Der Schramberger Burgweg. Foto: Dold

Anwohner sehen starke Niederschläge als Grund an. Flächen wachsen immer stärker zu.

Schramberg - Ziegen als Ursache für den Hangrutsch am Burgweg? Hier widersprechen einige Anwohner des Burgwegs vehement, nachdem Howard Nagel ein solches Szenario ins Spiel gebracht hatte.

"Erdrutsche hat es hier auch schon gegeben, als noch weit und breit keine Ziegen in Sicht waren", sagt Rita Kässer. Sie ist mit mittlerweile 91 Jahren die älteste Anwohnerin des Burgwegs und hat dort schon viel erlebt.

Sie widerspricht Nagels These ebenso wie ihre Nachbarn Lothar und Inge Broghammer. Im Gegenteil: "Wir sind froh, dass die Ziegen hier sind", sind sich die drei einig.

Rita Kässer erinnert sich an vier Erdrutsche in unmittelbarer Nähe. Der erste sei zwischen 1940 und 1946 beim Haus Scherrmann erfolgt. "Wie ein braun-roter Griesbrei war das damals", erinnert sich die frühere Lehrerin am Gymnasium Schramberg. Der zweite Erdrutsch war zwischen 1969 und 1973 beim Haus Ginter zu verzeichnen. Es folgte der schwere Hangrutsch an Weihnachten 2012 bei der "Schönen Aussicht" – und nun eben der vierte vor wenigen Tagen.

Die Anwohner treibt eine ganz andere Befürchtung um: Dass die Ziegen vom Schlossberg abgezogen werden, wenn sie als nicht erwünscht angesehen werden. "Dabei brauchen wir die Tiere doch dringend, da sonst alles zuwächst", sagt Rita Kässer und zeigt Fotos, wie der Berg vor Jahrzehnten aussah.

Oberhalb des Burgwegs waren die Flächen noch nicht bewachsen. "Das ist traurig, wenn man seine Heimat gern hat und dann alles immer mehr vergammelt", beklagt sie mit Wehmut in der Stimme. Einst wurden die Hänge noch per Handsense abgemäht und Heu und Öhmd auf dem Rücken nach unten transportiert. "Früher war alles so schön frei", sagt Rita Kässer. Heute müsse man gegen Moos und Farn ankämpfen.

"Der Schlossberg ist nun einmal ein Wasserberg", sagt Lothar Broghammer. So sei unter dem früheren Haus seiner Familie, das 1970 abgerissen wurde, eine Wasserrinne durch den Keller gelaufen. "Der Bagger ist bei Bauarbeiten früher kaum noch aus dem Morast gekommen", erinnert er sich.

Entlang des Burgwegs gibt es mehrere Brunnen, die dauerhaft Wasser führen. Wenn es fünf bis sechs Tage Dauerregen gebe, sei der ganze Berg total aufgeweicht, sagt Inge Broghammer. Dann schieße beispielsweise Wasser aus einem Rohr im Berg.

Daher ist für die Anwohner klar, dass die ergiebigen Niederschläge der Grund für den jüngsten Erdrutsch waren und nicht die Ziegen, wie von Howard Nagel vermutet. "Die tun mir leid, weil sie an den Dornen herum fressen müssen", sagt Rita Kässer.

Die Anwohner des Burgwegs hatten es unterdessen schon immer etwas schwerer als anderswo. So mussten sie einst selbst ein unterirdisches Rohr verlegen, um an die Kanalisation angeschlossen zu sein. Zuvor floss Wasser und so mancher Unrat durch eine Rinne – den so genannten "Spätzlegraben", da sich der ganze Müll anschließend in einem Graben sammelte, was nicht sehr wohlriechend war.

Doch die Burgwegler verstehen es, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen – beispielsweise beim Richten des Kirchenbrünnele bei St. Maria, das die Bürgervereinigung übernimmt. Dieses muss vom Müll befreit und aufgrund der Feuchtigkeit jedes Jahr im Frühling neu gestrichen werden.

Doch davon lassen sich die Burgwegler nicht beirren: Schließlich haben sie eine traumhafte Aussicht auf die Stadt und können abends das Lichtermeer genießen.