Hildegard Knefs imaginäre Zwillingsschwester Irmgard nimmt kein Blatt vor den Mund. Foto: Köncke Foto: Schwarzwälder-Bote

Kabarett: Kleinkunst-Preisträger geben sich ein Stelldichein im Simmersfelder Festspielhaus

Simmersfeld. Wenn Irmgard, die Zwillingsschwester von Hildegard Knef, mit 87 Jahren in einem Berliner Hinterhof am Altflaschencontainer ein Liebeslied auf Karl anstimmt, den Mann von "dr Alb ra", wenn eine empfängnisbereite Frau mit ihrem Freund auf die Malediven fährt, weil das Klima zur Zeugung dort so ideal ist, wenn bei einem Schnellsprecher mit Migrationshintergrund niemand weiß, wie man seinen Namen richtig schreibt, und ein Verzweifelter mit dramatischer Stimme dem letzten Kopfhaar nachtrauert und andere abenteuerliche Geschichten erzählt werden, dann wissen Eingeweihte, dass vier Kleinkunst-Preisträger im Simmersfelder Festspielhaus einen Zwischenstopp mit Spaßgarantie eingelegt haben. Entertainer Roland Baisch musste erkrankt absagen, deshalb führte Kabarettist und Akkordeonspieler Timo Grundke durch das zweistündige Programm.

Seit 30 Jahren vergibt das Land Baden-Württemberg Kleinkunstpreise in unterschiedlichen Gattungen, die sich häufig als Sprungbrett erweisen. Nach der Verleihung ist es üblich geworden, dass sich Künstler zusammentun und in wechselnder Zusammensetzung in Großstädten auftreten und in die Provinz ausschwärmen.

Ein Slammer ist ein Poet mit durchweg selbst geschriebenen Texten. Nektarios Vlachopoulos ist ein solcher. 1986 im badischen Bretten geboren, studierte er Germanistik und Anglistik. 2008 hat er seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Vorher war er Lehrer. Und das scheint ihm bis heute nachzuhängen, selbst bei einer Studentenparty, als ihm ein Mädchen mit Nasenpiercing fragte, ob sie kurz aufs Klo gehen dürfe und ihm vor Schreck die Zigarette ins Bierglas fiel. Natürlich könnte Nektarios moderne, romantische Liebesgedichte schreiben, er bedient sich lieber der Sprache höfischer Minnesänger. Verabschiedet hat sich der ehemalige Pauker mit einem absurden "Witz". In irrem Tempo charakterisiert Vlachopoulos Bevölkerungsgruppen, Religionszweige und ideologischen Strömungen mit typischen (Vorurteils)Sätzen.

Musik-Kabarettistin und Kleinkunstpreisträgerin Stefanie Kerker aus Heilbronn ist seit 2009 mit ihrer Ukulele auf Tour. In Simmersfeld bespaßte sie das Publikum unter anderem mit der Story über eine Frau, die sich sehnlichst ein Kind wünscht. Weil von Anfang an alles stimmen muss, , lässt sie sich wegen des milden Klimas auf einer Insel in der Südsee schwängern. Was man mit einer Göre macht, wenn sie ein Geldstück verschluckt hat? "Beim ersten Kind geht man mit ihm ins Krankenhaus, beim zweiten wartet man ab, bis die Münze wieder rauskommt, und beim dritten zieht man das vom Taschengeld ab."

Ob sie mit ihrem Leben zufrieden ist? Manchmal wäre es der Stefanie lieber, das Publikum im Saal würde singen, "und ich spende den Applaus".

Nach der Pause glänzte der Berliner Autor und Schauspieler Ulrich Michael Heissig aus Berlin mit seinem musikalisch-kabarettistischen Bühnensolo über Irmgard Knef, der (imaginären) Zwillingsschwester von Hildegard, der sie im Aussehen – langer Leopardenmantel, breitrandige Brille, weißgelbe Perücke – der schnodderigen Stimme ("Kindchen, fahr ab") und ihrer Art zu sprechen täuschend echt nacheifert und ohne Rücksicht aus dem Nähkästchen plauderte.

Zum Schluss traten alles vier ins Rampenlicht der Simmersfelder Festspielhalle und sangen das Einschlaflied vom guten Mond, der so stille geht. Nur war dem aufgekratzten und hellwachen Publikum im voll besetzten Saal alles andere zumute, als zu Bett zu gehen. Am liebsten hätten die Zuhörern den Komödianten noch stundenlang zugehört.