Hoffnung für Top-Hotel an der Schwarzwaldhochstraße: Zukunft könnte sich noch dieses Jahr entscheiden.
Bühl - Nebelschwaden ziehen aus dem Tal herauf, der Regen peitscht waagerecht durch die Luft. Bäume biegen sich im Herbststurm. Es dämmert. Auf der Schwarzwaldhochstraße herrscht gähnende Leere. Irgendwo in der Ferne leuchten ein paar Lichter aus dem pechschwarzen Wald. Tiere huschen vorbei. Stoff für einen Krimi. Oder willkommen auf der "Bühlerhöhe".
Früher war es ein Luxushotel. Stars und Sternchen haben hier genächtigt. Von Konrad Adenauer über König Hussein bis Nelson Mandela. Boris Becker hat hier seine Hochzeit gefeiert. Britney Spears hat es sich gut gehen lassen. Viele andere auch. Wenn die schweren Vorhänge nur erzählen könnten. Doch es ist still geworden um das einstige Fünf-Sterne-Haus. Wechselnde Besitzer, mangelnde Investitionen, kein Geld mehr. Das Haus muss 2010 schließen. Ab und zu ist seither ein Mitarbeiter vorbeigekommen. Zum Durchlüften und Toilettenspülen.
Seit Kurzem läuft das offizielle Insolvenzverfahren. Die Herberge – 1912 als Genesungsheim für Offiziere geplant – soll aus dem Dornröschenschlaf erweckt werden. "Ich bin mir sicher, dass die 'Bühlerhöhe' bald wieder blühen wird", sagt Reto Schumacher und strahlt übers ganze Gesicht. Dann schaut der Hotelmanager hinüber Richtung Restaurant, das derzeit vorübergehend geöffnet ist: "Schauen Sie doch selbst, die Gäste kommen wieder."
Früher hat die Übernachtung 400 Euro gekostet. Mit Frühstück. Jetzt wurde der Preis halbiert
Ist es Zweckoptimismus oder berechtigte Hoffnung? Der Hotelmanager, gebürtig in der Schweiz, gehört quasi zum Inventar des Hauses. Wie die dicken Teppiche und flauschigen Ohrensessel. Die "Bühlerhöhe", das ist sein Baby. Seit Jahrzehnten. Er will nicht aufgeben. "Das ist doch ein Juwel", sagt der 64-Jährige immer wieder. Ein Stockwerk höher wird freilich klar, dass dieser Stein einen neuen Schliff braucht. Schumacher hat sich die Genehmigung des Insolvenzverwalters geholt, bis Mitte November einige Zimmer zu vermieten. Früher hat die Übernachtung 400 Euro gekostet. Mit Frühstück. Jetzt wurde der Preis halbiert. Auf dem Tisch steht frisches Obst. Aber die braunen Teppiche, die Betten, die stickige Luft lassen erahnen, dass Handwerker anrücken müssen. Schumacher schätzt den Sanierungsbedarf "auf 20 bis 30 Millionen Euro". Quer durchs Haus, vom Dachboden bis ins Untergeschoss, wo das Schwimmbad trocken ist und Spinnen am ehemaligen Wasserfall ihr Netz aufgezogen haben. An der Aquamarinbar haben sie einst Champagner geschlürft. Jetzt stehen keine Gläser mehr im Regal.
Immer mehr pikante Details werden aus der Ära des russischen Geschäftsmanns Igor Bakai bekannt
Doch Schumacher lässt sich davon in seinem Tun nicht beirren. Und doch hat er gelitten in den vergangenen drei Jahren, als sich hier oben nur noch Fuchs und Hase gute Nacht gesagt haben. Und alle Hoffnungen auf dem russischen Geschäftsmann Igor Bakai ruhten. Er hatte die "Bühlerhöhe" im September 2010 von SAP-Gründer Dietmar Hopp gekauft. Für rund 33 Millionen Euro. Nicht gerade ein Schnäppchen. Aber für Bakai ein Fall für die Portokasse. Zumindest damals. Die zuständigen Anwälte vereinbarten Ratenzahlung. 18,5 Millionen Euro gab’s sofort, der Rest sollte folgen. Allein, das Geld kam nie. Nun, da das Insolvenzverfahren läuft und die zuständige Kanzlei Schultze & Braun im nahen Achern händeringend nach einem neuen Besitzer sucht, werden immer mehr pikante Details aus dieser Ära bekannt.
Zum Beispiel die Geschichte, wie Bakai mit seinem millionenschweren Flugzeug immer wieder in Baden-Baden landet. Wobei Flugzeug untertrieben scheint. "Das ist ein Luxushotel mit zwei Flügeln", erzählt einer, der mal reinschauen durfte.
Oder die Episode, wie sich Bakai auf der "Bühlerhöhe" edle Tropfen aus dem Weinkeller servieren ließ. Nicht zum Genießen, nur zum Probieren für ein rauschendes Fest auf der russischen Halbinsel Krim. "Da waren Flaschen dabei, die einen vierstelligen Preis haben", erzählt eine frühere Bedienstete der "Bühlerhöhe". Das Problem: Die meisten Weine schmeckten dem zahlungsfreudigen Gast offenbar nicht. Der Inhalt floss in den Ausguss. "Er hat seine Rechnungen aber stets ordentlich bezahlt", wird allerorten versichert. Dass es als Dank für gute Dienste schon mal 500 Euro Trinkgeld gab, auch das war üblich.
