Große Runde im Konrad-Adenauer-Haus: Die schwarz-roten Koalitionsverhandlungen haben begonnen. Foto: dpa

Stimmung gut, Positionen hart: Union und SPD machen nach dem Schnelldurchgang zum Auftakt ihrer Bündnisgespräche auf Harmonie. Doch es dürfte noch rappeln in den nächsten Wochen.

Berlin - Union und SPD sind trotz aller Differenzen mit festem Einigungswillen in den Verhandlungsmarathon zu einer großen Koalition gestartet. „Es ist viel zu tun, und wir packen das jetzt gemeinsam an“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Mittwoch nach den ersten nur 90-minütigen Gesprächen in der 75 Mitglieder starken großen Runde von CDU, CSU und SPD in Berlin. Ihr CDU-Amtskollege Hermann Gröhe bestätigte: „Es war ein guter Start.“ CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt versicherte, beide Seiten wollten das Fundament legen „für eine stabile Regierung in Deutschland für die nächsten Jahren“.

Zunächst sind nun zwölf Arbeitsgruppen mit vier weiteren Untergruppen am Zug. Am 30. Oktober soll es in großer Runde um Europa gehen. Im November sind acht Sitzungen in großer Runde geplant - laut Verhandlungskreisen am 5., 7., 11., 13., 19., 21., 26. und 27. des Monats. Die zweite große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll bis Weihnachten stehen - nach einer Mitgliederbefragung bei der SPD in den ersten beiden Dezemberwochen. Die Kanzlerin kann voraussichtlich am 17. Dezember wiedergewählt werden.

Gröhe sagte, es habe den spürbaren Willen aller Beteiligten gegeben, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche und stabile Regierung in den nächsten vier Jahren zu erarbeiten. Er sagte aber auch harte Kontroversen voraus. Am Ende werde ein „stimmiges Finanzierungskonzept“ für alle anvisierten Projekte stehen.

Dobrindt nannte die Themen Beschäftigung, solide Finanzen und stabile soziale Sicherungssysteme als Eckpfeiler. „Das ist der Maßstab, an dem sich alles auch misst.“ Alle finanzrelevanten Entscheidungen müssten im 75-köpfigen Hauptgremium beraten werden: „Die große Runde löst große Probleme.“ Über das Gesprächsklima sagte er: „Wir haben uns als erstes alle mal umarmt, und es war sehr hilfreich.“ Union und SPD würden als große parlamentarische Mehrheit wahrgenommen. „Wir haben gemeinsam auch die Chance, im Stil zu zeigen, dass große Mehrheiten auch sehr wohl dienlich sein können.“

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sagte: „Es war eine gute Atmosphäre.“ Bis vor kurzem war Kraft die prominenteste SPD-Skeptikerin einer großen Koalition - beim Parteikonvent hatte sie den Verhandlungen mit der Union dann zugestimmt. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nannte die Atmosphäre ebenfalls professionell und freundlich. „Also ich hab' daran nichts auszusetzen. Man kann das weiterversuchen.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte: „Es werden harte Verhandlungen in der Sache werden.“ Er rechne mit einem Abschluss „hoffentlich Ende November“.

SPD besteht auf gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro

Die SPD besteht auf einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro in ganz Deutschland - auch ihre Forderung nach Steuererhöhungen will sie nicht aufgeben. CDU und CSU hatten vor Beginn der Verhandlungen dagegen betont, die Bürger dürften nicht weiter belastet werden. Es werde keine höheren Steuern geben.

Die Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer spielte in der Startsitzung nach Angaben Gröhes keine Rolle. Das Thema werde in der Arbeitsgruppe Verkehr auf der Grundlage des Prüfauftrags der Landesverkehrsminister besprochen. Dobrindt sagte: „Die Pkw-Maut für Ausländer ist gut für Deutschland und gut für die Infrastruktur.“ Der SPD-Verhandlungsführer für Verkehr, Florian Pronold, hatte vor dem Treffen zum Thema Pkw-Maut gesagt: „Mit der SPD wird es keine Belastung deutscher Autofahrer geben.“ Eine Pkw-Maut nur für Ausländer sei außerdem mit EU-Recht nicht vereinbar.

Nach den Worten von Nahles haben sich Union und SPD darauf verständigt, vor den anstehenden EU-Treffen die deutschen Verhandlungspositionen abzuklären. Damit soll sichergestellt werden, dass die nur noch geschäftsführend amtierende schwarz-gelbe Regierung keine Festlegungen gegen den Willen einer künftigen Koalition trifft.

Mit Blick auf die außergewöhnlich große Verhandlungsrunde - bei den Gesprächen über die große Koalition von 2005 bis 2009 waren es nur 32 Unterhändler - sagte Nahles: „Das ist jetzt zwar groß, aber dafür umso stabiler und tragfähiger hinterher.“ Der neue Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) sagte, die Idee sei, möglichst viele Politiker aus unterschiedlichen Sachbereichen jetzt schon zusammenzufassen, um alle strittigen Fragen klären zu können.

Bei der SPD sollen am Ende die 470.000 Mitglieder abstimmen, ob ihnen die Ergebnisse für die Bildung einer großen Koalition ausreichen. Deswegen ist es für die SPD-Spitze wichtig, die Partei in den kommenden Wochen breit einzubinden.