Foto: Klinge

Abfindungsstreit zwischen Marcel Klinge und der Bremischen Bürgerschaft erhitzt Gemüter kurz vor Wahltag.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Ausgerechnet am letztmöglichen Tag der Berichterstattung vor der Bundestagswahl flattert die Kopie eines juristischen Schreibens in die Redaktion des Schwarzwälder Boten. Es erzählt von der rechtlichen Auseinandersetzung des FDP-Bundestagskandidaten für den Schwarzwald-Baar-Kreis, Marcel Klinge, mit der Bremischen Bürgerschaft und der FDP-Fraktion.

Marcel Klinge ist nicht nur Bundestagskandidat im hiesigen Landkreis, sondern auch Fraktionsgeschäftsführer der FDP in Bremen unter seiner Chefin Lencke Steiner. Ein Amt, das er nicht mehr ausüben kann, wenn er künftig – was angesichts des sechsten Listenplatzes in Baden-Württemberg zu erwarten ist – als FDP-Bundestagsabgeordneter in Berlin sitzen wird. Dass sich beide trennen müssen, ist folglich klar. Die Frage ist nur wie.

Laut einem Pressebericht des Weserkuriers in Bremen wollte sich Klinge seinen Abschied aus der FDP-Bürgerschaftsfraktion mit einem goldenen Handschlag in Höhe von 100.000 Euro versüßen lassen. Klinge widersprach: "Ich habe nie eine Abfindung gefordert", sagte er. Der Weserkurier berichtete in einem zweiten Artikel ebenfalls, Klinge verzichte mittlerweile auf eine Abfindung, "ohne irgendwelche Zahlen".

Nun aber tauchte besagtes anwaltliches Schreiben vom 5. September auf, das Klinges Anwalt einer Berliner Kanzlei an die FDP-Fraktion Bremen und deren Vorsitzende Lencke Steiner sowie an die Bremische Bürgerschaft und deren Direktor adressiert hatte. Über die Höhe der Abfindung herrschten "unterschiedliche Ansichten" vor, heißt es darin, deshalb habe man den Aufhebungsvertrag noch nicht abschließen können, und weiter: "Herr Klinge ist – nach unserer Auffassung zutreffend – der Meinung, dass Grundlage für Verhandlungen ein Jahresgehalt ist, weil das Anstellungsverhältnis, das im Moment wegen seiner Kandidatur für den Deutschen Bundestag nicht kündbar ist, im Falle der gewährleisteten Rückkehr im günstigsten Fall mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden könnte."

Hat Klinge also doch eine solche Abfindung gefordert?

Hans-Joachim von Wachter, der Direktor der Bremischen Bürgerschaft, will das Verfahren nicht weiter kommentieren, verweist allerdings darauf, dass die Bremische Bürgerschaft kein Vertragspartner von Marcel Klinge sei. Sie springe lediglich dann ein, wenn bei der Fraktion die Liquidation eintrete und es bereits erworbene Versorgungsansprüche gebe – das sei bei Klinge aber nicht der Fall.

In Bremen selbst wurde auch über die Höhe der angeblichen Forderungen heftig diskutiert. Verfolgt man entsprechende Diskussionen im Internet, halten dort viele eine sechsstellige Summe für utopisch und allenfalls das gesetzlich vorgeschriebene halbe bis volle Monatsgehalt pro Jahr der Tätigkeit für angemessen. "Deswegen ist ja die Behauptung, dass ich das gefordert haben soll, völliger Unsinn", sagt Marcel Klinge im Gespräch mit unserer Zeitung am Freitagabend.

Klinge: "Ich habe in keinem Gespräch jemals so etwas gefordert."

