 31. Juli 2003 lief bei STP die letzte Leiterplatte aus der Maschine. Es war der letzte Arbeitstag für 400 Beschäftigte, die den jahrelangen Todeskampf ihres Betriebs bis zum Schluss miterlebt hatten. Doch nun klingt es auf dem 7,6 Hektar großen Areal an der A 81 Stuttgart–Singen nach Aufbruch: „Wir bereiten uns auf die zukünftigen Baureihen von Mercedes-Benz-Pkw vor“, sagt der Sindelfinger Werksleiter Willi Reiss. Und: „Wir investieren knapp 100 Millionen Euro, um die weltweiten Werke mit Presswerkzeugen und Anlagen zu beliefern.“

Mit den Millionen reißt die Daimler AG jetzt erst einmal frühere STP-Gebäude an der IBM-Straße ab. Diese Arbeiten sollen im Herbst dieses Jahres abgeschlossen sein. Danach lässt das Unternehmen einen Neubau mit einer Gesamtfläche von rund 15.000 Quadratmeter hochziehen. Geplantes Bauende ist Mitte 2015.

Der Neubau bietet dann laut Reiss Platz für einen „hochmodernen Maschinenpark“. Hier sollen nicht nur Presswerkzeuge für den Karosseriebau hergestellt, sondern auch Tests von Prototypen-Werkzeugen gemacht werden. Damit könne der Produktionsanlauf in den Pkw-Werken weiter optimiert werden, teilt das Unternehmen mit. Mit der Investition „stärken wir unseren Standort nachhaltig“, so Reiss. Die Zahl der Beschäftigen auf dem früheren STP-Areal, das bei Daimler heute Werksteil Tübinger Allee heißt, gibt er mit rund 250 an.

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis die Automobilbauer diese Verwendung für das ehemalige Gelände des Leiterplatterherstellers gefunden haben. Neuer Eigentümer war Daimler nämlich schon zum 1. April 2004 geworden. Seither wurde dort nur die Designo-Manufaktur angesiedelt. Circa 260 Beschäftigte erfüllen bei Designo die Gestaltungswünsche der besonders zahlungskräftigen Kundschaft in Sachen Lackierung und Innenausstattung.

Mit Verlust der C-Klasse-Mercedes kam Aufruhr

Die 100-Millionen-Euro-Investition für den Betriebsmittelbau ist zudem kein Selbstläufer. Sie entspringt einer Vereinbarung mit den Betriebsrat, die 2009 geschlossen und Mitte 2012 fortgeschrieben wurde. Hintergrund ist die C-Klasse, die ab 2014 nicht mehr in Sindelfingen produziert wird.

Der Verlust des C-Klasse-Mercedes hatte 2009 die Daimler-Belegschaft in Sindelfingen in Aufruhr gebracht. Wochenlange Proteste und Demonstrationen änderten allerdings nichts an der Entscheidung des Vorstands. Auch Politiker aus Land und Region hatten vergeblich um den Verbleib der C-Klasse gerungen. „Das ist ein schwarzer Tag für Sindelfingen“, sagte Oberbürgermeister Bernd Vöhringer, als am 2. Dezember 2009 endgültig feststand, dass die Mittelklasse-Baureihe künftig in Bremen und Tuscaloosa im US-Staat Alabama gebaut wird. „Vorstand raus“, skandierten Hunderte Arbeiter bei einer spontaner Kundgebung vor dem Daimler-Verwaltungstrakt in Sindelfingen.

Verzicht auf Zulieferer

Wenige Tage danach hatte der Konzern den rund 37.000 Mitarbeitern im Werk Sindelfingen eine Jobgarantie bis 2020 gegeben. Unternehmensleitung und Betriebsrat hatten sich auf ein Konzept zur Zukunftssicherung des Standorts geeinigt. Die durch den Verlust der C-Klasse wegfallenden rund 1800 Arbeitsplätze sollten unter anderem durch die Verlagerung der SL-Baureihe (Roadster) von Bremen nach Sindelfingen ausgeglichen werden. Auch eine Erhöhung der Fertigungstiefe, sprich der Verzicht auf Zulieferer, sowie der Ausbau des Sindelfinger Betriebsmittelbaus waren enthalten.

Die SL-Baureihe bleibt nun aber doch in Bremen, und auch die 100-Millionen-Euro-Investition in den Betriebsmittelbau sollte auf Eis gelegt werden. In der neuen Vereinbarung mit dem Betriebsrat vom Juli 2012 wurde die alte Abmachung dann aber bestätigt. Der Betriebsmittelbau werde gestärkt und ausgebaut, heißt es darin. Strategisches Ziel sei es, den Sindelfinger Betriebsmittelbau in die Lage zu versetzten, weltweit alle Pkw-Standorte im Unternehmen mit Werkzeugen zu beliefern. Das wird jetzt auf dem früheren STP-Gelände umgesetzt.