Sie sind im Vorstand der Selbsthilfegruppe Bauchgefühl, wollen informieren und Mut machen (von links): Gudrun Krause, Beate Trefzer und Petra Brennfleck mit selbst gemachten Maskottchen. Foto: Gabriele Hauger

„Gewichtsdiskriminierung – Nein Danke!“ steht auf Aktionskarten der Adipositas Selbsthilfegruppe. Unter dem Namen „Bauchgefühl“ gibt es sie seit einem Jahr. Was wurde erreicht?

„Lass uns über Adipositas reden“ – das haben sich drei der Hauptakteurinnen der Selbsthilfegruppe Bauchgefühl auf die Fahnen geschrieben.

 

Alle drei wissen genau, wovon sie reden: Sie waren selbst stark übergewichtig – mit all den Konsequenzen und auch den Leiden, die das mit sich bringen kann. Und sie wollen klar machen: Adipositas ist eine chronische Krankheit. „Viele Menschen wissen das nicht“, sagt Beate Trefzer. „Sie verbinden Übergewicht mit Disziplinlosigkeit, mit Völlerei, mit Faulheit und schlechter Ernährung“, wissen alle drei.

Hilfe nur durch OP

Sie alle haben jahrzehntelang gekämpft. „Ich kenne ungefähr jede Diät, die es gibt“, sagt Beate Trefzer. Geholfen habe ihr – wie auch ihren beiden Mitstreiterinnen – letztendlich nur eine Magenverkleinerung. Bis zu 70 Kilo haben sie dadurch jeweils verloren – und ein neues Leben gewonnen.

Auch die Abnehmspritze kommt zum Einsatz

Eine OP allein sei indes nicht alles, betont Trefzer. Weiterhin müsse quasi täglich gekämpft werden: mit Medikamenten – auch der so genannten „Abnehmspritze“ –, ausgewogener Ernährung, mit Bewegung. Auch darum lädt die Selbsthilfegruppe, die Steinen als Zentrum gewählt hat, aber Menschen im ganzen Kreis Lörrach anspricht, mit dem schönen Namen „Bauchgefühl“, neben ihren regelmäßigen Treffen in einem Nebenzimmer des „Vesuvio“ in Steinen auch zu Walking-Ausflügen, zum Schwimmen oder zum Minigolf. Das sporne an, man könne sich mit Gleichgesinnten austauschen, sei in Gesellschaft.

Mitglieder treffen sich regelmäßig – auch zum Sport. Foto: SHG

Gerade letzteres geht vielen stark übergewichtigen Menschen nämlich abhanden, erzählen sie. Aus Scham verkriechen sich viele zu Hause.

Petra Brennfleck aus Maulburg kämpft schon seit ihrer Pubertät mit Übergewicht. „Das ist in unsere Familie genetisch bedingt“, sagt sie. Gudrun Krause hingegen war als Kind untergewichtig. Durch die Einnahme von Cortison hat sie dann stark zugenommen. Vor neun Jahren ließ sie sich operieren – und hat dadurch 55 Kilo verloren. „Ich bereue jede Sekunde, die ich das nicht früher getan habe“, sagt sie rückblickend. Denn mit der OP sei die Lebensfreude zurückgekehrt. Mit Schaudern erinnert sich auch Petra Brennfleck an die Zeiten, als der Hosenkauf nahezu unmöglich war. Nichts passte.

Verletzungen der Seele

Von verletzenden Situationen wissen alle drei zu berichten. „Rettet die Wale“, hämten zwei 15-Jährige am Strand im Urlaub hinter ihrem Rücken, so Krauses Beispiel. „Du spürst generell die mitleidigen Blicke.“ Und wie demütigend sei es, wenn man im Flugzeug um eine Gurt-Verlängerung bitten müsse, ergänzt Brennfleck. „Beim Essengehen prüft man vorher: Hält mich der Stuhl auch aus“, so ein weiteres Beispiel. „Es macht keinen Spaß, dick zu sein“, so das Fazit von Beate Trefzer.

Viele Adipositas-Erkrankte bauten daher einen Schutzwall um sich auf, zögen sich zurück, mieden Gesellschaft und Freizeitvergnügen.

Es passt nicht mehr viel in den Magen

„Bodyshaming ist grausam“, sagt Beate Trefzer. Sie war oft verletzt, aber auch wütend. Die OP war auch für sie die Rettung. Wie sonst solle man von 193 Kilo 115 abnehmen?

Fressattacken gebe es keine mehr. „Es passt ja nicht mehr viel in den Magen rein“, erklären die Betroffenen. Wichtig bleibe aber danach, Muskeln aufzubauen, das Richtige zu essen. Und viele Operierten wollen oder müssen anschließend die überschüssige Haut rückoperieren lassen.

Adipositas hinterlässt auch bei denjenigen, denen man sie nicht mehr ansieht, tiefe Narben, besonders auf der Seele. Auch darum sei eine Selbsthilfegruppe so wichtig, finden alle drei.

Jeder ist willkommen

Willkommen ist bei den Treffen jeder. Im Zentrum soll der Mensch und nicht das Gewicht stehen. Fachvorträge könnten dabei wichtige Informationen liefern. Denn die fehlte vielfach – in der gesamten Gesellschaft. „Dabei sind wir einer von 16 Millionen Betroffenen in Deutschland“, sagt Beate Trefzer.

Mit ihrer Selbsthilfegruppe, die einen harten Kern von rund 20 Teilnehmern hat, wollen sie Hilfe anbieten – und aufklären. Sie verteilen Flyer an Kliniken oder Praxen, organisieren Info-Stände wie an der Regio-Messe. Auch gefeiert wird. Das nächste Mal am 4. Dezember in Hofen am Grillplatz.

Für alle im Landkreis

„Wir sind Anlaufstelle für alle Menschen mit Mehrgewicht im Landkreis“, heißt es auf dem Flyer. „Durch die Selbsthilfegruppe ist mein Freundeskreis größer geworden, ich komme raus, es ist eine Bereicherung meines Lebens“, so Brennflecks Fazit.