Bewaffnete Polizisten umzingelten am Mittwoch das Haus in Bobstadt. Foto: dpa/Kohls

Ein 54-Jähriger sitzt nach der Schießerei in Boxberg in Untersuchungshaft. Was der Verdächtige mit all den Waffen vorhatte, gibt der Polizei noch Rätsel auf.

Am Tag nach dem Großeinsatz der Polizei ist das 450-Seelen-Dorf Bobstadt noch wie ausgestorben. „Im Ort herrscht totale Betroffenheit“, sagt Ortsvorsteher Alwin Deißler. So etwas wie am Mittwoch „kannte man bisher nur aus der Großstadt“. Dass einer im beschaulichen Bobstadt, einem von 13 Ortsteilen der Stadt Boxberg im Main-Tauber-Kreis, „die Waffe zieht und auch noch trifft“, das kann sich auch am Tag danach kaum ein Bobstädter vorstellen.

Massiver Schusswaffengebrauch

So ein Polizeiaufgebot sieht man auch in der Großstadt selten. 220 bis 230 Kräfte waren im Einsatz, berichtet der Heilbronner Polizeipräsident Hans Becker. Polizeihubschrauber kreisten über dem Dorf. Ausgerückt war die Polizei, um einen Durchsuchungsbefehl wegen unerlaubten Waffenbesitzes des Amtsgerichts Mosbach umzusetzen. Man war gewarnt und hat den Einsatz akribisch vorbereitet. Der Hauptverdächtige, ein 54 Jahre alter Mann, wird den sogenannten Reichsbürgern zugeordnet. Wegen einschlägiger Vorstrafen war mit Gewaltbereitschaft zu rechnen, wie der Polizeipräsident sagt. Trotzdem kam es zu massivem Schusswaffengebrauch. Ein Beamter liegt mit Schussverletzungen in den Oberschenkeln im Krankenhaus. Bei einem anderen verhinderte die Schutzausrüstung Schlimmeres.

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Aus noch ungeklärten Gründen brannte ein Wohngebäude aus. Sieben Menschen wurden vorläufig festgenommen, sechs sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. Der Hauptverdächtige ist inzwischen in Untersuchungshaft. Er hat gestanden, dass er geschossen hat. Unklar ist noch, ob auch die anderen Verdächtigen geschossen haben. Florian Kienle, der Leiter der Staatsanwaltschaft Mosbach, nennt eine ganze Reihe an Vorwürfen: versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung, unerlaubter Besitz einer Kriegswaffe und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Wegen der Nähe zu den „Reichsbürgern“ ist ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen. Der Generalbundesanwalt ist eingeschaltet.

„Erhebliches Gefahrenpotenzial“ für Polizeipräsident Becker

Selbst Andreas Stenger, der Präsident des Landeskriminalamts Baden-Württemberg, war überrascht, was die Einsatzkräfte in dem Gehöft in Bobstadt alles gefunden haben. „Irre viel Munition und Waffen“, anders kann es Stenger nicht beschreiben. Waffen, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen, nachgebaute Kalaschnikows, Nachtsichtgeräte, Lang- und Kurzwaffen, Schusswesten gestopft voll mit Munition. Zwei Waffenkammern waren gut gefüllt, und „überall sind Waffen herumgelegen“, berichtet Stenger. Auf eine Cannabisplantage sind die Einsatzkräfte auch noch gestoßen. Woher die Waffen stammen, muss noch geklärt werden, auch was die Bewohner des Gehöfts damit vorhatten.

Polizeipräsident Hans Becker sieht darin ein erhebliches Gefahrenpotenzial für die Bürger von Bobstadt und die Behörden, die mit den Bewohnern des Gehöfts zu tun hatten. LKA-Chef Andreas Stenger sagte bei der Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag: „Konkrete Tatplanungen sind uns nicht bekannt.“

Bobstädter haben keine Angst

Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren weiter. In Bobstadt schätzt Ortsvorsteher Deißler: „Das muss sich alles erst setzen.“ Am Telefon schildert er die Lage: „Alles wartet, welche Konsequenzen das hat.“ Möglicherweise kommen die Verdächtigen ja mal wieder zurück. Angst hat man trotzdem nicht in Bobstadt, sagt Deißler. Die Familie und ihre beiden Untermieter hätten zurückgezogen auf ihrem Hof gelebt. „Bedrohungen gab es im Ort von ihnen noch nie“, sagt der Ortsvorsteher. Umso unvorstellbarer, dass die Lage so eskalieren konnte.