Das Seniorenheim Haus Talblick in Engelsbrand nimmt als eine von zehn Einrichtungen an einem bundesweiten Modellversuch teil. Dort soll getestet werden, wie das Personal effektiver eingesetzt werden kann. Der Hausdirektor erhofft sich mehr Zeit für die Bewohner – auch für Pflegebedürftige aus Langenbrand.
Die Gesellschaft wird immer älter. Und weil die Boomer-Generation zahlenmäßig stark vertreten ist, kommt auf die Pflege mittelfristig eine große Aufgabe zu. Die Lage verschärft sich dadurch, dass Fachkräfte fehlen – schon jetzt. Und durch schwache Geburtenzahlen seit 2000 kommt nicht ausreichend Nachwuchs in die Branche.
Die Krankenkassen haben das Problem erkannt. Mit einem Modellversuch soll ein neues Personalbemessungssystem getestet werden, welches sich Heinz Rothgang von der Universität Bremen ausgedacht hat. Das wird nun im Engelsbrander Haus Talblick getestet. Der Spitzenverband der Krankenkassen hat dafür zehn Einrichtungen in ganz Deutschland ausgewählt.
Gegen 300 Bewerber durchgesetzt
„Wir haben und gegen 300 Bewerber durchgesetzt“, erzählt Hausdirektor Christoph Schütze. Das Haus Talblick sei die einzige Einrichtung in Baden-Württemberg, die an dem Modellversuch teilnehme. Den Hintergrund des Modellversuchs erklärt er so: Bisher gebe es in den Pflegeheimen klassische Fachkräfte und ungelernte Helfer. Wer was erledigen dürfe, sei in den Vorgaben klar geregelt. Es gebe jedoch auch die Möglichkeit einer einjährigen Assistenzausbildung. Deren Absolventen seien in ihrer Qualifikation zwischen den Fachkräften und den Helfern angesiedelt.
Fachkräfte entlasten Ziel des Modellversuchs sei es nun, diesen Assistenten mehr Aufgaben zu übertragen – und so die Fachkräfte zu entlasten. Bisher hätten die Fachkräfte den Bewohnern laut Vorgaben die Kompressionsstrümpfe anziehen müssen. Nun dürften das auch die Assistenten. Beim Blutzucker messen sei es gleich. „Wir müssen weg davon kommen, dass jeder alles macht“, meint er zum Einsatz der Fachkräfte. Das gebe diesen mehr Zeit für andere Tätigkeiten.
Pflege in vier Stufen
Für die Bewohner ändere sich an der Qualität der Versorgung dadurch nichts, ist Schütze überzeugt. Mit wissenschaftlicher Begleitung seien diese in vier Stufen eingeteilt worden – je nach Pflegebedarf. In einfachen Fällen kümmerten sich die Helfer. Hier gehe es zum Beispiel nur darum, das Bett zu machen. Die mittleren Fälle übernähmen die Assistenten und würden unter anderem bei der Fortbewegung helfen. In schweren Fällen kämen die Fachkräfte zum Einsatz. Hier gehe es um Bewohner, deren Gesundheitszustand überwacht werden muss und die viel Unterstützung brauchen.
Bei dieser Einstufung hat Schütze auch schon das erste Feedback an die Wissenschaftler gegeben. Hier sei ein Kriterium gewesen, ob die Bewohner selbstständig Treppen steigen können. Aber eigentlich hätten alle Einrichtungen einen Aufzug. Das sei also kein sehr wichtiges Kriterium, erklärt er.
Effizientere Abläufe Es gehe bei dem Modellversuch nicht darum, Personal einzusparen. „Wir wollen die Ressourcen, die wir haben, sinnvoller einsetzen“, so Schütze. Denn durch die neue Einteilung ließen sich die Abläufe im Haus effizienter gestalten. Das ist auch das Ziel eines weiteren Projekts, welches die evangelische Heimstiftung aktuell testet. Sie ist der Träger des Haus Talblick.
Dokumentation übers Smartphone
„Wir können die Dokumentation über das Smartphone machen“, sagt Schütze. Auch was die einzelnen Angestellten den Tag über erledigen müssen, ließe sich dort abrufen. Das habe mehrere Vorteile. Zum einen müsse das Personal die Dokumentation nicht am Computer erledigen, sondern könne das auf dem Weg zum nächsten oder direkt beim Bewohner machen. Dabei helfe, dass Eingabe per Sprechen funktioniere.
Eine halbe Stunde Arbeitszeit spare man so pro Tag, meint Schütze. Die könne man mehr mit den Bewohnern verbringen. Und die Qualität der Dokumentation verbessere sich, weil das Personal unmittelbar Eindrücke eingeben könne. Die gingen bei einer gesammelten Dokumentation am Computer oft unter.
Anfängliche Sorgen Sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Bewohnern kämen die Projekte gut an. Anfänglichen Sorgen sei er mit einer transparenten Kommunikation begegnet. „Unsere Erkenntnisse werden deutschlandweit umgesetzt“, sagt er nicht ganz ohne Stolz. Das Modellprojekt laufe noch bis Oktober.
Das Projekt findet Schütze einen „guten Ansatz“. Der Fachkräftemangel in der Pflege sei da. Die Zahl der zu pflegenden Menschen nehme stetig zu. Dass nun Assistenten mehr Befugnisse bekämen, sei der richtige Weg. Viele trauten sich die dreijährige Ausbildung zur Fachkraft nicht zu. Für die gebe es nun eine Zwischenstufe. Damit käme dringend benötigtes Personal in die Einrichtungen.
Für Einwanderer An der Berufsschule Bretten gebe es ein besonderes Angebot für Einwanderer. Dort dauere die Ausbildung zum Assistenten zwei Jahre. Dafür sei ein Deutschkurs dabei. Damit habe das Haus Talblick gute Erfahrungen gemacht. Generell setzte man viel auf zugewanderte Mitarbeiter und bilde selber viel aus. Und auch hier hat Schütze einen Vorschlag, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. „Eine einfachere Anerkennung von Abschlüssen aus dem Ausland wäre wichtig“, meint er. Da gebe es Probleme – obwohl Interessierte Arbeitserfahrung vorweisen.