Sie ist der Publikumsliebling beim Volleyball-Meister: Roosa Koskelo wird für 250 Spiele im Trikot von Allianz MTV Stuttgart geehrt – und ist immer noch extrem ehrgeizig.
Im Profivolleyball werden in der Regel Ein-Jahres-Verträge geschlossen, es ist normal, dass am Ende einer Saison mehr als die Hälfte des Kaders von sich aus geht oder ausgetauscht wird. Umso erstaunlicher ist die Geschichte der Finnin Roosa Koskelo (33). Die Libera wechselte im Sommer 2018 zu Allianz MTV Stuttgart, bestreitet ihre siebte Saison beim Meister und hat in dieser Zeit kein einziges Spiel verpasst. Ob die Kapitänin auch künftig die Abwehrkräfte ihres Teams stärken wird? Ist noch offen.
Frau Koskelo, Sie sind zuletzt für 250 Pflichtspiele im Trikot von Allianz MTV Stuttgart geehrt worden. Was bedeutet diese Zahl für Sie?
Ich spüre, dass ich alt werde (lacht).
Und was sonst noch?
Es war eine lange Reise. Ich hätte niemals gedacht, so viele Jahre in Stuttgart zu bleiben. Ich bin sehr dankbar, immer noch auf derart hohem Niveau in diesem Club spielen zu dürfen. Es ist großartig, wie die Dinge hier zusammenlaufen.
Sportchefin Kim Renkema hat Ihre Loyalität hervorgehoben, und auch, dass Sie für die Fans eine Identifikationsfigur sind. Passt diese Einschätzung?
Ja, und sie ehrt mich zugleich. Ich habe stets versucht, dem Club das Vertrauen zurückzuzahlen, das in mich gesetzt wurde. Ich gebe auf dem Feld immer alles – für mich, aber natürlich vor allem für das Team und den Verein. Der Wert dessen, was ich in Stuttgart erlebe, ist von Jahr zu Jahr größer geworden.
Und die Fans?
Sind absolut einzigartig. Für sie zu spielen, ist ein ganz besonderes Gefühl. Ich kenne viele Volleyballerinnen, die nie für Allianz MTV Stuttgart aufgelaufen sind und trotzdem sagen, dass es in unserem Sport kein besseres Publikum gibt.
Spielen Sie deshalb schon ihre siebte Saison in Stuttgart?
Auch.
Warum noch?
Ich bin mal gefragt worden, was an diesem Verein so herausragend ist. Ich habe geantwortet, dass eine Liste mit Dingen, die nicht besonders sind, viel kürzer wäre. Am wichtigsten finde ich, dass wir Spielerinnen die Gewissheit haben, in diesem Club niemals allein gelassen zu werden. Wir werden so gut behandelt, dass wir uns voll darauf fokussieren können, unsere beste Leistung zu zeigen.
Sie tun das mit enormer Konstanz und erstaunlichem Durchhaltevermögen. Wie ist es möglich, in sechseinhalb Jahren kein einziges Spiel zu verpassen?
Gute Frage. Es gab in dieser Zeit die eine oder andere Erkältung, aber nichts, was mich davon abgehalten hätte, auf dem Feld zu stehen. Grundsätzlich achte ich sehr auf meinen Körper, das hat mich vor schwereren Verletzungen bewahrt, wobei ein bisschen Glück natürlich auch dazugehört. Trotzdem fordert der Hochleistungssport natürlich auch bei mir seinen Tribut.
Welchen?
Ich habe in meinem linken Knie seit zwei Jahren einen größeren Knorpelschaden, das ist alles andere als optimal. Ich muss viel Aufwand betreiben, um in der Lage zu sein, trainieren und spielen zu können. Und ich erlebe die erste Saison, in der ich manchmal im Training etwas kürzer treten muss oder im Kraftraum etwas weniger Kilo draufpacke, wenn das linke Bein im Spiel ist. Ich habe das Knie-Problem allerdings so im Griff, dass es mich abseits des Volleyballs mehr beeinträchtigt als in der Halle.
