In Simmozheim gibt es womöglich schon ab Februar wieder einen Lebensmittelladen – ­in Form eines Landmarkts. Foto: dpa/Weigel

Sieben Ja- und vier Nein-Stimmen. Auf Streuobstwiese entsteht kein Discounter. Mit Kommentar

Simmozheim - Wenn alles gut läuft, wird es schon im Februar in Simmozheim wieder einen Lebensmittelladen geben. Mit sieben Ja- und vier Nein-Stimmen entschied sich der Gemeinderat am Donnerstagabend für die kleinere und schnellere Lösung.

 

Das Interesse der Bürger an der Sitzung war so riesig, dass man den unmittelbar neben dem Sitzungssaal liegenden Raum bestuhlen musste. Im Vorfeld hatten Befürworter eines Landmarkts bereits 417 Unterschriften gesammelt und sie Bürgermeister Stefan Feigl übergeben.

Unabhängiger Fachmann zu Gast

Die Verwaltung hatte zur ent- scheidenden Ratssitzung einen unabhängigen Fachmann von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) eingeladen, der noch einmal die deutlichsten Vor- und Nachteile eines kleineren Dorfladens sowie eines Supermarktes und eines Discounters herausstellte.

"Ein Dorfladen funktioniert gut, wenn die Konkurrenz weit weg ist oder eine große Identifikation mit dem Laden besteht", resümierte der Fachmann. Die gespannt lauschenden Bürger erfuhren unter anderem, dass derzeit in Deutschland kleinere Lebensmittelladenbetreiber gerade einmal drei Prozent der gesamten Versorgung ausmachen. Oft gelinge die Realisierung mit kleineren Dorfläden deshalb gut, weil zusätzlich noch ein Café, eine Poststelle oder eine Kleiderreinigungsannahmestelle integriert seien.

Bei einem kleineren Landmarkt sei das Risiko des Nicht- gelingens weit größer als bei einem großen Supermarkt. Die meisten Menschen würden nämlich lieber in einem größeren Markt einkaufen.

Gemeinderat Eugen Häberle berichtete von seinem Besuch in der Gemeinde Assamstadt. Dort gebe es einen genossenschaftlich organisierten Laden, der ganz gut funktioniere, jedoch unter anderem auch ehrenamtliche Mitarbeiter habe. Häberle setzte sich für die in seinen Augen "langfristig sicherere Discounter-Lösung" ein. Auf der von Umweltfreunden genannten "schützenswerten Streuobstwiese", die für den Bau eines Discounters benötigt würde, "stehen gerade mal acht alte Bäume" und "fünf davon sind kaputt", hob er hervor. Die selben Leute, die jetzt für einen Dorfladen plädierten, holten am Ende dann "doch nur ein Stück Butter" dort. "Ich möchte Herrn Bach (geplanten Betreiber) diese Chance geben", unterstrich hingegen seine Fraktionskollegin Sabine Fels. Sie wünsche sich einen servicefreundlichen sowie visuell und atmosphärisch ansprechend gestalteten Dorfladen.

Landmarkt sei für Senioren wichtig

Auch Gemeinderat Rainer Bauser sprach sich für so eine Chance aus. "Wenn wir in zwei bis drei Jahren sehen, dass es nicht geht, wird bestimmt eine andere Tür aufgehen", meinte er optimistisch.

Bürgermeister Stefan Feigl gab zu bedenken, "dass man das Heft des Handelns aus der Hand" gebe, wenn man sich jetzt für die kleinere und in seinen Augen unsichere Landmarkt-Lösung entscheide. Die wenigsten Kommunen hätten so nah bei der Ortsmitte eine solch hervorragend geeignete Fläche und damit die Möglichkeit, einen größeren Lebensmittelanbieter anzusiedeln.

Gemeinderat Lorenz Auwärter meinte, man könne nicht "in die Glaskugel schauen". Für ihn zählten auch "persönliche Kontakte und Nahversorgung aus Leidenschaft". Deshalb plädiere er ebenfalls für den Landmarkt.

Friedbert Baral erinnerte daran, dass es im Jahr 2030 in Simmozheim rund 30 Prozent mehr über 80-jährige Bürger gebe, als dies momentan der Fall sei. Gerade für die zunehmende Zahl an Senioren im Ort sei der Landmarkt einfach enorm wichtig. Bürgermeisterstellvertreterin Jennifer Lachenmann war der "Erhalt unseres dörflichen Charakters" wichtig.

Der Rathauschef appellierte an die Räte, jetzt geschlossen hinter der aktuell beschlossenen Lösung zu stehen. Das bewiesen die Gremiumsmitglieder dann auch gleich bei der sich anschließenden Abstimmung darüber, dass das Gebäude sowie der Platz des ehemaligen "nah und gut"-Ladens (Hauptstraße 22) aus dem Bereich der Ortskernsanierung herausgenommen wird. Denn nur so ist künftig die Möglichkeit einer finanziellen Förderung gegeben.

Für die Etablierung einer der beiden Discounter, die im Vorfeld ihr Interesse bekundet hatten, stimmten Jörg-Uwe Koske, Eugen Häberle, Ernst Repphun und Bürgermeister Stefan Feigl.

Für den Landmarkt votierten Sabine Fels, Rainer Bauser, Lorenz Auwärter, Friedbert Baral, Jennifer Lachenmann, Etienne Jourdan und Chris Laich. Franco Di Muzio und Astrid Winkeler durften wegen Befangenheit nicht mit abstimmen.

Das Ratsgremium votierte am Ende einstimmig dafür, das Gebäude des früheren "nah und gut"-Marktes in der Hauptstraße aus dem Ortskernsanierungsgebiet herauszunehmen. Damit wurde der Weg für eine eventuelle LEADER-Förderung freigemacht.

Kommentar: Weckruf

Mit seinem Votum pro Landmarkt hat der Simmozheimer Gemeinderat ein Zeichen für die Dorfgemeinschaft und den Umweltschutz gesetzt. Es wird keine Streuobstwiese für einen Discounter-Neubau geopfert, und der Dorfladen kann viel schneller als eine Discounterfiliale eröffnet werden. Das ist letztlich das Ergebnis einer lebhaften und konstruktiven Debatte über Nahversorgung in der Bevölkerung. Damit ist es aber nicht getan. Die Entscheidung der Räte muss als Weckruf verstanden werden. Es reicht nicht, mit Worten zu bekunden, dass man einen Laden im Ort wichtig findet, die Simmozheimer müssen ihre Wertschätzung mit einem regelmäßigen Einkauf dort ausdrücken. Sonst werden auch weitere Zukunftsprojekte wie ein neues Baugebiet infrage gestellt: Eine Gemeinde ohne Einkaufsmöglichkeit ist für Neubürger weitaus weniger attraktiv.