Lilli Epp stellt ihre Tätigkeit den Kreisräten vor – eine Diskussion über Sinn und Zweck einer Gleichstellungsbeauftragten bleibt auch dabei nicht aus. Foto: Spitz

Sind Frauen im Landkreis benachteiligt? Oder etwa Männer? Wo die Emanzipation in der Region womöglich Nachhilfe braucht, kommt Lilli Epp ins Spiel, die Gleichstellungsbeauftragte des Landratsamtes im Schwarzwald-Baar-Kreis.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Die Zeiten, als Alice Schwarzer in den Siebziger Jahren mit wehenden Fahnen in den Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen zog, sind vorbei. Und an die Stelle der Feminismusdiskussion ist längst der Ruf nach Gleichberechtigung getreten – "Männer, wir kommen!" ist abgelöst worden durch ein "m/w/d" in Stellenanzeigen, sprachliches Gendern hin oder her.

Braucht es trotzdem noch Beauftragte, die sich extra für Frauenrechte einsetzen? Im Landratsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises hat man diese Frage offenbar verneint – eine Frauenbeauftragte nämlich sucht man vergeblich. Und doch gibt es da jemanden, dessen Aufgabe es ist, mitzuhelfen, das Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen zu wahren.

Epp spricht von einer Gleichstellungsschnecke

Sie heißt Lilli Epp und ist seit Januar 2021 Gleichstellungsbeauftragte im Landratsamt mit Sitz in Villingen. "Als berufstätige Mutter von zwei Kindern, habe ich selbst sehr viel Unterstützung erfahren. Diese Erfahrung möchte ich weitergeben und mich für Chancengleichheit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen," so Lilli Epp bei Antritt ihrer Position. Dass diese Diskussion mittlerweile längst über die Chancengleichheit zwischen beiden Geschlechtern geführt wird, zeigte sich jüngst auch im Verwaltungsausschuss des Kreistags. Dort stellte Lilli Epp vor, was sie im vergangenen Jahr geleistet hat.

"Die Gleichstellungsschnecke schreitet voran", betonte die ausgebildete Justizfachwirtin mit Blick auf die Steigerung der Frauen, die in der Kreisverwaltung eine Laufbahn im Höheren Dienst beschreiten: 2018 waren es noch 26,2 Prozent – ohne Landesbedienstete, bis 2021 habe sich der Wert auf 31,8 Prozent gesteigert. Das Ziel jedoch sei klar, betont Epp: "Fünfzig – fünfzig."

"Ich weiß nicht, was daran erstrebenswert sein soll"

Und weil in ihrem Bericht immer wieder der Fokus auf noch immer geringeren Anteil der Frauen lag, rückte der CDU-Kreisrat und Brigachtaler Bürgermeister Michael Schmitt den Blick selbstbewusst auf die Männer: "Man darf nicht vergessen, dass auch Männer einen Bedarf haben!" Im Gehobenen Dienst schließlich seien 65 Prozent Frauen tätig (2018: 56,8 Prozent), und auch im Mittleren Dienst dominiert das weibliche Geschlecht mit 67,6 Prozent (2018: 65,1 Prozent). "Ich weiß nicht, was daran erstrebenswert sein soll", monierte prompt die Grünen-Kreisrätin Maren Ott und verwies darauf, dass Lilli Epp sicherlich noch viel mehr erreichen könne, wenn sie ihre wichtige Aufgabe nicht zu 50 Prozent in Teilzeit erledigen müsste, "sondern eine volle Stelle hätte". Ein vereinzeltes Raunen in den Reihen des Sitzungssaals bewies: Es gibt sie also doch noch, die Diskussion um die Benachteiligung von Frauen. Auch hier.

Fokus auf die Unterrepräsentierten

In ihrer Arbeit richte sie den Fokus immer auf das gerade unterrepräsentierte Geschlecht, erläuterte Lilli Epp an die durchaus zahlreichen, fragenden Gesichter der Kreisräte gerichtet – auch wenn die lange Liste ihrer Tätigkeiten dann doch das Vorurteil schürte, die Gleichstellungsbeauftragte sei vornehmlich für Frauen im Dienst: An vielen Arbeitsgruppen und Veranstaltungen nimmt Lilli Epp teil, kniet sich in Themen rein wie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, "Fortbildungsangebote für Frauen", die Suche nach geschlechterneutralen Begriffen anstatt vieler vornehmlich "männlicher" Begriffe und Formulierungen, den "Arbeitskreis Frau und Beruf" oder die Initiative Pink, die Hilfe beim Ausstieg für Prostituierte bietet. Herausforderungen, vor die sich – noch immer – vornehmlich Frauen gestellt sehen, weil die Geschlechterrollen oft traditionell besetzt sind.

Dem geschuldet ist wohl auch die Tatsache, dass für viele Frauen die berufliche Karriere schon beendet ist, bevor sie überhaupt beginnen kann, "weil sie keine Teilzeitausbildung finden". Hier setzt nicht ebenfalls die neue Personalentwicklungsstrategie der Kreisverwaltung an: Ausbildungen im Landratsamt sollen künftig vermehrt auch in Teilzeit möglich sein – damit wäre dann auch hinsichtlich der Chancengleichheit, etwa für Mütter, ein kleines Problem gelöst, zumindest teilweise.

Info: Zahlen, Daten, Fakten

2018: 609 Frauen (61,6 Prozent) und 380 Männer (38,4) gehören zum Personal der Kreisverwaltung. In Vollzeit arbeiten 44 Prozent Frauen und 56 Prozent Männer, von den Teilzeit-Beschäftigten sind 86,7 Prozent Frauen und 11,3 Prozent Männer.

2021: 676 Frauen (65,8 Prozent) und 352 Männer (34,2) gehören zum Personal der Kreisverwaltung. In Vollzeit arbeiten 50,7 Prozent Frauen und 49,3 Prozent Männer, von den Teilzeit-Beschäftigten sind 89,6 Prozent Frauen und 10,4 Prozent Männer.

Kommentar: Ja, das braucht’s

Von Cornelia Spitz

Ich bin privilegiert. Nicht, weil ich eine Frau bin, sondern weil ich eine – vergleichsweise – junge Frau bin. Das Recht einen Bikini zu tragen oder Fußball zu spielen, erstritten uns Frauen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nach der Heirat den eigenen Namen behalten dürfen wir seit 1991, nachts arbeiten – fernab von zu Hause – seit 1992. Kurzum: Es geht mir verdammt gut. Ich fühle mich in keiner Weise benachteiligt. Vielleicht ist all das neben einer guten Portion Selbstbewusstsein auch ein Grund dafür, dass ich den Ruf nach mehr Feminismus nicht voller Inbrunst in die Welt hinaus schreien kann? Nein, ich bin nämlich überzeugt: Jeder ist zu einem Großteil seines Glückes Schmied. Aber auch: Mit jedem, der mit Herzblut gegen welches Unrecht auch immer kämpft, wird die Welt ein Stück gerechter. Deshalb: Ja, wir brauchen sie, die Gleichstellungsbeauftragten. Nicht für uns Frauen, sondern für gleiche Chancen – für alle.