Sylvia Schneider-Müller (links), Sabine Ludi (rechts) und der erste bunter Poller der Stadt Foto: Kopf Foto: Schwarzwälder Bote

Die 54-Jährige Sabine Ludi ist von Geburt an blind. Sie hat Mützen gestrickt, um die Poller in Sulz sichtbarer zu machen und wünscht sich in vielen Bereichen mehr Hilfe.

Sulz - Ihr Schicksal teilt sie mit circa 150 000 weiteren Menschen in Deutschland. Insgesamt sind es über eine Million Personen, die eine Sehbehinderung aufweisen. Daher gibt es bereits seit 1998 den jährlich stattfindenden Sehbehindertentag, an dem Ludi dieses Jahr erstmals teilnimmt.

"Ich habe bereits mehrmals beim ›Tag des weißen Stockes‹ mitgemacht, dieser ist speziell für komplett blinde Menschen. Ich wollte aber dieses Jahr auch hier mithelfen, da ich das Motto sehr gut und wichtig finde", sagt Ludi. Dieses lautet "›Macht die grauen Straßenpoller bunter‹". Dafür hat Ludi insgesamt acht rot-weiße Mützen gestrickt, mit denen sie die Poller für Sehbehinderte sichtbarer machen möchte. "Ich kenne viele, die sich bei Zusammenstößen schon böse verletzt haben", erklärt sie. Mit dem Ergebnis ist Ludi sichtbar zufrieden.

Zwei der Poller sind nun an der "alten Uhlandstraße", auf dem viel belaufenen Weg in Richtung katholische Kirche angebracht, ein weiterer im Bereich der Schulen, und der Rest wird in Schramberg verwendet. Pro Mütze hat sie ungefähr zwei Tage gebraucht. Den Aufwand nimmt Ludi aber gern in Kauf, denn sie setzt sich stark für die Rechte der Sehbehinderten ein.

"Ich bin kein bequemer Mensch und sage meine Meinung. Solche Tage sind eine gute Sache, aber aus meiner Sicht ist jeder Tag ein Tag für jeden Menschen, egal ob Sehbehinderte, Blinde oder Normalbürger", betont Ludi.

Zusätzlich zur Mütze wurde noch ein Infoblatt des Blinden- und Sehbehindertenverbands angebracht. Darauf sind die verschiedenen Zeichen und Zahlen für Sehbehinderte erklärt. Man kann selbst versuchen, einen Satz zu ertasten. Löst man diese Aufgabe korrekt, steht dort "Das ist die Brailleschrift, mein Name ist Sabine." Der Franzose Louis Braille entwickelte die Blindenschrift 1825 im Alter von 16 und gilt als Pionier der Blindenbetreuung.

Am 6. Juni findet der offizielle Tag statt, der durch den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband und seine Mitgliedseinrichtungen eingeführt wurde. Bis zum 11. Juni läuft die Aktion, sodass möglichst viele Poller im ganzen Land etwas bunter werden.

Ludi wünscht sich auch im restlichen Jahr mehr Aufmerksamkeit und mahnt an: "Viele Menschen denken beim Stichwort ›barrierefrei‹ oft nur an Rollstuhlfahrer. Ich gönne es den Rollstuhlfahrern, gar keine Frage, aber andere gehandicapte Menschen werden dabei oft vergessen." An Zebrastreifen, Bürgersteigen, Glastüren oder Stufen sieht Ludi noch viele Möglichkeiten, die Benutzung für Blinde und Gehörlose sicherer zu machen.

Sylvia Schneider-Müller, die Sabine und ihren Mann Jürgen Ludi zum Termin begleitet, sagt dazu: "Gerade in Zeiten von Corona sind diese Menschen manchmal unsichtbar. Die Leute wissen gar nicht, wie viele Menschen mit Handicap es beispielsweise in Sulz gibt." Hier sieht Ludi auch die Betroffenen selbst in der Pflicht. "Wir müssen offen sein und auf die Leute zugehen. Nicht immer können wir erwarten, dass andere die Initiative ergreifen. Es geht darum, Lösungen aufzuzeigen, wie uns geholfen werden kann."

Am 15. Oktober findet dann der "Tag des weißen Stockes" statt, bei dem Ludi auch wieder dabei ist und weitere Aktionen folgen.