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Bei der Radtour zeigt "der grüne Rote" seine Herzensanliegen - und findet mit Feldner Mühle ein neues.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Er ist offenbar so etwas wie der Grüne unter den Roten. Ob Jens Löw, der Bundestagskandidat der SPD im Wahlkreis 286, sein Lieblingsthema, die Natur, in seiner Mutterpartei nicht unterrepräsentiert sieht? "Deswegen bin ich bei der SPD – was da noch fehlt, das möchte ich erfüllen", sagt er, lacht und schwingt sich aufs Fahrrad.

Jens Löw, von Beruf Förster, hat sich ganz viele Themen rund um die Natur als Schwerpunkt für seine Wahlaktion mit dem Schwarzwälder Boten ausgesucht: die Rückkehr des Bibers, die Renaturierung von Gewässern, die Geologie im Schwarzwald-Baar-Kreis. Da wirkt es fast schon wie ein krasser Kontrast zum Tagesprogramm, als dichter Verkehr in beide Richtungen über die Bundesstraße donnert, während die kleine Gruppe von Fahrradfahrern auf dem Radweg in Richtung Villingen fährt.

Für diesen Freitagnachmittag, unterwegs mit der Redaktion des Schwarzwälder Boten, hat sich Löw eine Tour von St. Georgen bis zur Feldner Mühle in Villingen vorgenommen. Bei Peterzell deutet Löw rechter Hand auf ein kleines Naturidyll. Ein Sumpfgebiet, in dem der Biber sich ein Zuhause geschaffen hat, dahinter liegen die Bahngleise, auf deren anderen Seite das große Sägewerk Burgbacher und dann der Wald – solch ein Gebiet fasse eigentlich all das zusammen, wofür die Region stehe: "Diese enge Verzahnung von all diesen unterschiedlichen Funktionen, die haben wir im Prinzip hier ganz oft", sagt Löw. Doch genau hier liegt für ihn im übrigen auch der Hund begraben: Das schaffe häufig Probleme, vernünftige Entwicklungsflächen für unser Gewerbe, für unsere Industrie anzubieten", und deshalb sei auch der Planungs- und Genehmigungsaufwand exorbitant hoch. Abgesehen davon, dass ländliche Regionen wie die hiesigen ohnehin im Wettstreit mit Ballungszentren oft das Nachsehen hätten. Das Positive dabei: Die schöne Landschaft "bei uns" bleibe auch "eine solche".

Das Sägewerk hier gehe seinen eigenen Weg. Es habe den Sägebetrieb weitgehend eingestellt, verkaufe stattdessen vorkommissionierte Handelsware, etwa aus Russland, Tschechien, Polen oder "weiß Gott, woher", so Löw. "Es sind im Prinzip die Hölzer, die man eigentlich hier nicht unbedingt verkaufen will und es ist auch ein Problem für unsere Wirtschaft", meint Löw. Die Gewinnspanne erhöhe sich damit deutlich, "aus Sicht des Sägers kann man das verstehen", räumt Löw ein und setzt dann hinzu: "aber aus ökologischer Sicht, in einer Region, wo so viel Holz ist, ist das natürlich fragwürdig". Politisch müsse man so etwas viel stärker steuern.

Wenig später gerät er aber dann ins Schwärmen. Er strahlt als er das kleine Biotop neben der Bundesstraße beschreibt. "Das ist wunderschön." Die Pflanzen und Insekten, die hier leben, kennt er mit Namen, erzählt vom Rohrschilf und Blutweiderich, vom Weidenbuck, einer gefräßigen Made und Wildbienen, von Pilzkulturen vom Hallimasch und Stockschwämmle, Ameisen und Termiten. Und natürlich vom Biber. Eine abgestorbene Erle markiert einen kleinen Stausee, der Biber habe ihn gemacht, als er das Wasser anstaute, um seine Burg zu bauen beziehungsweise zu fluten.

Detailreich schildert der naturverliebte Jens Löw, wie der Biber hier lebt. Wenn er sich der Natur doch so verbunden fühlt, "warum sind Sie dann ein Roter und kein Grüner?", wird er gefragt. Wenn man Naturschutz wirklich ernsthaft und nachhaltig machen wolle, so Löw, dann könne man das eben nicht "vollkommen losgelöst von allem anderen" sehen. Tun das in seinen Augen die Grünen? "Nein, das vielleicht nicht, aber wenn sie sich über Natur definieren, sind sie meist sehr stark auf einzelne Aspekte konzentriert", er hingegen betrachte das Ganze lieber nachhaltiger und umfassender.

Trotzdem, spielt die Natur in seinen Augen nicht eine zu kleine Rolle in seiner Mutterpartei? "Ja", das räumt er ein und hier sehe er auch sein Einsatzgebiet. Das Bewusstsein sei in der Partei aber sicherlich da, so Löw. "Was wir auf Landesebene in der Zwischenzeit machen in Richtung Mobilität und erneuerbare Energien, das sind die Aspekte, die mir wichtig sind."

