Drei Seelsorgerinnen und ein Seelsorger sind in der Helios Klinik Rottweil beschäftigt. Doch auch sie haben nicht auf jede Frage von Patienten eine Antwort parat.
Kreis Rottweil - Ein Gespräch kann die körperlichen Wunden nicht heilen, doch es kann der Seele guttun. Zerschmetternde Diagnosen, langwierige Therapien, Einsamkeit: Die Seelsorger schenken ihre Zeit und Aufmerksamkeit den Menschen, die sich nicht selten in den schwersten Momenten ihres Lebens befinden.
Manche Patienten schätzen einfach die Abwechslung im Klinikalltag. Sie erzählen ihre Lebensgeschichten, zeigen Fotos von ihren Kindern oder Enkelkindern. Freuen sich, wenn sie wieder so fit sind, dass sie nach Hause dürfen. Sie teilen ihre Freude oder ihr Leid.
„Wir sind ein Ausgleich, jemand, der Zeit hat und sich Zeit nimmt“, sagt Schwester Berngund. Seit 15 Jahren leistet sie Dienst am Krankenbett. Sie hat die Seelsorge im Haus mit aufgebaut, ist viel im Palliativbereich im Einsatz – an der Seite der Menschen, die unheilbar krank sind und bald sterben werden.
Erkennbar an der Schwesterntracht
Schwester Berngund erkennt man in der Klinik sofort an ihrer Schwesterntracht. Da sie im Personalwohnheim wohnt, ist sie im Notfall schnell da, zu jeder Uhrzeit.
"Ich gehe am Vormittag immer durch die Stationen. Ich besuche die Menschen, frage, wie es ihnen geht. Wenn jemand den Wunsch hat zu beten, dann beten wir", schildert Schwester Berngund. Und betont: "Ich frage normalerweise nicht nach der Konfession, ich besuche alle." Mit einem Schmunzeln stellt sie fest: "Mit muslimischen Patienten habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht, weil ich ja auch eine Kopfbedeckung habe." Sie versuche immer, auf die Menschen einzugehen, sagt Schwester Berngund. "Bei den jungen Leuten sprechen wir auch mal über Fußball." Das sei wichtig, um Vertrauen aufzubauen, betont sie.
Reaktionen fallen ganz unterschiedlich aus
Andreas Güntter ist seit August als evangelischer Pfarrer und Seelsorger in der Helios Klinik Rottweil aktiv. Ganz neu ist der Bereich Klinikseelsorge für ihn nicht: In den vergangenen Jahren war er als Gemeindepfarrer in Schwenningen gleichzeitig mit einem Dienstauftrag als Seelsorger im Schwarzwald-Baar-Klinikum tätig. Dort ist er nach wie vor im Einsatz, seinen Schwerpunkt bildet aber die Rottweiler Klinik. "Ich genieße es, dass wir ein kleines Haus sind, dass es hier sehr familiär ist. Das bietet die Chance, dass man über kurz oder lang die Gesichter kennt, dass auch die Mitarbeiter uns kennen und auf uns zukommen." Der Seelsorger beschreibt es als Privileg, Zeit für die Menschen zu haben.
Die Reaktionen auf seinen Besuch? Die fallen unterschiedlich aus, gibt der Seelsorger zu. "Manche Besuche sind sehr kurz. Ich gehe aus dem Zimmer dann immer mit der Frage, ob ich als Pfarrer noch etwas für den Patienten tun kann. Und manchmal fängt das Gespräch dann erst an", schildert der Seelsorger. "Wenn die Leute sagen: ›So habe ich schon lange nicht mit jemandem geredet‹, dann war es eine gute Sache."
Auch Männer können losweinen
Manchmal, sagt Andreas Güntter, sitzt er nur am Bett – und es wird gar nicht viel geredet. Aber er ist da und hofft, dass die Patienten, etwa auf der Intensivstation, seine Zuwendung spüren.
Seit drei Jahren gehört Gülsever Yilmazer zum Seelsorge-Team. Sie ist ehrenamtlich tätig und besucht einmal in der Woche muslimische Patienten. "Es entstehen oft tiefe Gespräche", sagt sie. Es sei nicht selbstverständlich, dass sie als bedeckte Frau in der Seelsorge angenommen wird, betont Gülsever Yilmazer. "Besonders bei älteren Herren." In Rottweil hat sie bis jetzt sehr gute Erfahrungen gemacht. "So langsam wissen die Menschen, was Seelsorge bedeutet. Sie schildern auch familiäre Probleme, und auch Männer können losweinen und ihr Leid äußern. Gemeinsame Kultur und gemeinsame Sprache öffnen viele Türen", stellt Gülsever Yilmazer fest.
Auch die italienische Gemeinde hat "ihre" Seelsorgerin. Maria Angela Mariano kümmert sich als katholische Seelsorgerin zwar um alle Patienten und Mitarbeiter, als pastorale Ansprechperson für die katholische italienische Gemeinde in Rottweil hat sie aber eine intensive Verbindung zu italienischen Gemeindemitgliedern. Auch sie weiß, wie wichtig die Sprache ist. "Da bekommt das Gespräch eine ganz andere Qualität", betont sie. Und fügt hinzu: "Wenn Familienmitglieder bei meinem Besuch im Zimmer sind, sind sie auch ins Gespräch mit eingebunden. Für mich ist es ein Zeichen des Vertrauens."
Warum schickt Gott Schicksalsschlage?
Alle vier Seelsorger erleben große Dankbarkeit und ähnliche Herausforderungen. "Eine schwere Krankheit ist ein Einschnitt, und es gerät ganz viel ins Wanken", weiß Andreas Güntter. Einige zögen dann ihren Glauben in Zweifel und hadern mit Gott. "Bei manchen Schicksalsschlägen fällt es schwer zu denken, dass Gott sie geschickt hat. Das auszuhalten und stehen zu lassen, ist eine Herausforderung", betont Andreas Güntter.
"Man möchte immer was Gutes sagen. Aber es ist nicht immer angebracht", sagt Maria Angela Mariano. "Auf manche Fragen gibt es eben keine Antworten. Und deshalb muss man manchmal auch das Schweigen aushalten."