Häufig werden Notfallbetreuer zu schweren Unfällen – unser Foto zeigt die Massenkarambolage auf der A 5 bei Lahr Anfang November – gerufen, um Überlebenden und Angehörigen im ersten Schockmoment beizustehen. Foto: Häußler/Einsatz-Report 24

Zuletzt hatte es in der Ortenau häufig gekracht. Das bekamen auch die Ehrenamtlichen der psychosozialen Notfallversorgung zu spüren. Sie leisten akute Hilfe bei Schicksalsschlägen. Eine fordernde Aufgabe, berichtet Teamleiterin Kira Mallick-Kiefer.

Ortenau - "Wenn nachts mein Melder geht bin ich sofort hellwach. Im ersten Moment hoffe ich immer, dass es kein Einsatz ist, bei dem ein Kind gestorben ist. Dann läuft alles irgendwie automatisch", schildert ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Psychosozialen Notfallversorgung des DRK auf der Webseite des Hilfsdienstes. Die Notfallbetreuer kommen zum Einsatz, wenn Menschen zumeist unvorbereitet durch plötzliche Not- und Unglücksfälle aus dem Alltag gerissen werden: Wenn Eltern durch den Tod ihres Kindes wie gelähmt sind, die Polizei nach einem Verkehrsunfall der Familie die Nachricht über den Tod des Vaters überbringen muss oder Menschen mit dem Suizid eines Angehörigen zurechtkommen müssen.

Polizei ruft Kriseninterventionsteam zu Hilfe

Dabei sind auch Polizeibeamte im Umgang mit Menschen in Ausnahmesituationen geschult. "Die Verunfallten und Angehörigen sind grundsätzlich auch bei der Polizei in guten Händen", versichert Polizeisprecher Yannik Hilger im Gespräch mit unserer Redaktion. "Wenn allerdings die Kollegen vor Ort erkennen, dass es Betreuungsbedarf gibt, der über das hinaus geht, was ein Polizeibeamter im Rahmen seiner Arbeit leisten kann, werden über die Zentrale Leitstelle Mitarbeiter eines Kriseninterventionsteams der Psychosozialen Notfallversorgung angefordert." Verschiedene Hilfsdienste – etwa das Deutsche Rote Kreuz oder der Arbeiter-Samariter-Bund – hielten Kriseninterventionsteams bereit. "Die Polizei und der Rettungsdienst dürfen gehen, wenn die Angehörigen anfangen zu weinen", bringt Kira Mallick-Kiefer den Unterschied auf den Punkt. Die Psychologin ist zentrale Ansprechpartnerin der Psychosoziale Notfallversorgung des DRK im Ortenaukreis und Leiterin des Offenburger Teams.

Melder kann zu jeder Tages- und Nachtzeit Alarm schlagen

Ihr Team umfasst 16 Ehrenamtliche aus verschiedenen Alters- und Berufsgruppen. "Viele von uns sind noch im Berufsleben", so Mallick-Kiefer – darunter etwa im IT-Bereich oder als Lehrer. Das mache die Koordinierung der Einsätze manchmal schwierig, denn prinzipiell könne der Melder zu jeder Tages- und Nachtzeit losgehen. "Wir bekommen eine ganz kurze Meldung, eigentlich nur ein Satz", erläutert die Psychologin. Der in dieser Woche koordinierende Mitarbeiter kontaktiere dann die Leitstelle für mehr Informationen und stelle ein Team für den Einsatz zusammen. "Wir rücken immer zu zweit aus", so Mallick-Kiefer. "Aus Sicherheitsgründen und damit wir uns austauschen können." Das sei auch wichtig für die Nachbesprechung.

Dabei stellt jeder Einsatz eine neue Herausforderung dar. Dabei bedarf es weder großer Gesten noch vieler Worte. "Es geht nur darum, da zu sein und mitauszuhalten", schildert Mallick-Kiefer. "Wir kommen nicht, um zu trösten, denn in den Situationen, in die wir kommen, gibt es meist keinen Trost." Das sei nicht leicht. Die Notfallbetreuer leisten aber auch organisatorische Hilfe, halten Kontakt zu den Rettungskräften oder der Polizei. Einsätze dauern im Schnitt etwa zwei bis zweieinhalb Stunden. "Wenn das soziale Netz schnell greift, braucht man uns ja nicht mehr", so Mallick-Kiefer.

Offenburger Team verzeichnet fast 70 Einsätze im laufenden Jahr

Allein in diesem Jahr verzeichnete ihr Team bereits fast 70 Einsätze. "Wir haben ein recht starkes Einsatzjahr", konstatiert die Teamleiterin. Zwar sind die Helfer aufwendig geschult, kalt lassen sie die Einsätze aber nicht.  "Man kann das nicht ständig machen. Es gibt sehr viel aber es zieht auch wahnsinnig Energie", berichtet die Psychologin. Regelmäßig finden Gruppenabende statt, an denen Einsätze reflektiert und immer wieder theoretische und praktische Lernerfahrungen angeboten werden. Besonders belastend seien Einsätze mit Kindern, so Mallick-Kiefer. Sie selbst sei häufig Ansprechpartnerin wenn Kinder allein zurückblieben. Solche Einsätze könne nicht jeder machen, erklärt sie. Manchem Mitarbeiter mit eigenen Kindern gehe die Situation zu nahe.

Ehrenamtliche Mitarbeiter werden gesucht

Die Ausbildung zum Kriseninterventionshelfer umfasst laut DRK-Kreisverband mindestens 80 Unterrichtseinheiten. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung schließt eine Probezeit mit Hospitation an. Erst danach gehen die Helfer in Einsätze. Davor erfolgt ein persönliches Auswahlverfahren. Grundsätzliche Anforderung sind ein Mindestalter von 23 Jahren, psychische und physische Stabilität und Belastbarkeit, Bereitschaft zur Aus- und Fortbildung und zur längerfristigen ehrenamtlichen Mitarbeit. Interessierte könnten sich an den DRK-Kreisverband wenden, so Kira Mallick-Kiefer. Insgesamt gebe es fünf Kriseninterventionsteams im Ortenaukreis. Besonders in Kehl würden aktuell händeringend weitere Mitarbeiter gesucht.