Italiens Schuldenkrise hat einen heftigen Streit zwischen Brüssel und Rom ausgelöst. Foto: dpa

Die Regierung in Rom zeigt sich im Streit über ihre Haushaltspläne unnachgiebig und riskiert ein EU-Defizitverfahren. Leiden würden darunter zuvorderst die Unternehmen im eigenen Land. Doch wenn Italien in eine Abwärtsspirale geriete, wäre das ein Problem für ganz Europa.

Frankfurt - Nach wochenlangem Streit über die Haushaltspläne der italienischen Regierung droht ein „Basta!“ aus Brüssel: Die EU-Kommission wird an diesem Mittwoch vermutlich ein Defizitverfahren gegen Rom auf den Weg bringen. Das dürfte die Stimmung an den Märkten weiter verschlechtern. Damit besteht die Gefahr, dass das beim Wirtschaftswachstum längst abgehängte Italien in eine Abwärtsspirale schlittert.

Steigende Zinslast

Die Verzinsung italienischer Staatsanleihen hat sich in den vergangenen zwölf Monaten verdoppelt. Für Investitionen in zehnjährige Schuldtitel des Landes verlangen Anleger derzeit eine Rendite von durchschnittlich 3,6 Prozent. Zum Vergleich: Bei zehnjährigen Bundesanleihen begnügen sich die Investoren mit Renditen um 0,4 Prozent, weil sie diese Papiere für weitaus sicherer halten. Zwar ist ein Zinssatz von 3,6 Prozent im langfristigen Vergleich harmlos, Italien hat in der Vergangenheit schon weitaus mehr gezahlt. Doch die steigenden Renditen der Staatsanleihen treiben auch das Zinsniveau für Unternehmenskredite in die Höhe. Sie sind in Italien ohnehin schon seit zwei Jahren rückläufig. „Diese negative Tendenz dürfte sich in den kommenden Monaten fortsetzen und Investitionen sowie das Wirtschaftswachstum dämpfen“, warnt Commerzbank-Analyst Marco Wagner.

Angeschlagene Banken

Die italienischen Banken haben dem Fiskus in Rom riesige Summen geliehen, im Schnitt machen heimische Staatsanleihen laut Commerzbank gut ein Zehntel der Bilanzsumme aus. Die Zweifel daran, ob Italien seine Schulden jemals in den Griff bekommt, führen deshalb zu wachsendem Misstrauen auch gegenüber den Banken. Diese stehen ohnehin unter verschärfter Beobachtung, weil sie auf einem Berg fauler Kredite sitzen. Ungefähr jedes zehnte Darlehen in den Büchern italienischer Banken gilt als ausfallgefährdet.

Ansteckungsrisiken

Eine ausgewachsene Krise in Italien wäre auch für ausländische Geldhäuser problematisch. Besonders französische Banken haben im Nachbarland viel Geld im Feuer: Ihre Forderungen an italienische Schuldner belaufen sich laut Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) auf rund 275 Milliarden Euro. Bei deutschen Banken waren es laut den BIZ-Zahlen, die sich auf Ende Juni beziehen, knapp 80 Milliarden Euro. Auch wegen der Sorgen um Italien sind europäische Bankaktien in den vergangenen Monaten stärker gefallen als der Gesamtmarkt: Der Branchen-Index Euro Stoxx Banks verlor binnen Jahresfrist 27 Prozent, der sektorübergreifende Euro Stoxx 50 zwölf Prozent.

Deutsche-Bank-Aktie auf Rekordtief Allein die Deutsche Bank hatte in Italien Ende 2017 rund 34 Milliarden Euro an Krediten und Anleihen ausstehen. Unter Berücksichtigung der gestellten Sicherheiten und Garantien reduzierten sich die potenziellen Risiken aber auf 16 Milliarden Euro, heißt es im Geschäftsbericht. Der Aktienkurs der Deutschen Bank rutschte am Dienstag zeitweise auf ein Allzeittief, Grund dafür war allerdings ihre geschäftliche Verbindung mit der in einen Geldwäsche-Skandal verstrickten Danske Bank. Die Commerzbank beschränkt sich bei der Darstellung des Italien-Risikos auf ihr Staatsanleihen-Portfolio im Volumen von rund neun Milliarden Euro. Die LBBW bezifferte ihre Forderungen gegenüber öffentlicher Hand, Banken und anderen Unternehmen in Italien zum Jahreswechsel auf knapp zwei Milliarden Euro.

Urteil der Ratingagenturen

Bislang macht die italienische Regierung keine Anstalten, ihre umstrittenen Haushaltsplänen zu ändern. Auch die Herabstufung der Bonitätsnote Italiens durch die Ratingagentur Moody’s im Oktober scheint Rom nicht zu beeindrucken. Dabei rangieren italienische Staatsanleihen bei Moody’s nur noch eine Stufe über Ramschniveau. Konkurrent Standard & Poor’s (S&P) bewertet Italien etwas besser. Dramatisch würde es, wenn alle vier großen Ratingagenturen – neben Moody’s und S&P zählen dazu noch Fitch und DBRS – italienische Staatsanleihen für Ramsch befinden würden. Dann könnte die Europäische Zentralbank (EZB) die Papiere nicht mehr als Sicherheiten für Darlehen an die Geschäftsbanken akzeptieren, was für die italienischen Institute fatal wäre.

Verdeckte Hilfen denkbar

Eine Änderung der Spielregeln für Italien durch die EZB wäre nicht ohne Weiteres möglich. Zwar akzeptiert die Notenbank auch griechische Ramschpapiere als Sicherheiten. Diese Ausnahme wurde aber damit begründet, dass sich Athen für die Milliardenhilfen seiner Euro-Partner strikten Auflagen unterworfen habe. Genau das hat Italien stets abgelehnt. Die meisten Beobachter erwarten, dass Rom eine Eskalation vermeiden und nach der Europawahl 2019 doch noch einen Kompromiss mit der EU-Kommission anstreben wird. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer warnt allerdings vor „verkappten“ Hilfen der EZB. Dort wird über eine mögliche Anschlussfinanzierung für Sonderdarlehen diskutiert, die nächsten Sommer auslaufen. Diese Darlehen waren auf dem Höhepunkt der Eurokrise besonders von italienischen und spanischen Banken abgerufen worden. Eine Anschlussfinanzierung würde deshalb vor allem diesen Ländern helfen, argumentiert Krämer.