Die Kameras am ZOB sind scharf. Per Gesetz ist die Stadt verpflichtet, videoüberwachte Bereiche in der Öffentlichkeit zu kennzeichnen. Foto: Heiko Hofmann

Die Stadt Nagold setzt im Kampf gegen Vandalismus und Gewalttaten vermehrt auf Videoüberwachung – auch im öffentlichen Raum. Im Grunde nicht falsch, findet unser Autor in diesem Kommentar. Doch die Prioritäten sollten woanders liegen.

Privatsphäre ist für die Deutschen immer ein heikles Thema. Wo Menschen aus anderen Nationen vielleicht lockerer mit dem Thema Videoüberwachung umgehen, hat die Datenschutzgrundverordnung für jede noch so kleine Lücke einen Paragrafen parat. Verkehrt ist das sicherlich nicht, gilt es doch das Privatleben in höchstmöglichem Maße zu schützen.

 

In Nagold ist man nun bereit, Einschnitte in die Privatsphäre in Kauf zu nehmen. Mit Videoüberwachung im öffentlichen Raum, insbesondere am ZOB und den Schulen, sagt die Stadt dem Vandalismus den Kampf an. Auch schweren, körpergefährdenden Straftaten oder sexuellen Übergriffen soll damit vorgebeugt werden.

Ganz kämpferisch präsentiert OB Jürgen Großmann die neuen Installationen. Das muss er auch, haben doch die Sachbeschädigungen im letzten Jahr große Schlagzeilen gemacht. Wird er mit den Maßnahmen aber Erfolg haben? Werden die Einschnitte in Privatsphäre gerechtfertigt sein?

Mehr als nur subjektives Sicherheitsgefühl?

Gut vorstellbar, da die Kameras besonders bei Sachbeschädigungen eine abschreckende Wirkung darstellen können. Sowieso erleichtern sie insbesondere die Aufklärung nach der Straftat. Großmann sei sich sicher, dass auch die Bevölkerung hinter den Maßnahmen stehen werde. Auch damit mag er recht behalten: In deutschlandweiten Umfragen der letzten Jahre zeigte sich die Mehrheit der Befragten mit videoüberwachenden Maßnahmen einverstanden, sah darin mehr Vor- als Nachteile.

Langfristig aber werden die Kameras nicht zur Lösung des grundlegenden Problems beitragen: Im Jahr 2023 – die Zahlen für 2024 stehen noch aus – stieg die Kriminalität an, besonders die Gewaltverbrechen, auch unter Jugendlichen, während die Videoüberwachung wohl immer weiter zunimmt. Genaue Zahlen liegen nicht vor, Experten gehen aber von etwa 1,3 Millionen Kameras (privat und öffentlich) in Deutschland aus.

Jugendliche müssen noch besser abgeholt werden

Was es mindestens genauso dringend braucht, sind Präventionsmaßnahmen. Mehr Angebote für Jugendliche und deren soziale Teilhabe, denn was die wenigsten laut aussprechen wollen: Beim Vandalismus in Nagold handelt es sich sehr wahrscheinlich um junge Tätergruppen. Wenn man die Jugend verliert, bringen einem unbeschädigte Busbahnhofstoiletten auch nicht so viel.

Ja, die Kameras können kurzfristig dazu beitragen, die überwachten Orte sicherer zu machen. Ich würde mir aber wünschen, dass die Stadt mindestens genauso kämpferisch an die Ursachenbekämpfung rangeht.

Die Videoüberwachung erscheint vielleicht als einfachste Lösung. Was sie auch ist. Die Jugend aber braucht mehr Perspektiven, mehr Orte, um sich ausleben zu können. Sie muss sich mit der Stadt identifizieren können. Nur so kann der Vandalismus nachhaltig verhindert werden.