Um den Lehrermangel auszugleichen, schlägt die Expertenkommission der Kultusministerien tiefgreifende Reformen vor, unter anderem eine größere Möglichkeit zur Mehrarbeit. Doch können Lehrer diese überhaupt leisten? Wir haben an Horbs Schulen nachgefragt.
Der Lehrermangel bereitet Bund und Ländern schlaflose Nächte. Bildungsexperten stellten jüngst sehr dunkle Prognosen aus: Das Problem könnte noch gute zwei Jahrzehnte anhalten. Bis dahin müssen jedoch Lücken geschlossen werden. Doch wie soll das gehen, wenn die Lehrkräfte an Schulen sowohl physisch als auch psychisch bereits am Limit sind.
Eine Expertenkommission der Kultusministerien hat nun tiefgreifende Reformen vorgeschlagen. Die auffallendste davon ist, neben größeren Schulklassen und Fusionen von Schulen, dass Lehrermangel durch Mehrarbeit bestehender Lehrkräfte ausgeglichen werden soll. Vergütet und auf freiwilliger Basis – versteht sich – und möglicherweise über den Ruhestand hinaus.
Lehrermangel auch an Horbs Gemeinschafts- und Realschule
Auch in Horb herrscht Lehrermangel, doch sind auch hier die Zahlen nicht überall gleich schlecht. An der Gemeinschaftsschule Horb ist die Lehrerversorgung „absolut auf Kante genäht“, erklärt deren Rektor Götz Peter auf Nachfrage. „Um eine stabile Unterrichtsversorgung zu gewährleisten, darf eigentlich niemand krank werden, zu Fortbildungen gehen oder aus anderen Gründen fehlen“, fügt er ernst hinzu.
Etwas besser scheint die Situation an der Realschule Horb. „Momentan sind wir noch ausreichend versorgt“, meint Rektorin Heidrun Linka, schiebt jedoch nach, dass man ebenfalls nur begrenzte Kapazitäten habe, um Unterrichtsausfälle zu kompensieren.
Die Möglichkeit zur bezahlten Mehrarbeit, aktuell bis Ende des Jahres möglich – im Rahmen des Förderprogrammes „Lernen mit Rückenwind“, das im Zuge der Corona-Pandemie ins Leben gerufen wurde, scheint ein Weg, die Probleme kurz- oder mittelfristig zu beheben. Allerdings sollte eine Deputatserhöhung im Ermessen der Lehrkräfte bleiben, findet Peter.
Deutlich härtere Worte findet dagegen Linka zur Mehrarbeit: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich eine Deputatserhöhung positiv auf die Lehrergesundheit auswirken wird.“ Neben dem Unterricht seien demnach auch viele andere Aufgaben Teil des Lehrberufs. „Hier noch zusätzlich etwas draufzusatteln halte ich für nicht möglich, ohne dass die Qualität oder die Gesundheit leidet“, mahnt Linka. Damit vertritt sie eine ähnliche Position wie Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne).
Gerade in Naturwissenschaften fehlen die Lehrkräfte
Gerade in Naturwissenschaftlichen, so genannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), aber auch in Fächern wie Kunst, Religion und Musik würden die Lehrkräfte fehlen, erklärt Peter. Er sieht eine Möglichkeit darin, Quereinsteigern mit befristeten Verträge den Einstieg in den Lehrberuf zu ermöglichen, beziehungsweise zu erleichtern. „Damit habe ich in der Tat sehr positive Erfahrungen gemacht.“
Eine andere Maßnahme, findet Linka, ist es Studienplätze auszubauen und Studienbeschränkungen abzuschaffen sowie die Attraktivität des Lehrerberufs durch vermehrte Möglichkeiten von Praktika zu steigern. Einig sind sich die beiden Rektoren in jedem Fall dahingehend, dass in keinem Fall die Unterrichtsqualität unter Reformen leiden dürfe.
„Die Anforderungen und damit verbundenen Mehrbelastungen sind seit Corona gestiegen“, sagt Linka. „Schülerinnen und Schüler brauchen mehr individuelle Betreuung.“ Dass die jedoch bei Mehrarbeit auf der Strecke bleiben könnte, ist nicht ausgeschlossen.
Weitere Informationen
Der Lehrermangel hat ganz Deutschland im Griff. Allein in Baden-Württemberg fehlen laut einer Studie an fast der Hälfte aller Schulen mindestens eine Lehrkraft.
Um dem Problem zu begegnen, hat die Expertenkommission der Kultusministerien einen Katalog an Maßnahmen zusammengestellt, die die Engpässe überbrücken sollen. Unter anderem vorgeschlagen werden darin die Beschränkung der Möglichkeiten zur Arbeit in Teilzeit oder Möglichkeiten zu Mehrarbeit mit finanziellem Ausgleich oder Abgeltung durch weniger Arbeit in späteren Jahren. Ebenfalls vorgeschlagen werden größere Klassen und Fusionen von Schulen.