Ein unklarer Tathergang sorgt für einen Freispruch vor dem Amtsgericht Oberndorf. Foto: Archiv

Vermeintliches Opfer selbst "kein unbeschriebenes Blatt". Widersprüchliche Zeugenaussagen.

Schramberg - Im Zweifel für den Angeklagten: Nach diesem juristischen Grundsatz hat das Amtsgericht Oberndorf gehandelt und einen 25-Jährigen vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen.

Im Oktober 2017 soll der in Lauterbach wohnhafte Angeklagte beim City-Hochhaus gemeinsam mit zwei weiteren Tätern ohne offensichtlichen Grund mit Fäusten auf einen 45-jährigen Mann eingeschlagen und, als dieser am Boden lag, weiterhin auf ihn eingetreten haben. Ganz anders lautet allerdings die Aussage des 25-Jährigen: Er habe die Auseinandersetzung nicht begonnen, sondern sich lediglich gegen den Angriff des vermeintlichen Opfers verteidigt. "Er hat ihn mit einem Messer an der Hand verletzt", übersetzte eine Dolmetscherin die Aussage des Angeklagten.

Auf die Frage des Richters, warum es zu dem Gefecht gekommen sei, erklärte der Lauterbacher, der 45-Jährige habe es eigentlich auf seinen Kumpel abgesehen gehabt. Das vermeintliche Opfer habe diesen aufgefordert, eine wohlhabende Frau nackt zu fotografieren, um sie damit erpressen zu können. "Der Kumpel wollte das nicht."

Polizei per Anruf alarmiert

Die Polizei wurde am Tattag per Anruf auf die Schlägerei aufmerksam gemacht, der Angeklagte sei allerdings kurz darauf auf dem Revier erschienen und habe erzählt, von dem 45-Jährigen, der den Schramberger Beamten bekannt ist, angegriffen worden zu sein und zeigte Schnittverletzungen an der Hand vor.

Ein Sachbearbeiter habe den Angeklagten wie den vermeintlich Geschädigten später auf dem Revier vernommen. Die beiden Freunde des Angeklagten – die mutmaßlichen Mittäter – konnten nicht befragt werden, da ihr Aufenthaltsort unbekannt sei.

Der 45-Jährige habe beim Verhör bei der Polizei gesagt, der Angeklagte habe sich die Schnittwunden an der Hand selber zugefügt. In der Verhandlung behauptete er allerdings, der 25-Jährige habe sich diese bei einem Drogendeal in Villingen-Schwenningen zugezogen. Der Schramberger sagte außerdem aus, er habe am Tattag in dem Dönerladen im City-Hochhaus Essen gehen wollen, sei dort auf den Angeklagten und seine Freunde getroffen und habe ihnen vorgeworfen, mit Drogen zu handeln. Daraufhin hätten diese ihn niedergeschlagen und auf seinen Kopf eingetreten. Eine offene Wunde an der Schläfe und am Mund sowie Prellungen am ganzen Körper habe er erlitten, las die Staatsanwältin in der Anklageschrift vor.

Opfer ist selbst "kein unbeschriebenes Blatt"

Das vermeintliche Opfer ist jedoch selbst "kein unbeschriebenes Blatt". "Er ist seit 20 Jahren in Schramberg sehr bekannt, weil er dauernd straffällig wird", erzählt ein Polizeikommissar. Er habe sich unter anderem Körperverletzung, Erpressung und Stalking zu Schulden kommen lassen. Insgesamt vier Jahre habe er in Haft verbracht, summierte der Richter. "Er ist hier Stammgast."

Entlastet wurde er allerdings von einer 55-jährigen Zeugin, die gesehen haben will, wie der Angeklagte und die beiden Mittäter auf den bei der Tür des Dönerladens stehenden 45-Jährigen zugegangen seien und ihn ohne Vorwarnung geschlagen hätten. Einer der Täter solle außerdem eine leere Bierflasche aus dem Laden geholt haben, um sie dem vermeintlichen Opfer auf den Kopf zu schlagen. Diese Bierflasche habe sie ihm aus der Hand genommen.

Fraglich erschien jedoch, dass sie gegenüber der Polizei einen anderen Grund für ihre Anwesenheit beim Kebabladen nannte als vor Gericht. Außerdem widersprach sich ihre Schilderung des Tathergangs mit der des vermeintlichen Opfers. Sie behauptete auch, unmittelbar nach dem Vorfall ausgesagt zu haben. Der Sachbearbeiter der Polizei meinte jedoch, sie sei erst vom vermeintliche Opfer bei dessen Verhör als Zeugin ins Spiel gebracht worden. Außerdem sei ihm bekannt, dass sie "öfters mal zu tief ins Glas guckt".

Die Staatsanwältin hielt schlussendlich fest: "Man kann nicht sagen, wer begonnen hat." Der vorgeworfene Sachverhalt habe sich nicht eindeutig bestätigt und auch die Aussage des Angeklagten konnte im Rahmen der Beweisaufnahme nicht widerlegt werden. Hinzu komme, dass die Zeugen widersprüchliche Aussagen gemacht hätten und beide keine besondere Glaubwürdigkeit besäßen. Sie beantragte daher einen Freispruch. "Die Sache stinkt zum Himmel. Ich will nicht sagen, dass der Angeklagte unschuldig ist. Aber wir tappen im Dunkeln und keine weiteren Beweise bedeuten einen Freispruch", schloss sich der Richter der Forderung der Staatsanwältin an.