Die Zukunft auf einem Papierflieger teilen die Gäste, indem sie ihre selbst gebastelten Flugzeuge aufsteigen lassen. Foto: Eich

Google-Chief-Innovation Evangelist Frederick G. Pferdt spricht. Redner will Gäste zu Zukunftsvisionen anregen. Mit Kommentar

Schwarzwald-Baar-Heuberg - Zu einem strahlenden gesellschaftlichen Mega-Event wie in den Vorjahren geriet der IHK-Neujahrstreff in den Schwenninger Messehallen mit der ersten Präsidentin der Industrie- und Handelskammer. Hauptredner Frederick Pferdt aus dem Silicon Valley ließ die Gäste Papierflieger werfen.

Die Stimmung war ausgezeichnet. 2100 Gäste füllten die Reihen im ansprechend gestalteten Ambiente. "Wir leben in einer traditionsreichen, wirtschaftsstarken und innovativen Region, unsere Region ist einzigartig und exzellent", hob IHK-Präsidentin Birgit Hakenjos-Boyd hervor. Sie betonte aber auch, dass die Region zur "großen Gemeinschaft Europa" gehöre und es gelte, im Mai die Weichen für Europa neu zu stellen. Hakenjos-Boyd fand Parallelen zwischen der Region und dem High-Tech-Standort Silicon Valley in den USA mit Konzernen wie Facebook, Google, Apple und Uber. Es gelte, selbstbewusst, mit Stolz und "mit Blick auf unsere Stärken" von den Firmen im Silicon Valley zu lernen: "Scheitern ist nicht immer schlecht. Denn genau diese Denkweise, etwas komplett Neues zu kreieren und das Scheitern in Kauf zu nehmen, hat das Silicon Valley so erfolgreich gemacht."

Statt lange darüber zu grübeln, wie der Fehler passieren konnte, beschäftigten sich die erfolgreichen High-Tech-Unternehmen damit, wie sie es künftig besser machen könnten. Und dies, obwohl sie den Fachkräftemangel noch deutlicher erlebten und sich mit Wellness-Centern für Mitarbeiter, Pro-Kopf-Prämien und Spitzengehältern behaupten wollten. Umgekehrt könne das Silicon Valley von der Region lernen, dass die Stärke der Wirtschaft mit zirka 37.000 Unternehmen zum großen Teil auf dem Können hochkarätiger Fachkräfte beruhe, die nicht nur von Universitäten kämen. Eine Stärke ihrer Arbeit als Präsidentin liege darin, das duale Ausbildungssystem zu stärken. Digitalisierung, so Hakenjos-Boyd, sei eine Chance für den Mittelstand. Sie ermögliche es, Prozesse zu verschlanken und produktiver zu werden. Die Stärke des Mittelstandes liege darin, dass er nah am Kunden sei. Die Präsidentin sprach von Empathie.

Als Unternehmerin stehe sie einer neuen Generation Mitarbeiter gegenüber, die vom "Wertewandel" geprägt sei. "Für die heutige Generation ist die Erwerbsarbeit nicht mehr Lebensinhalt und Quelle der Identifikation."

Bestellerautorin Gaby Hauptmann gab in ihrem Grußwort eine "Liebeserklärung mit Augenzwinkern" an die Region ab, die sie als heimelige Heimat bezeichnete.

"Die Denkweise des Publikums neu programmieren" wollte Frederick G. Pferdt, Chief Innovation Evangelist von Google, dessen unterhaltsamer Vortrag für Erheiterung sorgte. Er gewährte dem Publikum sozusagen ein kostenloses Motivationstraining direkt aus den USA. Gleich zu Beginn ließ er das Publikum in einer Art "Aha-Erlebnis" eine falsche Gleichung erkennen und ermunterte dann, nicht nach Fehlern, sondern nach Positivem zu suchen, beispielsweise, dass immerhin drei von vier gezeigten Gleichungen richtig seien. Es gelte, optimistisch in die Zukunft zu blicken. In Zeiten beschleunigten Wandels sei "exponentielles" Denken gefragt. Mit der Aufforderung an das Publikum, ein Bild des jeweiligen Nachbarn zu zeichnen und es diesem auszuhändigen, schuf er augenblicklich eine heitere Atmosphäre und erklärte, so sei eine "Kultur der Offenheit und des Vertrauens" entstanden. Er regte die Gäste an, sich einen Tag in ihrem Leben in zehn Jahren vorzustellen und unter dem Gedanken "Was wäre, wenn" eine Zukunftsvision in zehn Jahren mit dem Partner zu skizzieren. Diese sollte auf die Rückseite des Blatt Papiers mit dem Porträt des Partners geschrieben werden. "Das Morgen und das Übermorgen kommen schneller als erwartet", erklärte der Professor für Design an der Stanford University. Dann forderte er auf, den Papierflieger in die Menge zu werfen und die Vision mit allen zu teilen. Eine Sensation: So etwas war auf dem IHK-Neujahrstreff bisher noch nie da gewesen.

Kommentar: Papierflieger

Von Marcel Dorer

Rollte in der Vergangenheit beim IHK-Neujahrstreff schon mal ein Smart auf die Bühne in den Schwenninger Messehallen, so genügt heuer ein Papierflieger. Dieses Stück Papier, das unter den Sitzen der Gäste bereit liegt, hat es in sich. Immer wieder nutzt Referent Frederick Pferdt das Blatt. Mal sollen die Gäste ein Porträt des Nachbarn zeichnen, mal Fragen aufschreiben. Doch vor allem sollen sie auf dem Papier ihre Zukunftsvisionen festhalten. "Wie sieht ein Tag in Ihrem Leben in zehn Jahren aus?", fragt Pferdt. "Nur gemeinsam schaffen wir die Zukunft", ist sich der Referent sicher. Deshalb sollen alle ihre Visionen per Papierflieger mit den anderen Gästen teilen. Ein schönes Bild. Denn nur gemeinsam können wir die großen Herausforderungen der Zukunft meistern und Lösungen erarbeiten. Brücken statt Mauern bauen lautet die Devise.