Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bevorzugt Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Foto: dpa

Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hält offenbar wenig von steuerlichen Entlastungen. Den kleinen Leuten will er stattdessen mit staatlichen Investitionen in eine bessere Daseinsvorsorge helfen.

Berlin - Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat Steuersenkungen in deutlicher Form eine Absage erteilt. „Die überwiegende Mehrheit in diesem Land sieht, dass eine Steuerreform, die den Reichen dient, überhaupt nichts nutzt“, sagte Schulz. Der künftige SPD-Vorsitzende Schulz gibt damit eine andere Linie vor als der noch amtierende SPD-Chef Sigmar Gabriel, der sich in der Vergangenheit schon mal dafür aussprach, bei mittleren Einkommen die heimlichen Steuererhöhungen auszugleichen. Dieses Plädoyer für den Abbau der kalten Progression ist in der SPD allerdings umstritten.

Schulz stellte klar, dass er Entlastungen nicht für vordringlich hält. Er sprach sich in einem ZDF-Interview dafür aus, die staatlichen Haushaltsüberschüsse für Investitionen zu verwenden. Wenn der Staat die Überschüsse in gut ausgestattete Schulen, das schnelle Internet und die medizinische Versorgung auf dem Land investiere, gebe die Politik den Menschen mehr zurück „als den ein oder anderen Euro auf dem Konto“.

„Nicht dem allgemeinen Reflex erlegen“

Schulz positioniert sich damit gegen Entlastungen. Dies ist auch deshalb überraschend, weil eine Arbeitsgruppe der Partei, die das Wahlprogramm vorbereitet, nach wie vor niedrigere Steuern für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen und eine Senkung der Sozialbeiträge für Geringverdiener prüft. Obwohl die SPD ihr Steuerkonzept für die Wahl bis Ende vergangenen Jahres vorlegen wollte, sind die Arbeiten noch nicht abgeschlossen. Es wird erwartet, dass der SPD-Kanzlerkandidat darauf Einfluss nimmt. Ein Verzicht auf jede Form von Steuersenkung dürfte schwierig werden. Für Entlastungen sprachen sich vor einigen Monaten der SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann aus, der im Interview mit unserer Zeitung sagte: „Wir wollen die Steuerbelastung für die Leistungsträger unserer Gesellschaft senken – von den Lehrern über die Facharbeiter bis zu den Ingenieuren.“ In Schulz’ Diktion klingt das – bisher – anders.

Der SPD-Finanzpolitiker Lothar Binding hält es für richtig, dass sich der Kanzlerkandidat mit Steuerversprechen zurückhält. „Dass Martin Schulz dem allgemeinen Reflex nicht erliegt, finde ich sehr klug“, sagte Binding unserer Zeitung. Der Bundestagsabgeordnete betonte, dass ein Jahr mit Haushaltsüberschuss noch nicht die Basis für langfristige Steuerreformen biete. Es sei falsch, von der momentan guten Haushaltslage auf die Finanzierbarkeit von Steuerreformen zu schließen. Es komme auf ein tragfähiges Konzept an.

Millionäre sollen nicht begünstigt werden

Die Vorbereitungen zum Wahlprogramm der SPD sahen bisher vor, die Belastung unterer und mittlerer Einkommensbezieher zu reduzieren. Nach Bindings Worten könnten Beschäftigte bis zu einem Einkommen von ungefähr 70 000 Euro entlastet werden. Die Schwierigkeit liege darin, dass von einer Entlastung im unteren und mittleren Bereich alle Steuerzahler profitierten. „Damit würden wir automatisch auch den Millionären helfen“, sagte Binding. Die SPD-Finanzpolitiker sprechen sich deshalb dafür aus, die Tarifentlastung im unteren und mittleren Bereich mit einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes für Spitzenverdiener zu verbinden. Der Spitzensteuersatz liegt heute bei 42 Prozent. Personen mit sehr hohem Einkommen zahlen 45 Prozent.

In der Finanzpolitik kündigt sich im Wahlkampf damit eine unterschiedliche Aufstellung der Parteien an. Die Union will mit dem Versprechen in den Wahlkampf ziehen, die Einkommensteuer für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen zu reduzieren. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) signalisierte für die Zeit nach der Wahl eine Entlastung von 15 Milliarden Euro an. Darüber hinaus will er den Solidaritätszuschlag von 2020 bis 2030 schrittweise auf null zurückführen. Schulz will bisher nicht von Steuerentlastung reden. Er wirbt dafür, dass „hart arbeitenden Menschen“ mehr damit gedient sei, wenn der Staat für eine besserer Infrastruktur sorge. Einblick gewährte der neue Mann an der Spitze der SPD nur in dieser Hinsicht: Große Vermögen sollten nach seiner Ansicht stärker besteuert werden. Nicht festlegen wollte sich Schulz, ob die Vermögensteuer wieder eingeführt wird. Gabriel hatte die Vermögensteuer mehrfach als tot bezeichnet.

In der Finanzpolitik muss Schulz schnell Farbe bekennen. Denn in der großen Koalition ist der Streit noch immer ungelöst, was mit dem Haushaltsüberschuss von 6,2 Milliarden Euro aus dem Jahr 2016 geschieht. Finanzminister Schäuble will damit Schulden tilgen. Die SPD wirbt für mehr Investitionen. Weil die große Koalition zerstritten ist, konnte im Bundestag der Nachtragsetat 2016 nicht verabschiedet werden.