In Baden-Württemberg arbeiten rund 154.000 Personen in sozialpflegerischen Bereichen, darunter auch 56.000 Erzieher/-innen. Foto: dpa

Berufsgruppe will sich selbst verwalten, doch Kritiker befürchten einen neuen bürokratischen Apparat.

Stuttgart - Ärzte haben sie, Rechtsanwälte ebenso, und auch die Ingenieure haben ihre eigene Berufskammer, die neben der Erfüllung staatlicher Aufgaben vor allem ihre jeweiligen Interessen vertritt. Eine Pflegekammer gibt es bisher aber nicht. Warum eigentlich? Dass die Bevölkerung älter wird, ist kein Geheimnis.

In Baden-Württemberg arbeiten rund 154.000 Personen in sozialpflegerischen Bereichen, darunter auch 56.000 Erzieher/-innen. Genaue Zahlen fehlen. Bundesweit sind es laut Schätzungen rund 1,2 Millionen Pflegekräfte. Die Bedeutung der Pflegeberufe wird weiter zunehmen – nach dem Willen des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) Südwest nicht nur quantitativ.

Die Qualität und Professionalität sollen sich zukünftig in einer eigenen unabhängigen Pflegekammer widerspiegeln. Die politische Einflussnahme soll damit gemindert und der eigene Definitionsbereich gestärkt und vereinheitlicht werden. Professionalisierung ist das Zauberwort. Die eigene Kammer, zu deren Mitgliedschaft alle Pflegeberufler verpflichtet werden sollen, soll grundlegende Standards zu Ausbildung, Studium und Fortbildung sowie einheitliche Richtlinien aufstellen und die Pflegequalität überwachen. Damit will man die Mitglieder und die Verbraucher vor Missbrauch schützen.

Professionalisierung wichtig: Bis 2030 benötige Deutschland rund 500.000 zusätzliche Pflegekräfte

Uwe Seibel, Geschäftsführer des DBfK Südwest, betont die Bedeutung einer Kammer für den Verbraucherschutz. „Ein einheitliches Qualitätsniveau setzt Arbeitgeber unter Zugzwang, mehr in die Aus- und Weiterbildung ihrer Pflegekräfte zu investieren. Das hat Vorteile für alle.“ Bis 2030 benötige Deutschland rund 500.000 zusätzliche Pflegekräfte. Eine Professionalisierung sei daher ebenfalls wichtig, um neuen Nachwuchs zu rekrutieren, so Seibel. Mit der eigenen Selbstverwaltung könnte man endlich „auf Augenhöhe“ mit Ärzten und den weiteren Gruppen im Pflegebereich diskutieren.

Eigentlich plausible Gründe, doch in den Bundesländern gibt es keine einzige Pflegekammer, im Gegensatz zu den USA, Skandinavien und Großbritannien. Kritiker befürchten einen neuen bürokratischen Apparat, der die Pflege nicht besser macht. Die bisherigen Pflegestandards seien bereits ausreichend hoch. Außerdem stünden nicht alle Berufsverbände und Träger von Pflegeeinrichtungen hinter der Kammer. Die Zwangsmitgliedschaft und die erhobenen Beträge werden ebenfalls kritisiert.

Der Landespflegerat (LPR) setzt sich gleichwohl für eine Pflegekammer ein. „Es ist seit Jahren die konsequente Forderung des Landespflegerats, die Belange der Pflege im Zuge der Selbstverwaltung in die Hände der Berufsgruppe zu geben“, sagt Andrea Kiefer, Vorsitzende des LPR und des DBfK. Mit großem Interesse blicken Seibel und Kiefer nach Rheinland-Pfalz. Die dortige Gesundheitsministerin Malu Dreyer (SPD) zeigt sich bei diesem Thema aufgeschlossen. Und die Einrichtung einer eigenen Berufskammer im Nachbarland hätte eine große Sogwirkung, ist sich Seibel sicher. Eine repräsentative Umfrage soll in der Pfalz aufzeigen, wie die einzelnen Pflegeberufler zu einer Kammer stehen. Gleiches könnte sich Seibel auch für Baden-Württemberg vorstellen. Dabei rechnet er in beiden Bundesländern mit einer großen Zustimmung.

Beim Gesundheitsministerium spielt das Thema derweil eine untergeordnete Rolle. „Wir beobachten sehr sorgfältig und aufmerksam die Entwicklung in Rheinland-Pfalz“, sagt ein Sprecher. Im Moment habe das Haus allerdings eine Fülle anderer Aufgaben, die Priorität hätten, wie etwa die Erarbeitung eines neuen Heimgesetzes und die Vorbereitung einer Imagekampagne für Pflegeberufe.