Einstimmig sprach sich der Haiterbacher Gemeinderat im Grundsatz für die Schaffung einer zusätzlichen 50-Prozent-Stelle in Sachen Jugendarbeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus. Der Bedarf ist auf jeden Fall da.
In Haiterbach müssten die Sorgen und Nöte der Kinder und Jugendlichen noch stärker aufgegriffen werden, hatte Thomas Christ dem Gemeinderat zuvor deutlich gemacht. Zusammen mit Schulsozialarbeiter Nils Dickmann informierte der kommissarische Schulleiter über die aktuelle Situation der Schulsozialarbeit an der Burgschule.
Zwar sei die Zusammenarbeit zwischen Schule und Schulträger sehr gut, ebenfalls habe sich die grundsätzliche Stimmung an der Burgschule deutlich verbessert. Fakt sei aber auch, dass „wir Kinder aus der ganzen Welt bekommen“ – mit all den damit verbundenen und manchmal extremen Herausforderungen. Dabei würden die Probleme der Kinder immer abstruser. Thomas Christ wies darauf hin, dass der schulische Erziehungsanteil mittlerweile bei 70 bis 80 Prozent liege.
Wie Schulsozialarbeiter Nils Dickmann berichtete, gebe es „zum Teil schockierende Erzählungen der Schüler“. Themen dieser Gespräche seien unter anderem sexuelle Übergriffe, Suizidgedanken, selbstverletzendes Verhalten, Drogenkonsum oder Trennung der Eltern – und es sei „oft niemand da, der die Kids auffängt“. Dickmann betonte: „Die gehen nach der Schule heim und wissen nicht, was sie tun sollen.“
Für Herausforderungen sorgt ebenfalls die wachsende Zahl an Flüchtlingen, zumal die Integration teilweise sehr langsam und schleppend laufe. Allein zum vergangenen Schuljahr sind 21 ausländische Schüler in die Klassen dazugestoßen, die alle sehr unterschiedliche Wurzeln haben. So berichtete Thomas Christ beispielsweise von einem 13-jährigen Schüler, der kein Wort Deutsch spricht und zuvor noch nie in einer Schule war.
Als weitere große Belastung wird die Zunahme von privaten Problemen bei Kindern und Jugendlichen bezeichnet, die mit in die Schule gebracht werden und zu Konflikten unter den Schülern führen. Mittlerweile drehen sich 90 Prozent aller Gespräche um private Themen und nur zehn Prozent um den schulischen Alltag.
So habe sich die Schule zum ersten Anlaufpunkt für Schüler und Eltern entwickelt, wodurch sich sehr viel vom privaten Umfeld in die Schule verlagere. Diese Fälle kosten viel Aufmerksamkeit, und besonders erschwerend komme hinzu, dass Psychologen und andere soziale Dienste überlastet sind. Familien in Not bekämen nur sehr langsam Hilfe und hätten oft Wartezeiten bis zu neun Monaten.
Immer mehr zu betreuende Fälle
Diese Überlastung führe dazu, dass die Schulsozialarbeit zunehmend mehr betreuende Fälle übernehmen müsse. Deshalb steht nun der Vorschlag im Raum, die Schulsozialarbeit durch einen Jugendraum als niederschwelligen Anlaufpunkt und eine zusätzliche 50-Prozent-Stelle zu entlasten. Wie Nils Dickmann mit Blick auf die Jugendarbeit in den Vereinen unterstrich, könne man viele Probleme „mit Ehrenamtlichen nicht mehr abdecken“. Und so wird die Schaffung einer weiteren Stelle für die Jugendarbeit sowie eine Wiederbelebung des Jugendraums in Haiterbach als entscheidender Schritt gesehen, um den aktuellen und künftigen Herausforderungen der Sozialarbeit gerecht zu werden. Eine frühzeitige Intervention und präventive Angebote würden nicht nur den Schülern helfen, sondern auch die soziale Integration in Haiterbach insgesamt stärken, ist man im Rathaus überzeugt.
„Das ist kein spezielles Haiterbacher Problem“, machte Bürgermeister Andreas Hölzlberger deutlich, dass es in allen Städten Jugendliche gebe, „die durch das Raster fallen. UBL-Rat Uli Seeger fand es ebenfalls wichtig, präventiv tätig zu werden und frühzeitig einzugreifen. Vor dem Hintergrund der Problematik müsse man sogar über eine 100-Prozent-Stelle nachdenken – was Fraktionskollege Hannes Neff ebenfalls als zielführend bezeichnete.
Fördermöglichkeiten einer solchen Stelle abklopfen
Gerhard Gutekunst (UBL) nimmt das Thema zwar auch sehr ernst – tat sich aber angesichts der finanziellen Situation schwer damit, „heute Abend einfach über eine weitere 50-Prozent-Stelle ab 2025 zu entscheiden“, wie es der Beschlussvorschlag zunächst vorsah. In seinen Augen wäre es zunächst sinnvoller, eventuelle Fördermöglichkeiten einer solchen Stelle abzuklopfen.
Für CDU-Rat Thomas Keck fehlen dem Gemeinderat bislang noch die Fakten, was genau das Aufgabengebiet einer Person mit 50-Prozent-Anstellung wäre – und in seinen Augen „gehört ein Projektplan her“.
Nachdem der Gemeinderat am Samstag ohnehin in Klausur geht, um die finanziellen Spielräume des kommenden Stadthaushalts zu beleuchten, fiel jetzt zwar der Grundsatzbeschluss zur Schaffung einer 50-Prozent-Stelle für die Jugendarbeit, doch ein präziser Termin wurde nicht festgelegt.