Was war der größte Moment in Ihrer Zeit bei Allianz MTV Stuttgart?
Es gab eine Menge Höhepunkte mit unterschiedlichen Teams, die sehr schwer miteinander zu vergleichen sind. Wenn ich einen nennen muss, dann ist es unser 3:2-Sieg in der vergangenen Saison im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Fenerbahce Istanbul. Das war spielerisch das absolute Highlight, und das gilt auch für die Atmosphäre in der Mannschaft.
Allianz MTV Stuttgart spielt regelmäßig in der Königsklasse. Wie wichtig sind diese Auftritte auf europäischer Bühne?
Ich habe mittlerweile um die 50 Spiele in der Champions League absolviert – und trotzdem ist es immer noch etwas Besonderes, wie an diesem Mittwoch in Scandicci gegen die besten Spielerinnen der Welt anzutreten.
Was war die größte Enttäuschung, die sie mit Allianz MTV Stuttgart zu verkraften hatten?
Es gab logischerweise einige Tiefpunkte. Am meisten weh getan hat das Pokalfinale 2020. Wir haben gegen den Dresdner SC fünf Matchbälle vergeben und am Ende noch verloren. Das war ein sehr schwieriger Moment. Eine große Enttäuschung war allerdings auch das Pokal-Aus im Viertelfinale vor drei Wochen beim SC Potsdam.
Welche Ziele bleiben nach dieser Blamage noch für den Rest der Saison?
Wir wollen auf jeden Fall Platz zwei in der Champions-League-Gruppe schaffen, dann würden wir die Play-offs um den Einzug ins Viertelfinale erreichen. Und wir wollen in der Meisterschaft den Titel verteidigen.
Wie realistisch ist das?
Absolut realistisch – wenn wir es schaffen, unser Spiel zu verbessern. Wir müssen die Zeit, die uns bleibt, nutzen, um uns immer weiter zu entwickeln.
Sportdirektorin Kim Renkema hat immer betont, dass Sie selbst entscheiden können, wann Ihre Zeit in Stuttgart zu Ende geht. Werden Sie sich nach dieser Saison verabschieden?
Das haben mich schon viele Leute gefragt.
Welche Antwort haben sie erhalten?
Dass ich es noch nicht weiß. Wenn der Club mich weiterhin will und mein Körper mitspielt, dann gibt es keinen Grund für mich, die Karriere zu beenden. Aber noch ist nicht der Zeitpunkt gekommen, um wissen zu können, wie es weitergeht.
Aber irgendwann wird diese Entscheidung anstehen.
Ich weiß. Letztlich ist vor allem wichtig, welche Signale mir mein Körper gibt. Wenn es darum ginge, wie sehr ich Volleyball liebe, würde ich spielen, bis ich 80 Jahre alt bin.
Die Konstante im Spiel von Allianz MTV Stuttgart
Champion
Roosa Koskelo (33) spielt seit 2018 bei Allianz MTV Stuttgart. Die Libera gewann große Titel in drei Ländern: zuerst in ihrer Heimat Finnland (1x Meisterschaft, 3x Pokal), dann in Slowenien mit OK Branik Maribor (2x Meisterschaft, 2x Pokal) und in Deutschland (4x Meisterschaft, 2x Pokal, 2x Supercup) mit den Stuttgarterinnen.
Champions League
Das MTV-Team spielt an diesem Mittwoch (19 Uhr) in Florenz bei Savino Del Bene Scandicci. Der deutsche Triple-Sieger ist bei dem italienischen Weltklasse-Team nur Außenseiter, kann aber mit zwei Heimsiegen gegen BKS Bostik ZGO Bielsko-Biala aus Polen (8. Januar, 20.30 Uhr) und CSO Voluntari aus Rumänien (22. Januar, 19 Uhr) Platz zwei in der Gruppe und das Erreichen der Play-offs um den Einzug ins Viertelfinale sichern.