Wenn die Schulden nicht mehr zu begleichen sind, hilft oftmals nur noch eins: Das Insolvenzgericht. (Symbolbild) Foto: Buissinne/Pixabay

Wohnen, Auto fahren, Heizen - alles wird teurer. Das einzige, was bei den meisten gleich bleibt, ist das Einkommen. Wem die Schulden über den Kopf wachsen, der ist aber längst nicht verloren. Wie ein Verbraucherinsolvenzverfahren abläuft, verrät Rechtsanwalt Rasmus Reinhardt aus Rottweil.

Oberndorf - Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist in der Regel der letzte Schritt, sich doch noch von angehäuften Schulden zu befreien. Wer kann es unter welchen Bedingungen beantragen, wie läuft das Verfahren ab und was sind die größten Vor- und Nachteile? Rechtsanwalt Rasmus Reinhardt aus Rottweil weiß die Antwort.

Herr Reinhardt, wofür ist das Privat- oder auch Verbraucherinsolvenzverfahren da?

Einen Insolvenzantrag kann stellen, wer zahlungsunfähig ist, also seine Schulden nicht begleichen kann. 

Das Insolvenzverfahren als solches zielt vordergründig darauf ab, dass die bestehenden Schulden einerseits und noch vorhandene Vermögenswerte andererseits geordnet und abgewickelt werden. Gläubigerinteressen werden gebündelt, damit nicht jeder Gläubiger - also jeder, bei dem der Schuldner noch Forderungen offen hat - einzeln an ihn herantreten muss.

Das Verbraucherinsolvenzverfahren sieht besondere Verfahrensregelungen vor für den Fall, dass der Insolvenzschuldner nicht beruflich selbständig ist oder war, seine Vermögensverhältnisse überschaubar sind und keine offenen Forderungen aus Arbeitsverhältnissen mehr gegen ihn bestehen.

Die Insolvenzordnung bietet dem Schuldner außerdem die Chance, nach Absolvierung einer sogenannten Wohlverhaltensphase die Schulden tatsächlich loszuwerden. Es gibt nämlich die Möglichkeit der Restschuldbefreiung.

Was ist die Restschuldbefreiung?

Die Restschuldbefreiung ermöglicht dem Schuldner, dass ihm nach dem Insolvenzverfahren - also nachdem der Insolvenzverwalter vorhandene Werte erfasst und den Erlös an die Gläubiger weitergegeben hat – die noch verbleibenden Schulden erlassen werden. Dann ist man zwar auch erst einmal pleite, aber dafür später schuldenfrei; man kann also nach ein paar Jahren wieder "bei Null" anfangen.

Und wie unterscheidet sich die Verbraucher- von der Regelinsolvenz? Welche Voraussetzungen müssen für ein Verbraucherinsolvenzverfahren erfüllt sein?

Das Verbraucherinsolvenzverfahren bietet auch nicht beruflich Selbständigen - also Verbrauchern - die Möglichkeit, ein Insolvenzverfahren zu durchlaufen und in dessen Folge die Restschuldbefreiung zu erlangen.  Das Verbraucherinsolvenzverfahren unterscheidet sich vom sogenannten Regelinsolvenzverfahren inzwischen im Wesentlichen nur noch dadurch, dass der Schuldner zuvor außergerichtlich über eine geeignete Institution den Versuch einer Schuldenbereinigung unternommen haben muss und dieser Versuch gescheitert ist. 

Die besonderen Vorschriften des Verbraucherinsolvenzverfahrens kommen zur Anwendung, wenn der Schuldner nicht selbstständig ist oder war, keine Forderungen gegen ihn aus Arbeitsverhältnissen bestehen und wenn seine Verbindlichkeiten übersichtlich sind, also nicht mehr als 20 Gläubiger vorhanden sind.

Muss sich der Schuldner in jedem Fall auf ein gerichtliches Verfahren einstellen?

Wer merkt, dass ihm die Schuldenberge so sehr über den Kopf wachsen, dass er sie nicht mehr abzahlen kann, sollte sich einen Schuldenberater suchen. Der muss die vom Gesetzgeber vorgegebenen Voraussetzungen erfüllen, um einen Schuldenbereinigungsversuch im Sinne der Insolvenzordnung vornehmen zu können. Man kann sich hierzu zum Beispiel an das Landratsamt, die Caritas, die Diakonie oder an einen Rechtsanwalt wenden.

Mit deren Hilfe stellt man einen Schuldenbereinigungsplan auf. Das Schuldenbereinigungsverfahren ist also der vorgerichtliche Versuch, sich mit den Gläubigern doch noch einig zu werden. Der Schuldner kann ihnen zum Beispiel Ratenzahlung oder Stundungsregelungen vorschlagen oder auch anbieten, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zumindest einen gewissen Anteil der Schulden abzubezahlen und den Rest erlassen zu bekommen. Viele Gläubiger lassen sich hierauf aber nicht ein, insbesondere wenn der Einigungsvorschlag keine hohen Zahlungen vorsieht. Der außergerichtliche Schuldenbereinigungsversuch kommt aber nur dann zustande, wenn tatsächlich alle Gläubiger ihm zustimmen.

