Coronakrise: Andreas Jendrusch und Matthias Krumrey heben regionalen Streamingdienst aus der Taufe
Not macht erfinderisch in Zeiten der Coronakrise. Andreas Jendrusch ist dafür ein Beispiel. Der Regisseur und geschäftsführende Intendant des Regionentheaters aus dem Schwarzen Wald hat den "Kulturkanal.live" aus der Taufe gehoben.
Simmersfeld/Altensteig. Die behördliche Anordnung, dass alle Theater in Deutschland geschlossen werden, um die Gefahr einer weiteren Ausbreitung der Infektionskrankheit zu verhindern, "hat mich tief getroffen", beschreibt Jendrusch seinen damaligen Seelenzustand. Keine Aufführungen in Simmersfeld und Altensteig, keine Vorstellungen in Nagold und Bad Dürrheim? Dabei hatte er mit den Schauspielern Martin Semmelrogge, Sebastian Menges und Lea Kirn bereits seit Mitte Februar das Stück "Herr Lehmann" einstudiert, das eigentlich schon 2019 Premiere feiern sollte. Bis im Frühjahr das Dach des Festspielhauses in Simmersfeld vom Orkan weggerissen wurde und der Probenbetrieb ruhte. Die Neuinszenierung wurde auf den 4. April 2020 verschoben. Danach wollte man mit der Komödie auf Tournee gehen.
Weil bis auf Weiteres auch alle anderen Bühnen nicht bespielt werden können, sei ihm angst und bange geworden, wie es mit dem Regionentheater und auch mit ihm persönlich weitergehe – beide leben zu einem Großteil von Zuschauereinnahmen. Er habe ernsthaft überlegt, ob er nach zwei Katastrophen in einem Jahr überhaupt weitermachen will.
Anstatt in Depression zu verfallen, habe er sich letztlich dazu durchgerungen, nach Alternativen zu suchen und Perspektiven aufzuzeigen. Wert legt der Regisseur auf die Feststellung, dass er sich nicht nur für das Regionentheater ins Zeug lege, sondern für alle Kulturschaffende, denen die Pandemie stark zusetze. Mit dem "Kulturkanal.live" will er Zuschauer, Städte und Gemeinden mit der Frage konfrontieren, wie wichtig ihnen der Erhalt der regionalen Kultur und ein ausgewogenes Programm ist. Das Schreiben habe er an viele Bürgermeister im Landkreis geschickt.
Der Intendant setzte sich mit Filmemacher Matthias Krumrey aus Altensteig zusammen, der schon bei der Produktion des Stücks "Karlsson vom Dach" technische und visuelle Hilfestellung leistete – mit dem Ziel, einen Streamingdienst aufzubauen.
Die Idee ist, laut Jendrusch, beim Landratsamt Calw auf fruchtbaren Boden gefallen. Man könne sich dort eine finanzielle Unterstützung vorstellen, wenn Künstler und Gruppen aus dem Kreis Calw zum Zuge kämen. Mit dem Projekt werde den Kulturschaffenden auch so etwas wie ein "Arbeitsalltag" zurückgegeben, anstatt der weiteren Entwicklung tatenlos zuzusehen und in eine tiefe Niedergeschlagenheit zu verfallen. Natürlich erhoffe er sich vom virtuellen Auftritt ein kleines Honorar, "das direkt an die teilnehmenden Künstler weitergeleitet wird".
Finanzielle Unterstützung könnte auch dadurch geleistet werden, dass Kommunen für ihr Kulturprogramm ein bestimmtes Jahresbudget bereitstellen, das nach den vielen Absagen nicht restlos ausgeschöpft werde. Spenden seien ebenso willkommen. Auf der neu eingerichteten Internetseite www.kulturkanal.live könne man mehr erfahren.
In den vergangenen Tagen hat der Intendant des Regionentheaters mit mehreren Kulturschaffenden telefoniert, welche Beiträge man anbieten könne. Zum Beispiel eine Aufführung des Enri-Theaters Berneck, ein Konzert der Christophorus-Kantorei Altensteig, ein Kirchenkonzert in Nagold, eine Kunstausstellung und Programme aus anderen Sparten. Weil Jendrusch mit dem Start des Kulturkanals nicht lange zuwarten will, werde das Regionentheater an diesem Sonntag, 29. März, um 16 Uhr den Anfang machen mit einem Mitschnitt des Kinderstücks "Das Sams" im Livestream – empfangbar auch auf Facebook. Künstler und Gruppen, die danach ebenfalls dabei sein wollen, könnten sich per E-Mail über info@regionentheater melden.