Oder die Begebenheit, dass sich die Familie Bakai die Max-Grundig-Villa am Stadtrand von Baden-Baden für angeblich acht Millionen Euro gekauft hat. Das Haus ist von hohen Mauern umgeben, dahinter erstreckt sich quasi ein kleiner Stadtteil. Mit eigenem Tennisplatz und Schießanlage. Und einem Fuhrpark der edelsten Sorte mit Bentley, Ferrari, Rolls-Royce. 2003 hatte das Anwesen schon einmal für Schlagzeilen gesorgt. Damals wurde kolportiert, der georgische Präsident Eduard Schewardnadse habe sich das Anwesen gesichert. Nichts war’s. Bakai aber griff zu. Seine Familie wohnt bis heute dort, seine Kinder gehen in Karlsruhe zur Schule.
Wo aber ist Bakai selbst? "Es gibt keinen Kontakt mehr zu ihm", sagt Hotelmanager Schumacher. Unklar ist auch, was zwischen Mitte Juni und Ende August dieses Jahres geschah. Erst verspricht Bakai, einen Finanzplan für die Zukunft der Luxusherberge vorzulegen. Dann aber gibt es weder dieses Konzept noch vereinbarte Zahlungen.
Experten vermuten, dass der Investor im Zuge der Bankenkrise auf Zypern viel Geld verloren hat
Das Rätsel freilich passt zur rätselhaften Vita von Bakai. Geboren in der Ukraine, arbeitet sich der Mann in den 90er-Jahren ehrgeizig und mit Hilfe des damals amtierenden Staatspräsidenten Leonid Kutschma nach oben. Bakai wird Generaldirektor der staatlichen Öl- und Gasgesellschaft Naftogaz – und macht sich dabei offenbar zum Multimillionär. Nach Recherchen unserer Zeitung begleitet Bakai in den folgenden Jahren den Staatspräsidenten wiederholt in den Schwarzwald, wenn sich Kutschma in der Max-Grundig-Klinik – gleich neben der "Bühlerhöhe" – zu Reha-Maßnahmen aufhält. Es muss jene Zeit sein, in der Bakai seine Liebe zu der Region entdeckt.
Ganz nebenbei steigt er daheim zum Chef der Staatskanzlei auf. Doch Macht ist vergänglich. Im Zuge der sogenannten orangen Revolution im Jahr 2004 flieht er offenbar mit dem Umweg Malediven nach Moskau, angeblich "mit Säcken voller Geld", wie es heißt. Obwohl Bakai von Interpol mit internationalem Haftbefehl wegen Betrugs und illegaler Immobiliengeschäfte gesucht wird, liefert Russland ihn nicht aus. Stattdessen erhält er einen russischen Pass. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, gilt doch Staatspräsident Wladimir Putin als sein enger Freund.
Warum Bakai die restlichen Ratenzahlungen für die "Bühlerhöhe" zuletzt nicht begleichen kann, warum er ein Hochhaus in Baden-Baden, das ihm auch gehört, verfallen lässt, warum er ausstehende Zahlungen für Schloss Rodeck (bei Kappelrodeck) nicht zahlen kann? Keiner weiß es.
Die Anna-Maria-Vermögensverwaltung in Bühl, bei der bisher die Besitzrechte an der "Bühlerhöhe" gebündelt sind, hat zwei Gesellschafter: die Frau von Bakai, eine ehemalige ukrainische Schönheitskönigin. Und den Investmentfonds Zelento mit Sitz in Limassol auf Zypern. Bankenexperten vermuten deshalb, dass Bakai – inzwischen auch im Besitz eines griechischen Passes – im Zuge der Bankenkrise viel Geld verloren hat.
Er selbst will sich zu alledem nicht äußern. Versuche unserer Zeitung, ihn über einen Verbindungsmann in Baden-Baden zu erreichen, scheitern. Für den Insolvenzverwalter scheint dies inzwischen nur noch zweitrangig zu sein. "Unser Ziel ist es, möglichst viel Geld für Gläubiger Hopp herauszuholen." Man habe "erste Verhandlungen mit potenziellen Kaufinteressenten" geführt, über Details ist aber Stillschweigen vereinbart, sagt der Sprecher der Kanzlei in Achern: Man hoffe, das Verfahren noch in diesem Jahr abschließen zu können.
Was danach kommt? Keiner weiß es. Ein Teil des Hotel-Trakts samt Restaurant bleibt jetzt bis Mitte November vorläufig geöffnet. Dann macht das Haus wieder zu. Manager Schumacher setzt darauf, dass der neue Eigentümer die Wintermonate nutzt, das Haus grundlegend zu sanieren. "Ich hoffe sehr, dass ein Besitzer gefunden wird, der den Namen der 'Bühlerhöhe' wieder in die Welt hinausträgt." Bakai wird von alldem dann nichts mehr haben. Er hat zwar noch die Schlüssel für das Hotel. Aber er kommt nicht mehr in seinen bisherigen Besitz. Der Insolvenzverwalter hat vor Kurzem die Schlösser austauschen lassen.