Jetzt erst Recht! Nach den vielen coronabedingten Ausfällen haben die deutschen Handballer eine erstaunliche Trotzreaktion gezeigt. Gegen Polen gelingt der dritte Sieg im dritten Spiel. Am Donnerstag wartet Titelverteidiger Spanien.
Bratislava - Neun Corona-Fälle, nur noch ein Torwart – und trotz dieses Rumpf-Teams leben die EM-Hoffnungen mehr denn je weiter: Deutschlands extrem dezimierten Handballern ist im abschließenden Vorrundenspiel der Europameisterschaft eine kleine Sensation gelungen. Obwohl der DHB-Auswahl gerade mal 14 Spieler zur Verfügung standen, setzte sie sich am Dienstagabend in Bratislava mit 30:23 (15:12) gegen Polen durch und zieht nun mit einer idealen Punkte-Ausbeute in die Hauptrunde ein.
Bester Werfer der Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason vor 1076 Zuschauern war EM-Neuling Christoph Steinert mit neun Treffern. Und obwohl der Einzug in die nächste Turnierphase schon vor der Partie festgestanden hatte, war der Erfolg extrem wichtig: Denn die zwei Punkte aus diesem Spiel nimmt das deutsche Team in die Hauptrunde mit. Erster Gegner dort ist am Donnerstag Titelverteidiger Spanien.
Was sich in Bratislava abspielte, wird unabhängig vom Ergebnis wohl einmalig in der Geschichte des deutschen Handballs bleiben: Gleich neun Nationalspieler fielen nach positiven Corona-Tests aus, so dass die DHB-Auswahl mit 14 anstatt der erlaubten 16 Spieler antreten musste. Bundestrainer Gislason hatte sogar noch Glück, dass die erst am Montagabend nachnominierten Bitter, Rune Dahmke, Fabian Wiede, Paul Drux sowie Sebastian Firnhaber rechtzeitig am Dienstagmorgen in der Slowakei eingetroffen waren und anschließend negativ auf Corona getestet wurden. Ansonsten wäre der DHB-Kader noch deutlich stärker dezimiert gewesen.
Jetzt erst recht!
Und weil unmittelbar vor dem Anpfiff auch noch Linksaußen Marcel Schiller und Torwart Till Klimpke positiv getestet wurden, war der 39-jährige Bitter sogar der einzig verfügbare Keeper der deutschen Mannschaft. Eine lange Eingewöhnungszeit brauchte der Weltmeister von 2007 allerdings nicht. Schon im ersten Durchgang parierte der Routinier einige Wurfversuche der Polen. Und auch der Rest des Teams schien sich angesichts der erheblichen Personalprobleme zu sagen: Jetzt erst recht! EM-Neulinge wie der Zweitliga-Profi Julian Köster oder der 32-jährige Steinert liefen phasenweise zur Höchstform auf. Es ging ja auch nicht anders. Denn sonst war ja kaum noch jemand da.
„Gnadenlose Emotionen. Es war einfach begeisternd, was die Jungs gezeigt haben“, sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer zur Halbzeit. „Aber wir müssen davon ausgehen, dass wir nicht 60 Minuten konstant spielen.“ Neben Bitter dürften auch Drux, Wiede, Dahmke und Firnhaber zum Einsatz in der Nacht zuvor nur wenig geschlafen haben, trotzdem wehrte sich die DHB-Auswahl mit aller Macht gegen den Corona-Ausbruch und die zuvor im Turnier so souveränen Polen. Weil neben Klimpke auch der zweite Torhüter Andreas Wolff wegen Corona ausfiel, musste Bitter durchspielen.
Spieler aus Stuttgart und Göppingen nachnominiert
Und wenn seinen Vorderleuten mal die Puste ausging, war der Oldie vom HSV Hamburg da. Als der 21-jährige Köster etwa in der 39. Minute in der eigenen Hälfte leichtfertig den Ball verlor, glänzte Bitter mit einer überragenden Parade gegen den frei vor ihm auftauchenden Polen. Dabei hatte Bitter kaum Handball trainiert in den vergangenen Tagen. Die gesamte deutsche Mannschaft hatte sich ebenfalls nicht mit einem Abschlusstraining auf die Partie vorbereiten können, weil sie noch auf die Ergebnisse ihrer Corona-Tests hatte warten müssen. „So etwas gab es noch nie“, sagte Gislason im ZDF.
Dass ein Bundestrainer noch nicht weiß, welcher Kader ihm in zwei Tagen im ersten Hauptrundenspiel der EM zur Verfügung steht, gab es so auch noch nie. Um wenigstens wieder 16 Spieler zu haben, nominierte der DHB noch am Dienstag Torhüter Daniel Rebmann von Frisch Auf Göppingen sowie Außen Patrick Zieker vom TVB Stuttgart nach. Beide sollen am Mittwochmorgen zum Team stoßen. Ob danach noch weitere Corona-Fälle hinzu kommen, bleibt offen. Einen sportlichen Schaden hat die DHB-Auswahl dadurch aber auch noch nicht erlitten.