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Schwimmen: Nelly Schulze und Dylan Fassiotti vom TSV Freudenstadt fahren zur deutschen Jahrgangsmeisterschaft.

Sie sind derzeit die beiden hellsten Sterne am Horizont der Schwimmer des TSV Freudenstadt: Nelly Schulze und Dylan Fassiotti haben in den vergangenen Jahren große Sprünge gemacht – und fahren nächste Woche zur deutschen Jahrgangsmeisterschaft nach Berlin.

Sven Münster steht am frühen Montagabend am Startblock der zweiten Bahn im Freudenstädter Panoramabad – tiefenentspannt, gut gelaunt. Drei seiner Schwimmer aus der Wettkampfgruppe des TSV Freudenstadt – Nelly Schulze, Dylan Fassiotti und Lucio Wolf – haben gerade ihre ersten Bahnen im Becken gezogen und lauschen den Vorgaben ihres Trainers. Von Vollgas ist dabei aber keine Rede – denn das sollen besonders Nelly Schulze und Dylan Fassiotti erst in der kommenden Woche geben.

Echtes Highlight steht an

"Man muss sie momentan eher bremsen", sagt Münster lachend und nickt in Richtung seiner Gruppe. Dafür gibt es einen guten Grund: Schulze und Fassiotti haben sich für die deutsche Jahrgangsmeisterschaft qualifiziert. Für die Freudenstädter etwas ganz Besonderes, denn seit gut 60 Jahren konnten sie keine Nachwuchs-Schwimmer mehr zu nationalen Titelkämpfen entsenden.

Kontinuierliche Entwicklung

Dass es die 13-jährige Bad Wildbaderin und der 15-jährige Freudenstädter geschafft haben, in den vergangenen Jahren einen solchen Sprung zu machen, liegt zum einen an den strukturellen Veränderungen, die die Schwimmabteilung vorgenommen hat. Seit Sven Münster vor viereinhalb Jahren das Traineramt der Wettkampfgruppe übernommen hat, ging es mächtig vorwärts. "Wir haben mittlerweile viermal in der Woche Wassertraining, dazu einmal Athletiktraining", berichtet Münster. "Dazu passt es mit den anderen Übungsleitern einfach sehr gut – ohne sie wäre das gar nicht möglich. Wir trainieren hier meist gleichzeitig auf verschiedenen Bahnen. Dadurch sehe ich, was nachkommt und die Jüngeren haben etwas, wonach sie streben können." Das Ende der Fahnenstange, das betont Münster, sei aber noch lange nicht erreicht.

Zum anderen liegt der Erfolg, das versteht sich von selbst, an Nelly Schulze und Dylan Fassiotti selbst. "Ohne ehrgeizige Kinder und Jugendliche kann ich Training machen, so viel ich will", betont Münster. Schulze und Fassiotti sind nur zwei Köpfe einer ambitionierten Trainingsgruppe – aber: "Die beiden haben hier inzwischen eine richtige Vorbildfunktion, sind auch für die Jüngsten immer ansprechbar."

Leidenschaft und Feuereifer

Großen Ehrgeiz legen die beiden zweifellos an den Tag. Für ihren Sport geben Nelly Schulze und Dylan Fassiotti wie viele motivierte junge Sportler einiges auf. "Wir sitzen morgens und mittags in der Schule, abends ist eineinhalb bis zwei Stunden Training", sagt Fassiotti. "Für die Wettkämpfe an den Wochenenden muss man dann schon einige Geburtstage von Freunden ausfallen lassen. Das kann bitter sein", erklärt der Neuntklässler, "vor allem, wenn man dann seine Zeiten nicht schwimmt." Zuletzt hat er sich jedoch immer wieder selbst übertroffen – und diese Erfolge, sagt Fassotti, machen den Rest wett. "Wie er gerade die Norm auf den 400 Metern Freistil geschwommen ist, da haben wir uns nur angeschaut und dachten ›wow!‹. Das hat er richtig gut gemacht", betont sein Coach.

Auch Nelly Schulze, das wird schnell offensichtlich, geht all diese Entbehrungen mit jeder Menge Leidenschaft gerne ein. "Sie ist extrem ehrgeizig", sagt Münster, "bei allem, was sie macht." Schon jetzt wisse die 13-jährige Gymnasiastin, dass sie einmal Medizin studieren will. Dementsprechend gut sei sie auch in der Schule. "Mittlerweile hat sie aber auch verstanden, dass sie im Training nicht immer am Anschlag sein darf, sondern dass wir mit Köpfchen trainieren müssen", so der Coach. Im letzten möglichen Quali-Wettkampf – bei der süddeutschen Meisterschaft in Wetzlar vor eineinhalb Wochen – unterbot sie die Normzeit für die DM. "Auf den allerletzten Drücker", sagt sie selbst und lächelt. Die 13-Jährige wird in Berlin über 50 Meter Schmetterling starten, während Dylan Fassiotti die 50, 100, 200 und 400 Meter Freistil in Angriff nimmt.

Fokus liegt auf den Zeiten

Um Sieg oder Niederlage wird es bei den Starts der beiden Nachwuchs-Schwimmer allerdings nicht gehen, schließlich ist die Teilnahme allein bereits ein großes Highlight. Vielmehr stehen in der Hauptstadt die Zeiten im Mittelpunkt. "Wenn wir unsere persönlichen Bestzeiten nochmal unterbieten könnten, wäre das super", betont Nelly Schulze. In erster Linie aber sollen die beiden Erfahrungen sammeln. "Das ist eine Halle, in der Europameisterschaften ausgetragen werden", sagt Coach Sven Münster. "Das ist sicher eine ungewohnte Atmosphäre für die beiden." Aus Neugierde, erzählt Dylan Fassiotti, habe er sich die Halle im Internet schon angeschaut. "Das war schon auf dem Video ziemlich beeindruckend", sagt er. "Für uns ist das auch etwas ganz Neues, dass unsere Eltern und Freunde, die mitkommen, Eintritt bezahlen müssen", ergänzt Nelly Schulze.

Pfiffe als Ansporn

Eine große Stütze, das wissen die zwei schon jetzt, wird ihnen in Berlin wieder ihr Coach sein. "Ich bin ihm sehr dankbar für die viele Zeit, die er für uns opfert", betont Dylan Fassiotti. "Er holt mich manchmal sogar samstags ab und geht mit mir trainieren. Dadurch, dass er selbst Leistungsschwimmer war, kann er uns seine Erfahrung super weitergeben und weiß, was in nuns vorgeht." Bei Wettkämpfen, erzählt Fassiotti weiter, könne jeder schreien, so viel er wolle – "Svens Pfeifen hört man immer raus." Das bestätigt auch Nelly Schulze: "Eigentlich hört man die ganze Zeit nur Rauschen – und Svens Pfiffe, die einen nach vorne treiben."

Die werden die beiden Nachwuchs-Schwimmer des TSV auch in der kommenden Woche hören – und dadurch, hoffen sie, zu neuen Bestzeiten angespornt werden. Festbeißen, das weiß Sven Münster, können sich die beiden. "Das sind richtige Kämpfer."