Der Angeklagte Nicolo M. wird von Polizisten in den Raum begleitet. Foto: Eich

Zeuge hat plötzlich viele Erinnerungslücken und kann Angeklagten kaum identifizieren.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Ein bereits verurteilter Drogenhändler aus Villingen-Schwenningen wurde bei dem derzeit laufenden Mafia-Prozess vor dem Landgericht Konstanz vernommen. Er äußert sich zu den Köpfen der mutmaßlichen Bande – deren Verteidiger möchten derweil seine Glaubwürdigkeit untergraben.

Leise und nur bruchstückhaft äußert sich der Kronzeuge am Dienstag in der ehemaligen Siemens-Kantine in Konstanz, die eigens für den Prozess umgebaut wurde, zu den Vorgängen des Drogenhändlerrings. Der Mann, der in Italien geboren wurde, erhielt über Monate hinweg Einblick in die krummen Geschäfte der Gastronomen Placido A. (Restaurants in Rottweil und VS) und Giovambattista S. (Donaueschingen) sowie des Donaueschinger Geschäftsmanns Nicolo M.. Für seine Rauschgiftgeschäfte wurde der Zeuge in einem abgetrennten Verfahren bereits im Sommer verurteilt. Angesichts seiner Ausführungen zu den Machenschaften der Hauptangeklagten – sowohl gegenüber der Ermittler als auch vor Gericht – erhielt er als Kronzeuge eine recht milde Strafe.

Insbesondere A. aber auch S. kennt der ehemalige Drogenkonsument bereits seit über 30 Jahren. Seit dem Jahr 2016 habe er von beiden Rauschgift erhalten und dies weiterverkauft, auch um seinen eigenen Konsum zu finanzieren. Von wem aus die Initiative für solche Geschäfte zwischen dem Familienvater und den Akteuren des Drogenhändlerrings ergriffen wurde, daran konnte sich der 52-Jährige jedoch nicht mehr erinnern. Und das, obwohl er beispielsweise in seiner eigenen Verhandlung im Sommer noch wusste, dass sich Placido A. aufgrund der "guten Qualität" seiner Ware als Lieferant ins Spiel brachte.

Drogenkonsum im Fokus

Überhaupt war man teilweise über die plötzlichen Erinnerungslücken verwundert – auch bei Fällen, für die er bereits verurteilt wurde. Besonders zurückhaltend äußerte sich der ehemalige Dealer zu Nicolo M., der sich unter anderem wegen eines Mordversuchs vor Gericht verantworten muss. Obwohl es offensichtlich zu Treffen zwischen den beiden gekommen war, hatte er Schwierigkeiten, den Angeklagten im Gerichtssaal zu erkennen – zu seiner Rolle innerhalb der Bande oder der Beteiligung an Geschäften hielt er sich größtenteils zurück. "Gibt es einen Grund, dass Sie bei Nicolo M. zurückhaltend sind?", roch auch der Vorsitzende Richter Arno Hornstein den Braten. "Ich habe ihn halt selten gesehen", entgegnete der Belastungszeuge. Jedoch sei viel mehr davon auszugehen, dass auch die Angst vor Vergeltung bei seiner Zurückhaltung eine Rolle spiele.

Die Verteidiger der Angeklagten nahmen bei der weiteren Befragung den Zeugen schließlich regelrecht auseinander – insbesondere aufgrund seines Drogenkonsums. Warum, wurde später deutlich. Seitens A.'s Verteidigung sieht man aufgrund der damaligen Abhängigkeit des Zeugen mögliche "Persönlichkeitsstörungen", zudem habe man Zweifel an der Aussagefähigkeit und der Glaubwürdigkeit. Gefordert wird deshalb ein Gutachten. Schließlich könnten seine früheren Rauschzustände auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung gehabt haben.

Und auch die Arbeit der Kriminalpolizei haben die Verteidiger im Visier. So sei der Zeuge durch die Vorhaltungen des Ermittlers "voreingenommen" gewesen. Überhaupt scheint die Verteidigung den Eindruck vermitteln zu wollen, dass der 52-Jährige lediglich das bestätigte, was ihm von den Ermittlungsbehörden präsentiert wurde. Diese Bedenken konnte der sattelfeste Kripo-Hauptsachbearbeiter bei seiner anschließenden Vernehmung jedoch größtenteils zerstreuen.

Verteidiger setzen auf Verwirrung

In den Prozess gegen einen Drogenhändlerring, der Bezüge zur Mafia haben soll, kommt Bewegung. Die zwei Hauptangeklagten haben Vorwürfe eingeräumt – mit Hilfe der Kronzeugen erhofft man sich einen Einblick in das Gefüge der Gruppierung.

