Bei der Behandlung von kranken Katzen ist Antiobiotika manchmal unverzichtbar. Foto: Kreistierheim Donaueschingen

Die Regeln bei der Antibiotikavergabe in der Tiermedizin sollen vor dem Hintergrund der Massentierhaltung ab Januar 2022 verschärft werden, fordern EU-Parlamentarier. Tierärzte sind dagegen. Denn die geplante Verordnung trifft auch Haustiere. Experten aus der Region äußern sich zu den neuen Einschränkungen.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Ein Hund guckt den Betrachter mit großen Augen aus einem Plakat heraus an. "Mein Leben ist in Gefahr!" steht über dem Tier. Darunter: "Bitte unterschreiben, damit auch in Zukunft alles für meine Gesundheit getan werden kann!" Initiator dieser Kampagne ist der Bundesverband praktizierender Tierärzte (BPT), der Unterschriften gegen die strengeren Antibiotika-Regeln sammelt.

Der Umweltausschuss des Europaparlaments fordert die EU-Kommission dazu auf, fünf Antibiotika-Gruppen offiziell als sogenannte Reserveantibiotika einzustufen. Diese sind Fluorchinolone, Cephalosporine der dritten und vierten Generation, Polymyxine und Makrolide. Als Folge dürften diese Antibiotika nicht mehr in der Massentierhaltung verwendet werden. Denn Reserveantibiotika sind Medikamente, die in der Humanmedizin bei Infektionskrankheiten verwendet werden, wenn normale Antibiotika nicht mehr wirken. Ziel ist ein möglichst restriktiver Einsatz dieser Mittel, um ihre Wirksamkeit beim Menschen durch sich entwickelnde Antibiotikaresistenzen nicht zu gefährden.

"Es trifft immer die Falschen"

Gleichzeitig soll die Kommission einen Gesetzesentwurf vorlegen, der die sogenannte Einzeltierbehandlung auch mit diesen Reserveantibiotika zulassen soll. Das bedeutet: Haustiere dürfen in Ausnahmen weiterhin mit den Wirkstoffen behandelt werden.

Der Wegfall der Antibiotika-Gruppen werde aber trotzdem die Tierarztpraxen treffen, befürchtet der BPT. Eine Tierärztin aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis, die anonym bleiben möchte, stimmt dem zu. "Es trifft immer die Falschen. Würde man in der Landwirtschaft nicht so viel mit Antibiotika behandeln, müssten wir das jetzt nicht ausbaden", kritisiert sie. "Es wird dadurch nicht einfacher werden." Die Tierärztin vermutet, dass Tierarztpraxen zukünftig öfter auf sogenannte Antibiogramme zurückgreifen müssen. Bereits jetzt würde sich deren Einsatz häufen.

Teures und aufwendiges Verfahren

Bei einem Antibiogramm wird die Wirksamkeit verschiedener Antibiotika gegen Krankheitserreger getestet. Dafür nehmen Tierärzte Keimproben von den vierbeinigen Patienten und schicken sie in ein Labor. Dort werden die Keime einzeln angezüchtet und überprüft, welches Antibiotikum gegen welchen Krankehitserreger hilft. Die Tierarztpraxis muss jedoch vier bis fünf Tage lang auf das Ergebnis warten. Wird zukünftig eines der Reserveantibiotika als bester Wirkstoff vorgeschlagen, muss nach einer Alternative gesucht werden, was wiederum noch mehr Zeit in Anspruch nimmt.

Manche erkrankte Tiere haben jedoch diese Zeit nicht, ihnen muss schnellstmöglich geholfen werden. "Es wird Ausnahmen geben, dass man in Notfällen das entsprechende Reserveantibiotikum geben darf", beruhigt die Tierärztin. Haustiere müssten deshalb nicht sterben. "Aber wir werden es jedes Mal sehr gut abwägen und begründen müssen."

Neue Regeln sollen ab Januar 2022 gelten

Die Tierärztin betont, dass dies derzeit noch Vermutungen seien. In welcher Form die Verordnung den Alltag von Tierarztpraxen beeinflussen wird, ist noch unklar. Das Europäische Parlament stimmt Mitte September über den Vorschlag des Umweltausschusses ab. Ab Januar 2022 sollen die strengeren Regeln gelten. Die Tierarztpraxen müssen dann die Reaktion der Tierärztekammer und die neuen Handlungsvorgaben abwarten. Die Expertin aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis ist sich jedoch sicher: "Das Antibiogramm wir zur Regel werden und es wird teurer, auch für die Halter."

Bei der emotional geführten Debatte gerät der eigentliche Hintergrund recht schnell aus dem Fokus. Denn dass weniger Antibiotika eingesetzt werden sollten, darin sind sich alle einig. Der massenhafte Einsatz von Antibiotika hat weitreichende Folgen. Der Grund: Je mehr ein Antibiotikum eingesetzt wird, desto eher setzen sich Erreger-Subtypen durch, denen das Medikament nichts anhaben kann - die resistent sind.

Die Tierärztin aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis weiß von dieser Gefahr. Auch einige ihrer Kollegen würden Antibiotika zu regelmäßig und schnell bei Haustieren einsetzen. "Das ist nicht Sinn und Zweck des Medikaments", sagt sie. Nicht bei jedem Durchfall müsste man beispielsweise gleich ein Antibiotikum verabreichen. Die Tierärztin berichtet aber auch von Haustierhaltern, die nach einer kurzen Google-Recherche auf die Vergabe von Antibiotika bei ihren Vierbeinern beharren würden. "Einige Kollegen geben dem Tier dann ein Antibiotikum, obwohl es gar nicht notwendig ist."

Weniger Antibiotika durch artgerechte Haltung

Ganz auf Antibiotika verzichten können Praxen jedoch nicht. "Es gibt Momente, da müssen wir es geben, sonst stirbt das Tier", sagt die Tierärztin.

Auch das Kreistierheim Schwarzwald-Baar-Kreis in Donaueschingen ist bei der Behandlung der teils kranken Tiere auf diese Medikamente angewiesen. Die Verordnung treffe sie jedoch vorerst nicht, berichtet die Leiterin Nadine Vögel. Sie und ihre Mitarbeiter nutzen keines der betroffenen Antibiotika. Vögel hingegen sieht das Problem in der Massentierhaltung. "Wir brauchen eine artgerechte Haltung und Ernährung sowie genügend Platz für die Tiere. Dann wird auch weniger Antibiotikum gebraucht."

Lesen Sie auch: Vermeintlich leere Außengehege - Leiterin klärt auf

Dass diese Methode tatsächlich hilft, beobachtet die Leiterin bereits in ihrem Tierheim. Denn dank des Anbaus haben die Hunde genügend Platz und weniger Stress, weshalb weniger Antibiotika eingesetzt werden müssen.

Das Problem seien die Katzen, vor allem die wild lebenden, die oft krank in das Tierheim kommen und dort behandelt werden müssen. Aus diesem Grund setzt sich Vögel für eine Katzenschutzverordnung im Schwarzwald-Baar-Kreis ein, sprich einer Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für Hauskatzen mit unkontrolliertem Freigang. Dies soll die ungehinderte Vermehrung von verwilderten Hauskatzen eindämmen. "Wenn durch eine Katzenschutzverordnung weniger kranker Tiere unterwegs sind, hätten wir nicht das Problem, dass wir so viel Antibiotika brauchen", erklärt Vögel.