Wie geht es weiter, wenn der Einigungsversuch mit den Gläubigern scheitert?

Die Institution, die den Einigungsversuch durchgeführt hat, stellt eine Bescheinigung hierüber aus. Sie ist mit dem Insolvenzantrag, der dann gestellt werden kann, vorzulegen.

Das Insolvenzgericht prüft dann, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegen, und führt zunächst noch einmal einen weiteren Schuldenbereinigungsversuch durch. Anders als im außergerichtlichen Verfahren kann es das Zustandekommen eines Schuldenbereinigungsplanes beschließen, wenn die Mehrheit der Gläubiger nach Kopf und Forderungssumme diesem Plan zustimmt. Ein solcher Plan hat die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches und der Schuldner kann ihn abarbeiten. Das Insolvenzverfahren ist dann nicht mehr erforderlich.

Kommt ein solcher Plan aber nicht zustande, eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren und bestellt einen Insolvenzverwalter. Die Gläubiger haben dann die Möglichkeit, ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anzumelden; eine anderweitige Durchsetzung der Forderungen ist während des Verfahrens nicht zulässig. Außerdem prüft der Insolvenzverwalter, was der Schuldner noch an Vermögen und pfändbarem laufenden Einkommen hat, und verwaltet diese Werte. Sind die Vermögenswerte verwertet, wird das Insolvenzverfahren abgeschlossen. Der Insolvenzverwalter bedient aus der von ihm verwalteten Masse vorrangig die Verfahrens- und sogenannten Massekosten. Erst wenn diese vollständig bedient sind, werden verbleibende Beträge auf die zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen verteilt.

Wenn die Verfahrenskosten gedeckt sind, wird das, was übrig ist, also auf die Gläubiger aufgeteilt. Und wie kommt der Schuldner danach zur Restschuldbefreiung?

Mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sollte der Schuldner auch einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen. Hier muss er sich – verkürzt dargestellt - verpflichten, während einer sogenannten Wohlverhaltensphase von derzeit drei Jahren den pfändbaren Teil seiner laufenden Einkünfte an einen Treuhänder (üblicherweise der zuvor bestellte Insolvenzverwalter) abzutreten. Auch Vermögen, das er in dieser Zeit von Todes wegen erwirbt, muss er zur Hälfte an den Treuhänder herausgeben.

Der Treuhänder verwaltet - vergleichbar dem Insolvenzverwalter - die sich so ergebenden Beträge und begleicht hieraus vorrangig die Verfahrenskosten, dann anteilig abermals die zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen.

Es wird also in diesen drei Jahren weiterhin versucht, die Schulden abzubezahlen. Hat der Schuldner in dieser Zeit noch andere Pflichten?

Während der Wohlverhaltensphase hat der Schuldner im Gesetz festgelegte Obliegenheiten. So muss er sich zum Beispiel um Arbeit bemühen, dem Treuhänder Auskunft erteilen und darf keine zur Verfahrensmasse gehörenden Werte verheimlichen. Begeht er in der Wohlverhaltensphase keinen Verstoß gegen diese Obliegenheiten, wird ihm am Ende des Verfahrens vom Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung erteilt.

Wem die Restschuldbefreiung erteilt wurde, darf dann die nächsten elf Jahre keinen neuen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung stellen; wird sie versagt, kann ein neuer Antrag erst nach fünf Jahren wieder gestellt werden.

Der Verwalter pfändet also alles vom Ersparten über das Grundstück bis zum Auto? Was darf der Schuldner behalten?

Der Schuldner muss nicht alles abgeben. Eine Grundsicherung muss gewährleistet bleiben. Der Pfändungsfreibetrag vom laufenden Einkommen - also das, was dem Schuldner bleibt - liegt für eine alleinstehende Person ohne Unterhaltsverpflichtungen zum Beispiel aktuell bei knapp 1260 Euro netto im Monat; von Mehrbeträgen verbleibt dem Schuldner auch ein gewisser Anteil. Geregelt wird dies durch die jeweils geltende Pfändungstabelle.

Vergleichbar dem Gerichtsvollzieher darf auch der Insolvenzverwalter nicht die Gegenstände im Haushalt mitnehmen, die einen einfachen Lebensstil ermöglichen. Beispielsweise sind das Bekleidung, Möbel, Fernseher und Küchengeräte. Beim Auto kommt es darauf an, ob der Schuldner darauf angewiesen ist. Wenn er es für den Weg zur Arbeit braucht, wird es ihm natürlich nicht weggenommen. Gleiches gilt auch für sonstige Gegenstände, die der Schuldner zur Ausübung seines Berufes benötigt, zum Beispiel für das Klavier eines Musiklehrers. Und auch das Haustier ist nicht pfändbar.

