Pfarrerin Sara Stäbler zeigt ihren Instagram-Account. Dort hat sie bereits über 5700 Follower. Foto: Günzel

Seelsorge via Social Media? Was sich für manche vielleicht erstmal komisch anhört, gehört für Sara Stäbler zum Alltag. Sie ist als Pfarrerin auf Plattformen wie Instagram, Facebook und TikTok aktiv und erreicht damit auch die Menschen, die nicht sonntags in der Kirche sitzen.

Balingen - "#Pfarrerin @elkwue #ansprechbar": Diese Hashtags, beziehungsweise Markierungen, stehen in der Profilbeschreibung von Sara Stäblers Instagram-Account ganz oben - und sagen bereits viel darüber aus, was die 32-Jährige in den sozialen Netzwerken erreichen will: Als Pfarrerin der Württembergischen Landeskirche für alle Menschen ansprechbar sein. 

Und ihr Plan geht auf: Rund 20 Nachrichten bekommt die junge Pfarrerin auf diesem Weg pro Tag. Das variiere aber, sagt sie. Manche reagieren auf Beiträge über bestimmte Themen, die sie anspreche. Andere schreiben ihr aus privaten Anlässen. Inzwischen folgen ihr über 5700 Menschen auf Instagram, etwa 1000 davon würden täglich ihre Stories ansehen. 

"Ich habe eine Pfarrerin als Freundin" 

Mit ihrer öffentlichen Arbeit in den sozialen Medien erreicht Stäbler vor allem junge Menschen. "Die meisten meiner Follower sind zwischen 25 und 50 Jahre alt und hauptsächlich männlich, vermutlich wegen der Fotos und Reels", sagt die Pfarrerin, betont aber, dass sie das nicht schlimm fände. Sie möchte für alle Menschen erreichbar sein: "Wer schreiben will, der schreibt auch", sagt sie. Die Anonymität über das Internet sei dabei hilfreich, weil sich so auch Menschen mit Fragen oder Problemen an sie wenden, die eher nicht bei einem Pfarrer anrufen oder gar in die Kirche gehen würden. 

"Eigentlich sind natürlich alle Pfarrer erreichbar. Wenn man sie bei Google sucht, findet man immer eine Adresse oder Telefonnummer", stellt Stäbler klar. Dennoch sei die Hemmschwelle, was die Kontaktaufnahme angehe, bei den Menschen, die keinen Bezug zur Kirche haben, da aber natürlich deutlich höher. Das sei über Social Media anders: "Ich bin ja quasi immer in der Arschtasche mit dabei", sagt Stäbler und lacht. So könne sie sofort angeschrieben werden. "Die Leute können quasi sagen: 'Ich habe eine Pfarrerin als Freundin'."

Was Stäbler an ihrer Social-Media-Arbeit vor allem gut finde, sei, dass sie nicht nur etwas gibt, sondern dass auch etwas zurückkomme. Angefangen habe sie damit nach ihrem Umzug von Thüringen nach Balingen. "Mein Mann hat hier in der Region seinen Traumjob bekommen. Deshalb habe ich mich hier beworben", erzählt die zweifache Mutter. Seit April 2020 lebe sie nun hier, kannte anfangs aber natürlich niemanden und dann war auch noch Lockdown. "Und im Lockdown waren alle auf Social Media untwerwegs." Zuvor habe sie jedoch schon einige Kollegen gekannt, die ebenfalls in den sozialen Medien tätig seien. Da habe sie beschlossen, das auch zu machen. Die Reichweite kam jedoch erst etwa ein Jahr später, als sie damit angefangen habe, auch Reels zu drehen. 

Kirchenaustritte haben nichts mit dem Glauben zu tun

Die Menschen, die sie über die sozialen Netzwerke erreicht, sind jedoch oft auch diejenigen, die gar nicht mehr Mitglied in der Kirche sind. Erstmals seit Jahrhunderten sind weniger als die Hälfte aller Deutschen evangelisch oder katholisch. Das ist ein neues Rekordhoch. Stäbler empfindet das als fatales und trauriges Zeichen. Gleichzeitig weiß sie aber, dass die Kirchenaustritte oft nichts mit dem Glaube selbst zu tun haben. "Die Kirche hat es meiner Meinung nach verpasst, sich einem neuen Lebensmodell anzupassen", sagt die Pfarrerin. Nach Taufe, Konfirmation oder Kommunion sei früher schneller die Hochzeit gekommen, dann die Taufen der eigenen Kinder und hin und wieder natürlich auch Beerdigungen. Die Kirche sei damals präsenter gewesen. Heutzutage heiraten die Menschen jedoch viel später und haben dann manchmal zehn bis zwanzig Jahre gar nichts mehr mit der Kirche zu tun, sagt die Pfarrerin.

Beim Blick auf die Entgeltabrechnung sei dann die Bereitschaft nicht mehr so hoch, Kirchensteuer zu zahlen - vor allem weil man nichts dafür bekomme. "Heutzutage will man für Geld, das man ausgibt, eine Dienstleistung", weiß die 32-Jährige. Ihrer Meinung nach habe die Kirche jahrelang verpasst zu erklären, was die Kirchensteuer aber wirklich sei - nämlich eine Spende. "Die Menschen wissen gar nicht, was mit der Kirchsteuer alles Gutes getan wird. Welche Projekte unterstützt oder Berufe damit bezahlt werden", erklärt Stäbler. Diese Kommunikation fehle immer noch. Die Pfarrerin glaubt, dass viele Menschen anders handeln würden, wenn ihnen klar wäre, was mit ihrer Kirchensteuer finanziert werde. 

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Ob in der Kirche oder nicht: Die junge Pfarrerin möchte über die sozialen Netzwerke trotzdem für alle Menschen ansprechbar sein, Impulse geben und zum Nachdenken anregen. Dafür investiert sie etwa drei bis vier Stunden pro Tag, weil sie natürlich auch immer erstmal überlegen müsse, welche Inhalte sie postet und wie sie diese aufbereitet, erklärt Stäbler. Zeitlich sei das möglich, da sie wegen ihrer beiden Kinder derzeit eine 50-Prozent-Stelle besetze. Werbung für ihre eigenen Gottesdienste mache sie übrigens nicht, nur Rückblicke. Stäbler weiß, dass sie mit ihren Inhalten eher nicht das traditionelle Sonntags-Klientel anspricht. Ihr sei es in den sozialen Netzwerken wichtiger zu zeigen, dass sie ein normaler Mensch und ansprechbar ist.