Der Tunnelbau-Weltmarktführer Herrenknecht leidet unter der Corona-Krise. Hier eine Maschine im Einsatz für den Albvorlandtunnel. Foto: Herrenknecht

Herrenknecht-Chef spricht über Corona-Pandemie, Folgen für seine Firma und Handeln der Politik.

Schwanau - Die deutsche Regierung hat auf die Corona-Pandemie mit den richtigen Mitteln und angemessen reagiert: "Wir sind noch mal mit einem blauen Auge davongekommen", sagt Martin Herrenknecht (78), Chef des gleichnamigen Weltmarktführers für Tunnelbau-Bohrmaschinen aus Schwanau im Ortenaukreis. Im Gespräch mit unserer Zeitung beschreibt er, wie die Pandemie sein 5000-Mitarbeiter-Unternehmen überrollte und wann die nächste Viren-Welle drohen könnte.

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Herr Herrenknecht, wie viele Mitarbeiter waren bei Ihnen von Corona betroffen?

Wir hatten insgesamt 14 Fälle in Schwanau und Kehl, wo gut 2200 Mitarbeiter arbeiten. Ischgl spielte auch eine Rolle. Was für uns sehr belastend war: Einer der schwerer erkrankten Kollegen ist gestorben. Die Mehrzahl der Erkrankten konnte es gut wegstecken, zum Glück. Auch in anderen Werken weltweit hatten wir vereinzelte Fälle.

Wie haben Sie reagiert?

Wir waren vorgewarnt, durch unsere Niederlassungen in China. So konnten wir rasch reagieren. Dazu gehörte, dass wir etwa in Schwanau zeitlich entzerrte Schichtbetriebe eingerichtet haben, auch samstags und sonntags. Natürlich kam auch Homeoffice ins Spiel, aber das geht in der Montage oder der Komponentenfertigung natürlich nicht. Als das Robert-Koch-Institut die französische Region Grand Est Mitte März zum Risikogebiet erklärte, konnten wir 182 unserer Mitarbeiter vorsorglich nicht mehr zu unseren Arbeitsstätten kommen lassen. Wir haben das abgefedert, indem wir beispielsweise Löhne voll weiterbezahlt haben und Flexibilisierungen bei Arbeitszeitkonten durchführten.

Hatten Ihre Beschäftigten Angst, als im Werk das Virus ausbrach?

Ja, das haben wir in der akuten Welle im März schlagartig gemerkt, als wir an einem Tag 400 krank gemeldete Mitarbeiter feststellten. Wahnsinn. Das ging ja anfangs einfach per Handy, ohne Besuch beim Arzt. Da haben sich viele vorsorglich erstmal krankgemeldet. Seit Mai haben wir hier in Schwanau keine Fälle mehr, zum Glück. Wir haben ein großes Spektrum von Corona-Schutzmaßnahmen umgesetzt: Hygiene, Abstand, Masken, Schichten. Nur so geht es. Die Masken werden bleiben, bis ein Impfstoff da ist.

Andere Großbetriebe hatten da weniger Glück, wie man bei den Fleischfabriken sieht.

Ja, das ist buchstäblich eine Sauerei. Wenn man sich unüberschaubar Subunternehmen ins Haus holt, kann das passieren.

Wie lief zu Beginn die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden?

Die waren anfangs offensichtlich überfordert. Aber wir haben das am Ende gut hinbekommen. Unterm Strich bin ich sicher, dass wir alle die erste Welle ganz gut gemeistert haben.

Und die Politik?

Die auch. Ich bin überzeugt davon, dass der Lockdown in Deutschland richtig war. Nur so war das in den Griff zu bekommen. Es war hart, aber richtig. Wir sehen das ja jetzt in anderen Ländern, was da schiefgehen kann. Und bei uns waren die Begrenzungen zwar auch richtig einschneidend für die Menschen, aber auszuhalten. Wir haben bei unseren französischen Mitarbeitern gesehen, wie es denen ging. Das war wie Gefängnis mit Freigang. Wir in Deutschland sind mit einem blauen Auge, einem hellblauen Auge, noch mal davongekommen. Auf was es jetzt ankommt: Wir müssen eine zweite Welle unbedingt verhindern. Das würde vielen Betrieben die Existenz kosten. Wir müssen uns für die Zukunft wappnen. Ich bin sicher, dass wir solche Pandemien alle vier, sechs Jahre bekommen können. Deshalb ist es wichtig, dass wir im Medizin- und Pharmabereich sowie bei der Schutzausrüstung die Produktion wieder hierher nach Deutschland zurückholen. Wir können uns keine Abhängigkeiten leisten.

Hat die Herrenknecht AG staatliche Unterstützung über Rettungsschirme in Anspruch genommen?

Da wir auf eine vernünftige Auftragsauslastung zurückgreifen konnten, kam für uns beispielsweise eine generelle Kurzarbeit nicht infrage. Wir haben lediglich in operativen Teilbereichen wie bei den Services, die von Baustellenstopps stark betroffen waren, partielle Kurzarbeit eingeführt. Das betraf insgesamt in der Spitze 193 Mitarbeiter. Diese Phase ist vorbei.

Wie geht es dem Unternehmen wirtschaftlich?

Das erste Halbjahr lief natürlich nicht so rund wie sonst. Wir konnten wegen der Krise nicht den geplanten Umsatz realisieren und es fallen natürlich zusätzliche Kosten an. Das wird uns aber nicht umhauen. Wir haben einen stabilen Auftragseingang und sind ansonsten solide aufgestellt. Wie das Jahr 2020 am Ende abgeschlossen wird, kann heute noch niemand sagen. Aber wir werden ruhig über diese Zeit kommen.

Die weltweit rund 5000 Mitarbeiter halten sie?

Ja, das ist das Ziel.

Sie exportieren 90 Prozent Ihrer Maschinen. Wie kommen Sie an neue Aufträge, wenn die halbe Welt abgeriegelt ist?

Das ist eine echte Herausforderung. Um große Verträge abschließen zu können, muss man vor Ort sein, mit den Leuten dort direkt verhandeln. Das geht über digitale Kommunikation wie Skype nur begrenzt. Deshalb ist es enorm wichtig, dass wir bald wieder überall hinreisen können. Hinzu kommt, dass weltweit gerade alle großen Messen abgesagt oder verschoben sind. Diese Begegnungen mit Kunden und Auftraggebern fehlen auch.

Ihr Rezept für die Zukunft?

Wir sehen die Krise auch als Chance. Wir entwickeln gerade neue Verfahren und Angebote. Etwa für absolut präzise Loch-Bohrungen in knallhartem Fels, wo radioaktiver Abfall sicher tief im Gestein versenkt werden kann. In Finnland läuft da ein Projekt. Auch bei der Geothermie zeigt sich neues Potenzial. Und wir arbeiten an neuer Bohrtechnik für Fundamente für gigantische Windräder im Meer. Selbst in Deutschland gibt es einiges zu bohren, die Deutsche Bahn hat einige Tunnel in Planung. Nicht zuletzt jenen in Offenburg, bei uns vor der Haustüre.

Sie sind vor wenigen Tagen 78 Jahre alt geworden. Wie lange machen Sie noch weiter?

So lange es meine Gesundheit erlaubt, bin ich dabei.