Weil er in Hüfingen-Mundelfingen einen damals 16-Jährigen mit einem Messerstich lebensgefährlich verletzte, muss sich ein 19-Jähriger wegen versuchten Totschlags verantworten. Vor dem Landgericht Rottweil wird deutlich, wie kriminell der junge Mann tickt.
Die Aufnahmen auf dem Mobiltelefon des 19-Jährigen stehen sicherlich in einem krassen Kontrast zu dem, wie sich der Angeklagte beim Landgericht in Rottweil präsentierte. „Er wirkte auf den Videos überdreht, fühlte sich wohl stärker, als er ist“, erklärt der ermittelnde Kriminalbeamte. Und bei Gericht? Da rutschte er auf seinem Stuhl hin und her, antwortete nur leise mit gesenktem Blick und schaute unsicher in die Zuschauerreihen zu seiner Familie.
Dieser junge Mann hat im vergangenen August nach einer verbalen Auseinandersetzung am Kirchenvorplatz in Hüfingen-Mundelfingen einen damals 16-Jährigen mit einem Messerstich lebensgefährlich verletzt. Anlass war ein Streit über die Ex-Freundin des Angeklagten, das Opfer war nach eigenen Angaben schlicht zwischen die Fronten geraten. Das Messer traf ihn in den Rücken. Im Schwarzwald-Baar-Klinikum retteten die Ärzte sein Leben.
Die dramatische Tat wurde in der Tatnacht vom zuständigen Kriminaldauerdienst nicht korrekt eingeordnet, erklärte eine Beamter des Polizeireviers Donaueschingen, der den Fall zunächst am darauffolgenden Morgen übernahm. „Das war eine hemdsärmelige Vorgehensweise“, macht der erfahrene Polizist deutlich. Der Täter blieb trotz Fluchtversuches auf freiem Fuß und obwohl die Tatwaffe (bis heute) fehlt, war keine Durchsuchung angeordnet worden. Den Angriff wertete man zunächst als gefährliche Körperverletzung – das hatte die Polizei auch in ihrer Pressemitteilung verkündet.
Fluchtversuch des jungen Mannes scheiterte
Erste weiterführende Ermittlungen ließen die Sache jedoch in einem anderen Licht erscheinen: Die Verletzungen stellten sich als lebensgefährlich heraus – ein versuchtes Tötungsdelikt lag nahe. Das Kriminalkommissariat Tuttlingen übernahm in der Folge den Fall, durchsuchte die Wohnung des Angeklagten in Immendingen. Nach einer ärztlichen Untersuchung im Beisein von Kriminalbeamten versuchte der junge Mann abermals zu fliehen – daraufhin war die Haft angeordnet worden. Bis heute sitzt der vorbestrafte 19-Jährige in Untersuchungshaft.
Der Kriminaloberkommissar gewährte anhand der ausgewerteten Daten des Mobiltelefons des Angeklagten einen Blick hinter die Kulissen des 19-Jährigen. Nicht nur besagtes überdrehtes, lautes und grobes Verhalten auf den Videos kam dabei zum Vorschein. Auch die Daten und Chatverläufe zeigen, in welchen kriminellen Kreisen sich der Immendinger bewegte.
Drogenkonsum wird auf Bildern deutlich
Auf den ausgewerteten Bildern sei der regelmäßige Drogenkonsum offensichtlich geworden, erklärte der Beamte. Die Mengen deuteten seinen Angaben zufolge darauf hin, dass er möglicherweise auch mit Rauschgift handelte. Mehrfach fanden sich auf dem Speicher des Handys Fotos mit gezogenen Lines – möglicherweise Kokain oder Speed – sowie mutmaßlich mit Marihuana und Ecstasy.
Die Beamten fanden zudem ein Video, das den Angeklagten beim Sex mit seiner Ex-Freundin (Der Kripo-Beamte erklärte: „Das war so etwas wie eine On-Off-Beziehung“) zeigte. Die Aufnahmen soll der 19-Jährige, zusammen mit freizügigen Bildern der jungen Frau, gegen ihren Willen auf Instagram veröffentlicht haben. Das hatte wohl auch zu dem folgenreichen Streit geführt.
Messer mit Wucht in das Opfer gerammt
Neben respektlosem Verhalten der Mutter gegenüber machten die Daten auf dem Handy zudem die Gewaltbereitschaft des Angeklagten deutlich, erklärte der Polizist. Demnach sei ein Video gesichtet worden, in dem der junge Mann gemeinsam mit mehreren anderen wahllos einen Passanten in einer Bahnhofsunterführung mit Schlägen und Tritten attackierte.
Das Gewaltpotenzial spiegelt sich darüber hinaus in den Verletzungen des Opfers des Messerangriffs wider. Während der Messerstecher angab, er habe den damals 16-Jährigen „nur piksen“ wollen, sprechen die Ausführungen der Sachverständigen eine andere Sprache. Das Messer sei mit „ordentlicher Wucht“ in den Rücken des Opfers gerammt worden. Deutlich wird das dadurch: Obwohl die Klingenlänge des Taschenmessers nach Angaben des Angeklagten nur acht Zentimeter betrug, drang die Waffe mindestens neun Zentimeter bis zur Brusthöhle in den Körper ein.
Tatwaffe wird abermals gesucht
Die Folge: Die Brusthöhle füllte sich mit Blut, Luft drang ein, der Unterdruck ging verloren und die Lunge wurde verletzt. „Es handelte um eine konkrete Lebensgefährlichkeit“, erklärte ein Sachverständiger. Ein 3D-Modell veranschaulichte dabei, wie es zu den Verletzungen durch das Messer kam. Nach Hinweisen des Angeklagten, dass er die Tatwaffe in einen Gully geworfen habe, wird sie in den kommenden Tagen erneut gesucht.
Für den Prozess sind zwei weitere Verhandlungstage angesetzt.