Am 28. Dienstag räumt Gernot Schultheiß seine Schreibtisch im Schulamt in der Lautlinger Straße in Ebingen – der Ruhestand beginnt. Foto: Kistner

13 Jahre lang hat Gernot Schultheiß das Schulamt Albstadt geleitet. Im März wird er 66; am 28. Februar geht er in den Ruhestand.

Albstadt - Viele, mit denen er im Lauf der Jahre von Amts wegen zu tun hatte, nahmen wie selbstverständlich an, einen gelernten Verwaltungsmann oder studierten Juristen vor sich zu haben – was konnte ein Behördenchef auch anderes sein? "Lehrer natürlich", sagt Gernot Schultheiß, "alle Schulamtsleiter in Baden-Württemberg sind Pädagogen." Und man hört heraus, dass er es schlimm fände, wenn es anders wäre: Ein Schulamtsleiter hat – zumindest in der Theorie – die Hand am Puls der Schulbildung und der Schulen; er muss sich in seine Rektoren, Lehrer und nicht zuletzt Schüler hineindenken und -fühlen können. Wie soll das gehen, wenn er nicht von der Praxis herkommt?

Wobei es mit dieser Praxis bei Gernot Schultheiß so eine Sache ist: Er gehört zu den Baby-Boomern; als er 1986 nach dem Referendariat – "mein Schulseminar war das in der Riedstraße" – seine zweite Dienstprüfung bestanden hatte, da kam auf 130 Absolventen seines Jahrgang eine einzige freie Lehramtsstelle. "Das kann man sich heute kaum noch vorstellen." Diese eine freie Stelle wurde nicht mit Gernot Schultheiß besetzt, und so musste der junge Familienvater sich anderweitig orientieren. Lothar Späths Landesregierung hatte just zu dieser Zeit eine Initiative zu Vermittlung arbeitsloser Lehranwärter an die Wirtschaft gestartet; Schultheiß landete in einem Traineeprogramm von Breuninger und anschließend als Verkaufsabteilungsleiter in der Kinderkonfektion – mit 30 Mitarbeiterinnen, die zum Teil wenigstens 20 Jahre älter waren als er und dem Frischling eine Unmenge Berufs- und Lebenserfahrung voraus hatten. "Ich habe gewaltig viel gelernt, über Kleidung und über Menschen – ich profitiere noch heute davon."

Durch den Schönbuch auf die Alb

Danach arbeitete Schultheiß als Ausbildungsleiter im Sindelfinger Breuningerland – altersmäßig entsprach seine Klientel jetzt schon eher der, für die er ausgebildet worden war. Und dann geschah das kaum Erwartete: Im Sommer 1992 kam aus heiterem Himmel das Angebot, in den Schuldienst zu treten. Schultheiß schlug ein, absolvierte die Stationen Holzgerlingen und Waldenbuch – seine Heimatgemeinde – und trat dann den Marsch durch die Institutionen an: Er wurde abgeordneter Lehrer am Oberschulamt Stuttgart, danach Referent Hauptschule am Oberschulamt Tübingen und schließlich Leiter des Amts für Schule und Bildung im Reutlinger Landratsamt. Dort erreichte ihn Ende 2009 die Offerte, an die Front zurückzukehren und die Leitung des erst kurz zuvor gegründeten Schulamts Albstadt-Sigmaringen zu übernehmen. Er nahm an.

Verlässliche Bürgermeister

Das Wasser war kalt: Schultheiß’ Ankunft in Albstadt fiel mitten in die Zeit der Hauptschulschließungen; Pfeffingen, Truchtelfingen und die Lutherschule hatten den schmerzlichen Verzicht auf die Sekundarstufe bereits hinter sich, der Lautlinger Ignaz-Demeter-Schule stand er noch bevor – und der Lammerberg-Grundschule die Schließung. "Schwierig", kommentiert Schultheiß rückblickend – und rühmt in diesem Zusammenhang die Verlässlichkeit und Fairness der Bürgermeister in seinem Schulamtsbezirk. "Was sie sagten, galt – und das ist längst nicht überall so." Ist er zufrieden mit dem Erreichten? In Sachen Gemeinschaftsschule – deren euphorischer Befürworter er eingestandenermaßen war – hat er seine "Grenzen akzeptieren müssen": "Auf der Alb setzt man gern auf das Bewährte." Aber immerhin gibt es heute drei funktionstüchtige und attraktive Gemeinschaftsschulen im Zollernalbkreis – und in Albstadt zwei etablierte Realschulen sowie zwei Werkrealschulen, um deren Zukunft Schultheiß nicht bange ist.

Fachkräftemangel und kein Ende

Grund, sich Sorgen zu machen, gibt es gleichwohl. Die Schülerschaft ist heute wesentlich heterogener als vor 13 Jahren, die Bildungsvoraussetzungen vielfach schlechter – umso mehr individuelle Betreuung und dafür geschultes Personal wäre erforderlich. Aber der Zug fährt in die entgegengesetzte Richtung, Gernot Schultheiß und sein Team verwalten – und bekämpfen – seit Jahr und Tag den Fachkräftemangel, und ein Ende ist nicht abzusehen. Das Problem wird den Nachfolger – Stefan Hipp war bisher Realschulrektor in Hechingen – auf unabsehbare Zeit weiterbeschäftigen.

Und Italien lockt halt doch

Gernot Schultheiß aber geht – mit dem notorischen lachenden und weinenden Auge: Beim Abschiedstermin mit den versammelten Rektoren, 120 an der Zahl, seien ihm in der Tat die Augen feucht geworden – und sein bewährtes Team von der Größe eines mittleren Fußballkaders wird er sehr vermissen. Die Standardfrage "Was bringt der Ruhestand?" mit der Standardantwort des Lehrers – "Lesen, Reisen, Wandern" – zu erwidern fällt ihm nicht ein; er verweist stattdessen auf sein Engagement im Kultur- und im Obst- und Gartenbauverein in Waldenbuch. Allerdings dementiert er auch nicht; die Indizien sprechen zu offensichtlich gegen ihn: Die Wände im Büro, das er am 28. Februar räumen wird, hängen voll mit Fotos von Florenz und der Toskana. Gernot Schultheiß liebt Italien – und er wird im Ruhestand ganz gewiss reisen.