Polizeifahrzeuge stehen vor dem Amtsgericht in Dachau (Oberbayern). Ein Mann hat am Mittwoch während eines Prozesses am Dachauer Amtsgericht einen Staatsanwalt erschossen. Foto: dpa

Schüsse vor Gericht: Können solche Taten verhindert werden? Polizei und Justiz bezweifeln es.

München/Dachau - Mitten im Gerichtssaal erschießt ein Mann den Staatsanwalt. Der Schütze: ein bislang unbescholtener Angeklagter in einem Routineverfahren. Können solche Taten verhindert werden? Polizei und Justiz bezweifeln es.

Neue Debatte um die Sicherheit in Justizgebäuden

Der Todesschütze schweigt zu seiner Tat. Seine Schüsse haben am Donnerstag eine Debatte um die Sicherheit in Justizgebäuden neu entfacht. Der Mann soll sich im Prozess zwar aggressiv verhalten haben. Dass er eine Waffe bei sich trug, mit der er den erst 31 Jahre alten Staatsanwalt erschoss, war keinem aufgefallen.

Die Münchner Staatsanwaltschaft hat bei Gericht Haftbefehl wegen Mordes beantragt. Der 54-Jährige schweigt nach Auskunft von Oberstaatsanwältin Andrea Titz. Er wird psychiatrisch begutachtet. "Wir haben aber bisher keine Hinweise auf psychiatrische Leiden", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Sie rechnete nicht mit der Einweisung des Transportunternehmers in eine psychiatrische Klinik.

Der Mann war am Mittwoch - unter anderem wegen nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge - zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. Er sei mit dem Richterspruch nicht einverstanden gewesen, sagte Oberstaatsanwältin Titz. "Nach unseren Erkenntnissen war es wohl so, dass er aufgebracht war, auch im Umgang mit seiner Verteidigerin." Während der Urteilsbegründung soll der nach einem Schlaganfall körperlich angeschlagene Mann eine kleine Pistole gezogen und mehrere Schüsse - wahrscheinlich fünf - abgefeuert haben. Woher er die Waffe vom Kaliber 6,35 hatte - er besaß sie illegal - ist noch unklar.

Täter "verbal aggressiv, unruhig und gereizt"

"Wir gehen davon aus, dass ein Schuss zumindest in Richtung der Richterbank gegangen ist", sagte Titz zu den Ermittlungen. Zwei Schüsse trafen den 31-jährigen Staatsanwalt. Eine Kugel ging ins Handgelenk und dann in die Hüfte, die zweite drang an der Schulter in den Körper. Der Jurist starb trotz einer Notoperation im Krankenhaus. Seine Leiche sei bereits obduziert, Details dazu wurden aber zunächst nicht bekanntgegeben. Der Staatsanwalt, der erst seit 2011 als Ankläger im Staatsdienst war, lebte in München und hinterlässt seine Ehefrau. Das Paar hatte keine Kinder. "Er hatte ein ausgezeichnetes Examen und war ein hervorragender Kollege", sagte Titz.

Der Todesschütze ist in dem gegen ihn geführten Verfahren als "verbal aggressiv, unruhig und gereizt" aufgefallen, sagte Thomas Dickert, Ministerialdirigent im bayerischen Justizministerium. "Es konnte sich aber keiner vorstellen, dass er tätlich aggressiv wird. Dafür gab es keine Anhaltspunkte." Die "Süddeutsche Zeitung" zitierte am Donnerstag einen Justizbeamten mit den Worten: "Ich hab's gewusst, dass was passieren wird. Der hat sich in der Verhandlung schon aufgeführt und war völlig uneinsichtig. Er hat sogar seine eigene Anwältin angeplärrt."

Bayerns Justizministerin: Aus Gerichten keine Trutzburgen machen

Während Gewerkschaften und Strafverteidiger strengere Kontrollen in Gerichtssälen fordern, hält Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) die bestehenden Sicherheitsbestimmungen für ausreichend. "Es herrscht ein breiter Konsens, dass wir aus den Gerichten keine Trutzburgen machen, uns nicht abschotten wollen", sagte sie. Auch der Münchner Generalstaatsanwalt Christoph Strötz sagte, es sei nicht möglich, eine Gerichtsverhandlung vollständig abzuschotten. "Sozusagen in Geheimjustiz zu verhandeln, das wollen wir nicht, und diese Sicherheit werden wir nicht herstellen können", sagte Strötz im Bayerischen Rundfunk. Auch die Polizeigewerkschaft hält generell verstärkte Kontrollen für überzogen. Allerdings brächten schon kleine Maßnahmen wie eine Abgabepflicht für Jacken und Taschen mehr Sicherheit, sagte der bayerische Landesvorsitzende Hermann Benker.

Polizeigewerkschaft fordert Sicherheitsschleusen

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hingegen forderte zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen auch für Amtsgerichte. "Es wird Zeit, dass endlich auch in den Amtsgerichten Sicherheitsschleusen aufgestellt werden", sagte der GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Freitag). In Justizgebäuden setze sich "eine Tendenz zur Verrohung fort, die unsere Polizistinnen und Polizisten in ihrem täglichen Einsatz auf den Straßen erleben müssen". Auch der an Gerichten in ganz Deutschland tätige Strafverteidiger Harald Baumgärtl forderte strengere Kontrollen. "Es wird viel zu wenig bei uns kontrolliert", sagte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Es ist ohne weiteres möglich, dass ein Mensch mit einer Zehn-Kilo-Bombe in ein Gerichtsgebäude kommen kann."