Erst hatten die Spötter das Wort, aber nun kann sich Thomas Gottschalk über viel Zuspruch freuen. Foto: dpa/Daniel Karmann

Der Druck auf das ZDF wächst: Ein Teil der Zuschauergemeinde möchte Thomas Gottschalks große Samstagabend-Show nicht wieder ganz aufgeben.

Stuttgart - Es ist einer der großen Kinomomente nicht nur der 1990er Jahre, wie Uma Thurman als Mia Wallace und John Travolta als Vincent Vega in Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ zu einem Chuck-Berry-Song twisten. Wer dieses Tänzchen nachstellt, läuft Gefahr, sich zum Affen zu machen. Oder beweist souveräne Selbstironie. Svenja Jung und Heino Ferch haben sich am Samstagabend bei „Wetten, dass ..?“ an diese Herausforderung gewagt. War das Ergebnis eher affig oder eher cool?

Interessanterweise geht es beim derzeitigen Nachglühen eines TV-Vergnügens in den sozialen Netzwerken nicht um solche Details, nicht darum, wie elegant oder verzwungen die Bagger-Frisbee-Nummer geriet oder wie pfiffig einem das Jack-Russell-Hündchen vorkam, das Hausmüll sortierte. Auf Twitter, Facebook, Instagram gehen die Einzelheiten der Sendung unter in einem kollektiven Seufzer der Nostalgie: Ach, es sei wirklich wie damals gewesen, schnurren die gut Unterhaltenen jener 13,8 Millionen Zuschauer, die dem ZDF das zweitbeste Ergebnis des TV-Jahres insgesamt bescherten. Nur die Münsteraner „Tatort“-Folge „Rhythm and Love“ im Ersten konnte im Mai noch mehr Zuschauer locken: 14,22 Millionen.

Zum Glück so richtig von gestern

Während Gottschalks Sendung lief, hatten auf Twitter die jungen Spötter, die altgedienten „Wetten, dass ..?“-Verächter und die Fremdschämjunkies die Oberhand. Showmoment um Showmoment wurde gallig durch den Kakao gezogen. Nun haben jene das Wort, denen „Wetten, dass ..?“ gerade auch in Gottschalks Moderation etwas bedeutet. Der Showerfinder und Gründungsmoderator Frank Elstner, der am Samstag mit von der Partie war, erfreut sich noch großer Beliebtheit. Wolfgang Lippert und Markus Lanz, die später auch mal „Wetten, dass ..?“ -Moderatoren waren, sind dagegen weitgehend – oder: gnädig? – vergessen.

Daran wird deutlich: Es geht bei der aktuellen Seligkeit nur zum kleinsten Teil um die Show selbst. Es geht um die Sehnsucht nach einer anderen Zeit, um die Verklärung einer Welt lange vor Klimakrisensymptomen, islamistischen Terroranschlägen und einer scheinbar endlosen Pandemie.

Auch die Jüngeren schauten massenhaft zu

Ach, die Samstage von einst, die große bunte Show nach dem Wochenbad und dem Familienabendessen, wenn man als Kind ausnahmsweise lange aufbleiben durfte und Brezelstängelchen oder Erdnussflips in der Knabberschale auf dem Fliesentisch bereit standen: Das sind die Wohlfühlbilder, die nun heraufbeschworen werden. Ein Fangobecken der Geborgenheitsgewissheit reiht sich da ans andere. Der Erfolg von „Wetten, dass ..?“ ist ein Gradmesser, wie unwohl sich viele in der Gegenwart fühlen. Das ist nachvollziehbar, denn wir alle haben es mit Krisen zu tun, die uns mit Wucht in den Hintern treten, wenn wir den Kopf vor ihnen in den Sand stecken. Anderseits ist die Nostalgie natürlich Unfug, denn die Fehlentwicklungen lagen schon klar vor Augen, als Baggerwetten noch den Schimmer der Neuheit besaßen.

Bitte lasst doch alles wieder so sein, wie es niemals war, dieses Gebet aus vielen Kehlen richtet sich gerade ans ZDF und an Thomas Gottschalk. Auf dem Lerchenberg dürfte man dabei vor allem von einem Aspekt des Quotenerfolgs fasziniert sein. Ausgerechnet in der jüngeren Zielgruppe, bei den 14- bis 49-Jährigen, erreichte man über 50 Prozent. Die private Konkurrenz wurde an diesem Abend klar abgehängt, wie „Masked Singer“ bei Pro Sieben (2,2 Millionen Zuschauer), oder gar zermalmt, wie „Das Supertalent“ bei RTL (0,78 Millionen).

Kaum vorstellbar, dass „Wetten, dass ..?“ nun nicht mindestens einmal jährlich wiederkehren wird. Ob es gar eine dichtere Taktung wird? Der Song, zu dem Thurman und Travolta und nun Jung und Ferch getanzt haben, heißt „You never can tell“, zu Deutsch also: Vorsicht bei Prognosen.