Besonders junge Menschen von 18 bis 24 Jahren leben gefährlich im Straßenverkehr. Spezielle Fahrtrainings sollen mehr Praxis vermitteln und Grenzen aufzeigen. Foto: Tom Kirkpatrick/BMW

Für 18- bis 24-Jährige ist es im Straßenverkehr am gefährlichsten. Fahrtrainings sollen Praxis vermitteln.

Oberndorf - Gerade bei nächtlichen Fahrten wie nach einer Party oder einem Diskobesuch mit Freunden lauern die Gefahren: Neben Müdigkeit, Alkohol und Drogen liegt es vor allem an der mangelnden Fahrpraxis.

Laut Statistischem Bundesamt sind junge Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren an jedem fünften von Pkw-Fahrern verursachten Unfall mit Personenschaden schuld. Autoclubs und Hersteller bieten deshalb seit Jahren spezielle Sicherheitstrainings für Anfänger an. Der Unterschied: Während bei Autoklubs die Teilnehmer mit ihren eigenen Autos fahren, bekommen sie beim Training der Hersteller Fahrzeuge gestellt.

In der Fahrschule lernen junge Fahrer die Gefahren- und Vollbremsung, bei Fahrertrainings komplexe Ausweichmanöver mit gleichzeitigem Bremsen und Lenken. Dazu kommen Schleuder- und Driftübungen, bei denen die Schüler an die physikalischen Grenzen des Autos herangeführt werden. Das dürfe aber nicht so aufgebaut werden, dass die Schüler sich nachher zu sicher fühlen und dadurch höhere Risiken eingehen, erklärt Kurt Bartels vom Fahrerlehrerverband Nordrhein.

Er hält ein Fahrtraining grundsätzlich für sinnvoll. »Aber erst, wenn die Fahrer etwas Erfahrung gesammelt und alle Jahreszeiten fahrerisch erlebt haben.« Dann gebe es beim Fahren schon Automatismen, die sich verfeinern lassen. Außerdem sei der Aufbau des Trainings entscheidend. »Der Schüler darf keine Angst vor den geübten Situationen bekommen, sonst schlägt die Übung ins Gegenteil um.« Dabei komme es auch auf die Inhalte an: Welche Situationen sind gefährlich und wie kommen Teilnehmer erst gar nicht in diese? Das sei immer besser, als eine perfekte Vollbremsung hinzulegen. Gesetzlich vorgeschrieben sind Fahrtrainings nicht.

Seit 2010 bietet BMW Trainings für junge Fahrer zu einem vergünstigten Preis zwischen 95 und 295 Euro an. »Wir sehen es als gesellschaftliches Engagement und Teil unserer sozialen Verantwortung, die Fahrsicherheit zu verbessern und junge Erwachsenen zu schulen«, sagt Robert Eichlinger, Leiter BMW und Mini Driving Experience. Jugendliche aus den umliegenden Gemeinden des Fahrsicherheitszentrums Maisach bei München, die gerade das 18. Lebensjahr erreicht haben und einen Führerschein besitzen, dürfen sogar kostenfrei teilnehmen.

»Wir beginnen da, wo die Fahrschule aufhört. Im eintägigen Training lernen die Teilnehmer, das eigene Fahrverhalten im innerstädtischen Geschwindigkeitsbereich besser einzuschätzen«, sagt Eichlinger. Brems- und Ausweichübungen, ergänzt um dynamische Kurvenfahrten. Bewusst herbeigeführtes Unter- oder Übersteuern bereitet auf das Kurvenfahren in Notsituationen vor. »Dadurch sollen die Teilnehmer ein besseres Gespür dafür entwickeln, wie sie in überraschenden Momenten souverän reagieren.« In weiteren Übungen zu Not- und Zielbremsung erfahren die Teilnehmer, wie sie brenzlige Situationen entschärfen können.

Opel bietet seit 2013 Trainings an, die zwischen 75 und 175 Euro kosten und nach Richtlinien des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) durchgeführt werden. Das Training kann von den Berufsgenossenschaften bezuschusst werden. Es bildet das klassische Fahrsicherheitstraining ab.

Mercedes veranstaltet seit über 20 Jahren Kurse für Fahranfänger. 2017 werden es zehn halbtägige Kurse sein, die 135 Euro kosten. »In den Programmen für Fahranfänger zielen wir stärker als bei den Fortgeschrittenen darauf ab, sie für die Gefahren im Straßenverkehr zu sensibilisieren«, sagt Wolfgang Müller, Chef-Instruktor der Mercedes-Benz Driving Events. Stationen, in denen die Fahrzeuge ins Schleudern kommen, zeigen, welche Energie dabei entsteht und was das für ein Gefühl ist. Die meisten Teilnehmer empfänden zunächst Scheu, die Bremse richtig zu betätigen. Wichtig ist auch, die Vorteile der Fahrerassistenzsysteme zu vermitteln, die die Sicherheit entscheidend erhöhen und zur Unfall-Prävention beitragen. Wie BMW und Opel subventioniert Mercedes die Kurse.

Der ADAC führt seit 1999 spezielle Trainings für junge Fahrer durch. Rund 130 Euro kostet das eintägige Training mit dem eigenen Auto. In gefahrloser Umgebung lässt sich lernen, wo die Grenzen des Fahrzeugs und der eigenen Fähigkeiten liegen. »Verantwortung im Straßenverkehr muss gelernt und geübt sein. Die Fahrer sollten ihre Fähigkeiten und Reaktionsweisen realistisch selbst beurteilen können«, sagt Josephine Weibrecht vom ADAC Fahrsicherheitstraining.

Lenktechnik und Blickführung sowie Kurvenfahren in der Kreisbahn, um die Fliehkräfte zu erleben. Richtiges Bremsen in Kurven sowie die Auswirkung von Ablenkungen wie lauter Musik oder redselige Beifahrer sind auch Bestandteil. Dazu kommen Übungen bei plötzlich auftauchenden Hindernissen oder wenn man zu schnell in eine Kurve fährt.

Warum werden Fahrsicherheitstrainings nicht gesetzlich vorgeschrieben? »Momentan wird an einem diesbezüglichen Konzept gearbeitet. Ziel ist eine Absenkung der Unfallzahlen in der Gruppe der jungen Fahrer«, sagt Weibrecht. Welche Maßnahmen genau in diesem Konzept aufgenommen werden, wird von einem Gremium von Fachleuten derzeit diskutiert.

Doch noch einen anderen Vorteil hat so ein Training. Zumindest für die Hersteller. Durch gestellte Autos erleben die Teilnehmer die Fahrt in einem neuen Auto – und sollen sich für die Produkte begeistern. Eine intensivere Probefahrt bietet kein Autohaus.