Der Schwarzwälder Bote konfrontierte ihn dabei erneut mit der Frage, ob er nun eine Abfindung gefordert habe. Er bleibt dabei: "Ich habe in keinem Gespräch jemals so etwas gefordert." Er habe "die Geschichte mit der Abfindung nicht aktiv vorangetrieben". Im Gegenteil: Seine Chefin Lencke Steiner habe von ihm verlangt, eine Summe zu nennen. Das Gespräch sei ursprünglich als Übergabegespräch geplant gewesen. Da Lencke Steiner dann jedoch eine Arbeitsrechtlerin hinzugezogen habe, habe auch er zwei Zeugen dazu gebeten. Eine Zeugin bestätigt nun im Gespräch mit unserer Zeitung: "Es ging von Dr. Klinge aus in diesem Gespräch gar nicht um irgendetwas Finanzielles", er habe vorgeschlagen, den Vertrag "ganz normal ohne Abfindung" weiterlaufen zu lassen, erinnert sich Caroline Covolo im Gespräch mit unserer Zeitung. Doch Steiner habe darauf beharrt, Klinge solle "eine Summe" nennen und den Anwalt etwas schreiben lassen. "Die Abfindung wurde von Herrn Klinge definitiv nicht thematisiert", sagt auch Benjamin Reetz, ebenfalls Zeuge des Übergabe-Gesprächs und – noch bis Monatsende – Mitarbeiter der FDP in Bremen. Und weiter: "Frau Steiner hat definitiv gefordert, dass Herr Klinge sich dazu positioniert, und er meinte, er könne das nicht ohne anwaltliche Beratung."

Wie konnte ein solches Schreiben jetzt an die Öffentlichkeit dringen?

Wie kompliziert eine solche Bemessung in seinen Augen sein kann, macht Klinge wenig später deutlich. Er sei nämlich der erste Fraktionsgeschäftsführer in Bremen überhaupt, der aus dieser Funktion heraus in den Bundestag gewählt werde, das mache die Sache kompliziert, weil unklar sei, welche Gesetze nun angewendet werden müssten. Mit seinen Vorgängern im Amt des Fraktionsgeschäftsführers könne er daher nicht verglichen werden, wenn es um eine Abfindung gehe.

Ein Resultat all dessen ist offenbar besagtes Schreiben, das nun an die Öffentlichkeit gelangte. Sein einziger Fehler, so Marcel Klinge nachdenklich, sei es wohl gewesen, das erste Gespräch mit seiner Chefin Lencke Steiner und dem Direktor der Bremischen Bürgerschaft überhaupt jemals geführt zu haben. Das Schreiben seines Anwalts habe er erst nach Versand gelesen, so Klinge und mailt der Redaktion zur Untermauerung dessen seinen Schriftverkehr mit seinem Anwalt zu. Ist dieser über das Ziel hinausgeschossen? "Ich bin jetzt auch nicht glücklich mit der Formulierung", sagt Klinge. Er betont aber, dass auch in dem anwaltlichen Schreiben keine Rede von einer Abfindungsforderung sei, sondern lediglich eine "Grundlage für Verhandlungen" genannt werde – "das ist etwas anderes, als wenn ich sagen würde, ich will 100.000 Euro" und weiter: "juristisch ist das, glaube ich, hieb- und stichfest."

Wie aber konnte ein solches Schreiben, von dem nur ein kleiner Kreis wusste, überhaupt nach außen dringen? Und warum so kurz vor der Wahl? Ist all das politisch lanciert in der Absicht, Klinges Ruf kurz vor der Wahl zu beschädigen? Und haben sich Klinges Zeugen um Kopf und Kragen geredet mit ihrer "Zeugenaussage" für Marcel Klinge in dieser Auseinandersetzung, die Marcel Klinge auch mit ihrer Chefin Lencke Steiner führt? Wohl kaum. Ihre berufliche Zukunft wird aller Voraussicht nach ohnehin eine andere sein: Obwohl Lencke Steiner in Bremen Frontfrau der FDP ist, gilt ihre Kandidatur um ein Bundestagsmandat als aussichtslos – die FDP müsste dort bei der Bundestagswahl etwa 13 bis 14 Prozent erreichen, um Steiner den Einzug ins Parlament zu ermöglichen. Klinges Wahlhelfer hingegen bereiten sich schon darauf vor, am Wahlsonntag seinen Einzug in den Bundestag zu feiern.