Konstanz/Villingen-Schwenningen. Bereits seit acht Wochen müssen sich mutmaßliche Mitglieder einer mafiösen Drogenbande für ihre Rauschgiftgeschäfte vor dem Konstanzer Landgericht verantworten. Nach dem von den Verteidigern zunächst Nebenkriegsschauplätze eröffnet wurden, um die eigentlichen Vorwürfe in den Hintergrund zu rücken, erhalten die Prozessbeteiligten nun nach und nach immer mehr Einblicke in die Machenschaften der Männer, die größtenteils italienische Wurzeln haben.

Die Nebenfiguren

Von den insgesamt neun Angeklagten haben sich nun drei bis vier als Hauptakteure herauskristallisiert – die meisten anderen spielten in der Gruppierung wohl eine untergeordnete Rolle. Mithilfe von Absprachen zwischen deren Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und den Richtern versucht man deshalb, Deals herauszuschlagen oder die Verfahren abzukoppeln.

In diesem Zusammenhang kam es im Zuge des Prozesses vergangene Woche bereits zur Verurteilung eines 42-Jährigen. Zwar ist der Verurteilte damit zumindest juristisch vorerst aus dem Schneider, doch Beleidigungen und Bedrohungen nach der Urteilsverkündigung machen deutlich: Seine kriminelle Vergangenheit und die Aussagen gegen die weiteren Angeklagten werden ihn noch einige Zeit verfolgen.

Die Protagonisten

In den Gastronomen Placido A. (Tuningen) und Giovambattista S. (Donaueschingen) sowie Nicolo M. mit seinem Sohn Giacomo M. (beide Donaueschingen, alle Schwarzwald-Baar-Kreis) sehen die Ermittler die Führungspersonen innerhalb der möglichen Bande. Im Mittelpunkt stehen mit A., der Restaurants in Villingen-Schwenningen und Rottweil geführt hatte, und Nicolo M., die mutmaßlichen Köpfe. Ihre Verteidiger scheinen insbesondere darauf aus zu sein, mit zahlreichen Anträgen für mögliche Verfahrensfehler zu sorgen, um anschließend Futter für eine mögliche Revision zu haben. Auch am Dienstag prasselten eine Stunde lang zahlreiche Anträge auf das Gericht nieder.

Von der Ansicht, dass beispielsweise der 53-jährige A. "nur ein Pizzabäcker" sei, musste man jedoch Abstand nehmen. Denn dieser hat mittlerweile den Verkauf von fast vier Kilogramm Marihuana zugegeben. Auch der Donaueschinger Gastronom Giovambattista S. hat zumindest die Vermittlung von Rauschgift an einen bereits verurteilten Händler bestätigt. Bei Nicolo M. hingegen, der sich auch wegen eines Mordversuchs verantworten muss, steht oft der gesundheitliche Zustand im Mittelpunkt. Der 49-Jährige leidet nach eigenen Angaben unter Schwindel sowie starken Kopfschmerzen und könne der Verhandlung kaum folgen. Dies äußerte sich in der Vergangenheit darin, dass M. abwesend wirkte und teilweise einschlief. Deshalb stand am Dienstag die Abtrennung seines Verfahrens im Raum.

Die Kronzeugen

Am Dienstag gab es detaillierte Angaben eines Kronzeugen, der bereits im Vorfeld für seine Taten im Zusammenhang mit dem Verkauf von Drogen verurteilt wurde. Der 52-jährige Italiener bestätigte dabei den Ankauf von Marihuana von A. sowie dem Donaueschinger Gastronomen S. Beide kenne er seit über 30 Jahren, man sei vor zwei Jahren dann über Rauschgift ins Geschäft gekommen. Das Gericht erhoffte sich von den Angaben des Kronzeugen Einblicke in das Gefüge innerhalb des Drogenhändlerrings. Insbesondere was den Kontakt mit Nicolo M. betrifft, äußerte sich der Kronzeuge jedoch überaus zaghaft – vermutet wird, dass hierbei auch Angst vor einer möglichen Vergeltung eine Rolle spielt. Überhaupt waren die Angaben des 52-Jährigen, im Gegensatz zu den Vernehmungen und den Einlassungen bei seiner Verhandlung, von zahlreichen Lücken geprägt. Angesichts der Tatsache, dass ihm sämtliche weiteren Angeklagten im Rücken saßen, schien dies nicht verwunderlich. In den nächsten beiden Verhandlungstagen sollen weitere Zeugen zu den Vorgängen beim Drogenhändlerring vernommen werden.