Die "Cocktail Singers" stimmten das Publikum in der Simmozheimer Dreifaltigkeitskirche fingerschnipsend und hüftschwingend auf das folgende Programm ein. Foto: Meinert Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: "Cocktail stravagante" spannt Bogen von Oper über Musical bis hin zu Rockklassikern

Musik in Kirchen gibt es häufig, Kirchenmusik eben – ernst, alt und ehrwürdig. Was in der evangelischen Kirche in Simmozheim einmal im Jahr von einem ganz besonderen Ensemble zu hören ist, hat allerdings Seltenheitswert. Es eine "bunte Mischung" zu nennen, wäre eine gelinde Untertreibung.

Simmozheim. Von Michael Jackson bis zur Oper "Carmen", von Freddie Mercury-Songs über Barock bis zum Musical "Mary Poppins" reicht das Repertoire. "Ganz und gar nicht Kirchenmusik", meint denn auch Pfarrerin Annette Roth beim jüngsten Auftritt lächelnd. "Cocktail Stravagante" nennt es Daysi Breitling, Musiklehrerin, Flötistin und Mit-Organisatorin des Formats. "Extravagante Mischung" also, seit 2003 gibt es den Auftrieb. Auf der Bühne stehen vorwiegend Schüler. Die kleine Kirche ist bis auf den letzten Platz besetzt.

Flöten spielen bewusst eine Hauptrolle

Es beginnt mit einem Klassiker, "Swing the Prelude", zur Einstimmung sozusagen. Gesungen von rund zwei Dutzend junger Mädchen plus eine Handvoll Jungen, die sich "Cocktail Singers" nennen. "Dubadubadu", singen sie, schwingen dabei in den Hüften und schnippen mit den Fingern – ganz 1950er- und 1960er-Jahre eben.

"Is this real life, is this just fantasy?", fragt die Hausherrin, Pfarrerin Roth, bei ihrer Begrüßung mit Blick auf Freddie Mercurys "Bohemian Rhapsody". "Handelt es sich um echtes Leben oder nur um Fantasie?" Aber Wirklichkeit oder Fantasie, das frage sich ja der ein oder andere auch im Gottesdienst, meint die Pastorin.

Doch Fantasie und Musik sowie Dichtung seien eben wichtig, um "dem Menschen Flügel zu verleihen, um unser reales Leben zu beflügeln, um beschwingt und beflügelt in den Alltag zu gehen".

Es geht weiter mit keltischer Musik, gespielt mit sechs Querflöten, gefolgt von einer recht modernen Fassung von "Indian Summer". "Es handelt sich um moderne Musiktechniken, hören sie genau hin", mahnt die junge Ansagerin. Auch hier dominieren die Flöten, diesmal keine Querflöten, sondern Holzinstrumente wie die gute alte Blockflöte. Überhaupt: Flöten spielen eine Hauptrolle an diesem Abend, auch das ein ganz bewusster Schritt von Breitling. "Ich arbeite daran, die Blockflöte attraktiver zu machen", meint sie. "Die Blockflöte soll wegkommen vom Image des Anfängerinstruments." Überhaupt, das ganze "Cross-over-Konzept" des Konzerts sei ihre Idee gewesen, sagt die private Musiklehrerin. "Und dann hat es sich eben entwickelt."

Ein Höhepunkt ist "Carmen", eine der weltweit am meisten gespielten Opern überhaupt. "Carmen ist Liebe und Eifersucht, und alles endet mit dem Tod", erklärt die junge Musikerin.

Fallhöhe ist bei großen Werken sehr hoch

Auch hier Flöten, unterstützt von Geigen und Klavier. Es sind Melodien, die jeder kennt, die viele schon von den besten Musikern gehört haben. Wenn junge, sehr junge Musiker sich an solcherart große Stücke heranwagen – ist dann nicht auch die Fallhöhe recht groß? "Das ist mir schon bewusst", antwortet Breitling. "Aber ich wage es, den Jungen und Mädels solche Musik näher zu bringen." Sie besuche auch die Oper mit ihnen. "Sie sind mit Feuer und Flamme dabei." Auch die weiteren Höhepunkte des Konzerts sind weltberühmt, etwa "Mary Poppins". Zu erwähnen sind die beiden jungen Sängerinnen Leonie Derer und Laura Herdter ("Here with me" und "Wild and Free").

Alles in allem: Es ist eine extravagante Mischung an diesem Abend. Man hätte gerne noch mehr gehört. Am Schluss gibt es sehr lange anhaltenden Beifall.