Ungestört am Strand liegen – in Scheveningen ist das für Frauen kaum möglich. Foto: dpa/Robin Utrecht

Fast die Hälfte aller Frauen in Den Haag klagt, dass man sie in der Öffentlichkeit sexuell belästigt. Am Strand ist es besonders schlimm. Die Stadt Scheveningen will etwas dagegen tun.

Maartje läuft über den Strand von Scheveningen. Zwei junge Männer verfolgen sie. Sie laufen ihr in kurzem Abstand hinterher. Einer sagt plötzlich: „Lauf etwas langsamer, du Schlampe, damit wir deinen Hintern besser sehen können.“ Maartje wird sauer. Sie schreit: „Verpisst euch!“ Darauf geben die beiden Jungs das Stalking auf.

Maartje geht nicht mehr im Bikini an den Strand

Das ist kein Einzelfall. Andere Frauen berichten über eine viel direktere und brutalere Anmache von Männern, die sie in Scheveningen am Strand oder auf dem berühmten Boulevard unterhalb des Kurhaus-Hotels erlebt haben. Dass den Frauen nachgepfiffen wird, ist noch die harmloseste Variante.

Manche Männer rufen ihnen im „Vulgo-Ton“ zu, dass sie mit ihnen ins Bett wollen. Das F-Wort fällt immer häufiger am Scheveninger Strand. Die 23-jährige Maartje hat deshalb beschlossen, dass sie fortan nicht mehr im Bikini am Strand in Scheveningen spazieren gehen wird. Sie will künftig ein Strandkleid über ihren Bikini tragen, wenn sie am Wasser entlang spazieren geht.

Maartje erlebt, was in den Niederlanden inzwischen „Strand-“ oder „Straatintimidatie“ genannt wird. Gemeint damit ist die sexuelle Belästigung von Frauen im öffentlichen Leben. Aus einer Untersuchung der Stadt Den Haag geht hervor, dass fast die Hälfte aller Frauen darüber klagt, dass man sie in der Öffentlichkeit sexuell belästigt. Nicht nur verbal, sondern sogar physisch. Frauen berichten, sie würden häufig „betatscht“ und man fasse sie oft in die Haare oder auf den Hintern.

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Stadtrat Arjen Kapteijns (Grüne) meint dazu: „Das ist nicht akzeptabel. Die Frauen müssen sich sicher fühlen in unseren Straßen und auf unseren Stränden.“ Der Stadtrat ist mit seiner Meinung nicht alleine.

Das Haager Stadtparlament hat am Mittwoch eine Anti-Sexismus-Kampagne gestartet. Unter dem Motto „#gedraagje“ – Beherrsche Dich – läuft sie in den sozialen Medien und auf Plakaten. Außerdem wird eine Webseite unter „scheveningenmeldt.nl“ eingerichtet. Das ist ein digitale Meldeadresse, bei der Frauen angeben und melden können, wenn und wo sie öffentlich am Strand oder auf der Straße sexuell belästigt worden sind.

„Der Strand gehört uns allen“

„Das kann und darf so nicht weitergehen. Jetzt, da am kommenden Wochenende wieder tropische Temperaturen vorhergesagt sind, wird es am Strand von Scheveningen für Frauen wieder sehr unangenehm werden“, fürchtet Danielle Harkx.

In einem Interview mit dem „Algemeen Dagblad“ berichtet die 51-Jährige ausführlich darüber, was ihr am Strand von Scheveningen von Männern schon so alles nachgerufen und angeboten wurde. „Ich bin wirklich nicht auf den Mund gefallen. Aber manchmal verschlägt es mir die Sprache, wenn ich höre, was so manche Männer zu mir sagen, wenn ich am Strand spazieren gehe“, sagt sie. Sie fühle sich dann richtig bedroht. „Jetzt passiert mir das. Aber ich will nicht, dass das meiner 13-jährigen Tochter auch passiert. Der Strand gehört uns allen. Dort will ich nicht sexuell belästigt werden.“

Seit 30 Jahren lebt sie in Scheveningen. „Aber so schlimm wie heutzutage war es noch nie. Ich hoffe, dass die Kampagne der Stadt Wirkung zeigt und dass bestimmte Männer wieder lernen, sich zu beherrschen.“ Harkx ist wütend, weil sie ihr geliebtes Scheveningen und den dortigen Strand nicht mehr wiedererkennt. Früher ging es dort entspannt, offen, fröhlich zu. „Das war einmal“, erzählt Harkx.

Dass sich die Atmosphäre an dem größten Sandstrand in Südholland in den vergangenen Jahren so dramatisch zum Schlechten verändert hat, liegt unter anderem daran, dass viele Jugendliche hier ihre Bühne suchen, um sich zu profilieren. Sie rasen beispielsweise über die bisher noch für Autos zugänglichen Teile des Boulevards mit ihren frisierten Fahrzeugen, hupen wie verrückt und machen Party. Am Strand betrachten sie Frauen, die einen Bikini tragen, als „Freiwild“.

Große Teile des rund 2,5 Kilometer langen Scheveninger Boulevards sind deswegen für den Autoverkehr geschlossen worden. Haager Polizisten bekommen nun eine Sonderausbildung, um gegen den zunehmenden Sexismus am Strand in Scheveningen angemessen vorgehen zu können.