Andernfalls ginge unter Umständen unwiederbringlich viel verloren – und das nicht nur, wenn es um die Natur geht. Wenn Jens Löw zurückblickt, dann hat er noch einige Beispiele vor Augen von Orten, wo beispielsweise ein wertvolles Stück Natur verbaut worden sei. "Bei uns in Brigachtal", in Klengen, sei beispielsweise ein Südhang bebaut worden, in der Nähe vom Steinbruch. "Das war ein magerer, trockener Südhang, der war voll mit Frühjahrsküchenschellen", eigentlich "eines der größten Vorkommen, die man überhaupt gehabt hat". Das Gebiet sei bebaut worden, "das konnten wir nicht verhindern". Die Umsiedlung der Küchenschelle sei gescheitert, das habe auch nie wieder jemanden interessiert. Löw aber interessiert das sehr wohl, auch wenn es nichts bringe, hinterher "mit Gott und der Welt zu hadern". "Das einzig Richtige ist, beim nächsten Mal besser dranzugehen", gibt er sich optimistisch.

Kommunikation sei nicht die Stärke der SPD

Überzeugungskraft sei dafür notwendig. Ob die in seinen Augen der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz besitzt? Viele gute Argumente sieht Löw immerhin bei "seinem" Kanzlerkandidaten, aber: "Die Frau Merkel hat eine Wirkung auf Menschen, die ist jenseits von Sachthemen. Weil sie, warum auch immer, die Menschen davon überzeugt, dass sie die Dinge im Griff hat." Wenn man überhaupt etwas erreichen wolle, meint Löw, müsse man "jemanden entgegenstellen, der auch eine emotionale Ausstrahlung oder Wirkung hat – und der Martin Schulz ist halt eher jemand, der an Themen arbeitet, der inhaltlich arbeiten kann, der da vielleicht seine Schwierigkeiten hat." Ist Schulz also der falsche Kanzlerkandidat in Löws Augen? "Ich kann mir eigentlich keinen anderen vorstellen, als Martin Schulz, der, wenn er die Möglichkeit hätte, wirklich gute Sachpolitik machen würde" und mit Erfahrungen auf europäischer Ebene auftrumpfen könne. "Da bringt es nachher nichts, wenn ich ein Charming Boy bin, so ein everybody’s darling – ich muss nachher einfach eine gute und solide Arbeit abliefern."

Ob das reicht? Eine Prognose für das Wahlergebnis der SPD am Sonntag mag Jens Löw nicht abgeben. Ein Problem der SPD beispielsweise sei die Kommunikation. Die Sozialdemokraten seien "viel zu vorsichtig, wenn es darum geht, Themen richtig zu benennen". Dieses Rausarbeiten eines eigenen Profils, "das ich schon seit vielen Jahren fordere, das passiert auf oberster Ebene gar nicht und auf der mittleren, Landes-Ebene auch viel zu wenig – man könnte da viel, viel deutlicher werden", sagt Löw und radelt wenig später in Richtung Steinbruch im Groppertal, zu seinem nächsten Thema, den Gesteinen, voran.

Hier sei die Geologie des ganzen Schwarzwaldes sichtbar, sagt Löw, sichtlich fasziniert. Die süddeutsche Schichtstufenlandschaft des Schwarzwaldes sei so vielfältig wie hier sichtbar: das Granit wie im Feldberg, aber auch Buntsandstein, Muschelkalk und "alles bis zum weißen Jura", sowie Lehm, Gneis, Tonund vieles mehr. Eine Struktur, die zeige, warum hier "alle paar Meter" eine neue Quelle rauskommt". "Deshalb ist hier der Breitenbrunnen". Weiter unterwegs nach Villingen, deutet er wenig später auf ein Gebiet, in dem die Fischweiher liegen, die Löw schon seit seiner Kindheit kennt wie seine Westentasche.

Jetzt, Jahrzehnte später, macht Löw Wahlkampf. Darin hat er schon reichlich Erfahrung, aber: "ich habe mich noch nie so wohl gefühlt in einem Wahlkampf wie dieses Mal", sagt er lachend. Vielleicht auch deshalb, weil er eine ganz andere Einstellungdazu habe als früher. Der Wahlkampf gehe ihm locker von der Hand, und das, obwohl er viel mehr Termine wahrnehme, als bislang. Der unmittelbar nach der Radtour anstehende macht übrigens ganz besondere Freude: Der SPD-Ortsverein empfängt die Radfahrer an der Feldner Mühle und wartet dort mit heißen Würstchen und Getränken auf – und nebenbei findet Löw ein Thema, das ihm wieder mächtig Appetit auf die politische Arbeit macht, denn Hilfe seitens der Politik braucht das engagierte Team dort ganz dringend, das derzeit durch alle Raster für finanzielle Zuschüsse fällt.