Ansprüche aus einem geförderten Riester-Vertrag sind ebenfalls nicht pfändbar, sofern die Altersvorsorge durch eine Zulage gefördert worden ist. Erbschaften dagegen gehören grundsätzlich in die Insolvenzmasse. Auch die Lebensversicherung ist ebenso eine zur Masse zu verwertende Position wie ein Sparbuch, genießt aber gegebenenfalls einen besonderen Schutz, wenn sie den Voraussetzungen des Altersvorsorgegesetzes entspricht.

Nach den drei Jahren ist der Betroffene also schuldenfrei. Gibt es aber auch Schulden, die einem in Anschluss an das Verfahren nicht erlassen werden können?

Grundsätzlich von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind Geldstrafen. Wegen nicht bezahlten Unterhalts und Schulden aus unerlaubten Handlungen, zum Beispiel wegen Betrugs oder Schadensersatz, kann der Gläubiger im Rahmen seiner Anmeldung zur Insolvenztabelle geltend machen, dass seine Forderung von der Wirkung der Restschuldbefreiung ausgenommen ist. Wenn der Schuldner dem widerspricht, kann der Gläubiger wiederum die Feststellung, dass eine Ausnahme besteht, in einem gesonderten Verfahren gegen den Schuldner geltend machen.

Ich habe in meiner Kanzlei schon Fälle verwaltet, in denen ein Schuldner 50.000 Euro Schulden aus Straftaten hatte, die dann auch nach Beendigung des Verfahrens weiter gegen ihn Bestand hatten. 

Das Insolvenzverfahren läuft öffentlich ab. Welche Nachteile entstehen dem Schuldner dadurch?

Alle Insolvenzverfahren und die wichtigen gerichtlichen Entscheidungen während des Verfahrens werden auf der Plattform www.insolvenzbekanntmachungen.de öffentlich bekannt gemacht. Dies ist wichtig, da alle Gläubiger die Möglichkeit haben sollen, vom Verfahren Kenntnis zu erlangen und ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden. Diese Seite ist online grundsätzlich für jeden einsehbar, also auch für Arbeitgeber oder mögliche zukünftige Arbeitgeber.

Unabhängig davon sind aber ohnehin die meisten Schuldner durch ihre Forderungen bereits vor dem Insolvenzverfahren in der Schufa erfasst oder auch im Schuldnerregister des Amtsgerichts gelistet. Gerade in die Schufa nehmen potentielle künftige Vertragspartner Einsicht, bevor sie mit dem Schuldner Verträge eingehen. Die Schufa löscht auf Antrag des Schuldners, der die Restschuldbefreiung erlangt hat, die dort bestehenden Einträge üblicherweise erst am Ende des dritten Jahres nach der Erteilung der Restschuldbefreiung. Bis dahin ist es für die Schuldner wegen dieser Einträge oftmals schwierig, wieder einen Kredit zu bekommen; auch die Wohnungssuche kann das erheblich erschweren. Ein Schuldner sollte daher nach Erhalt der Restschuldbefreiung möglichst zeitnah bei der Schufa die Löschung der dort bestehenden Einträge beantragen.

Und die Vorteile?

Man ist nach Erteilung der Restschuldbefreiung schuldenfrei und kann in der Wohlverhaltensphase sogar schon wieder Altersvorsorge betreiben. Außerdem können die Insolvenzgläubiger während des Verfahrens ihre Forderungen nicht gegen den Schuldner durchsetzen, sodass sich der Schuldner nicht vor einem Hauen und Stechen fürchten muss.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die Hauptgründe dafür, dass Menschen sich so stark verschulden, dass nur noch der Weg in das Insolvenzverfahren bleibt?

Sie übernehmen sich mit Krediten und Abzahlungsgeschäften. Viele können nicht abschätzen, welche Folgekosten auf sie zukommen. Scheinbar günstige Kreditangebote ziehen oft hohe Schlussraten nach sich; KFZ-Leasingverträge entpuppen sich als Schuldenfalle, wenn am Auto bei der Rückgabe ein hoher Schaden entdeckt wird, der dann auszugleichen ist.

Andere Gründe sind Arbeitslosigkeit, Scheidungen, aber auch der Internethandel. Online ist das Geld eben doch leichter ausgegeben, als wenn man es im Geldbeutel schwinden sieht.

Oftmals machen auch junge Leute leichtfertig hohe Schulden, weil sie denken, sie müssten alles auf einmal haben: Zwei Autos, Immobilie, Mobilfunkverträge – und alles zu günstigen Zinssätzen finanziert. Wenn dann durch den Verlust des Arbeitsplatzes, Krankheit oder auch Kindererziehungszeiten laufende Einkünfte wegfallen oder geringer werden, können die weiterlaufenden Kreditbelastungen nicht mehr gestemmt werden.