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Werner Mezger spricht über Europa

"Kann man überhaupt von einem Europa sprechen?" – dieser Frage widmete sich Werner Mezger in seinem facettenreichen Vortrag über "Europa als kulturelle Herausforderung".

Schramberg. Schnell wurde den Zuhörern klar, dass Europa mehr ist als ein Kontinent oder ein Zusammenschluss mehrere Länder zur Europäischen Union. Susanne Gwosch, Leiterin der VHS Schramberg, begrüßte die Gäste in der Aula des Gymnasiums. Für uns sei Europa mit all seinen Vorzügen wie der einheitlichen Währung, den offenen Grenzen und dem Frieden bereits selbstverständlich, betonte sie.

Referent Mezger erläuterte, die kulturellen Dimensionen Europas, begonnen mit der Frage nach dessen geistigen Wurzeln über die verschiedenen existierenden Konzepte bis hin zu den Zerreißproben, denen Europa zurzeit und auch in naher Zukunft ausgesetzt ist.

Mezger ist Professor für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie an der Universität Freiburg und Direktor des Freiburger Instituts für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa (IVDE). Zudem erlangte er durch zahlreiche Buchveröffentlichungen sowie Rundfunk- und Fernsehsendungen Bekanntheit.

Im März des vergangenen Jahres hielt Mezger bereits einen Vortrag zum Thema "Heimat" in Schramberg. Auf diesen kam er auch in seinem Vortrag über Europa mehrmals zu sprechen. Betrachte man die Welt aus gebührendem Abstand, etwa aus dem Weltall, dann könne man anhand der Lichteransammlungen genau erkennen, wo sich Europa befinde. Und auch große Metropolen seien klar erkennbar. Doch dass dieses Europa ein größeres Problem darstelle, als man zunächst denke, erörterte Mezger in seinem Vortrag anhand konkreter Beispiele sowie vieler Bilder und Darstellungen.

Das Problem beginne bereits bei der Bezeichnung Europas als Kontinent. Geographisch gesehen ist Europa kein alleinstehender Kontinent, sondern der eurasische Subkontinent. Was die Frage aufkommen lässt, wodurch Europa im Osten begrenzt wird. Schnell wird klar, die Grenzziehung im Osten ist menschengemacht.

Neben Europa als geografischem Raum und geschichtlichem Gebilde zeigte Mezger die Sichtweise Europas als politischen Verbund, wirtschaftlichen Zusammenschluss sowie als Werkgemeinschaft und kulturelle Einheit auf. Unter den unterschiedlichen Sichtweisen erfahre die Definition Europas immer wieder eine Veränderung: So gehöre die Türkei zwar unter dem geschichtlichen Aspekt nicht zu Europa, unter dem Aspekt des wirtschaftlichen Zusammenschlusses jedoch schon.

Konfliktpotenzial

Zu den Symbolen Europas zähle neben den zwölf Sternen auf blauem Grund und der Kathedrale Santiago de Compostela natürlich auch der Euro. Mit der Einführung des Euros entstand der Glaube, dass die gemeinsame Währung die europäische Identität vollende. Doch beinhalte sie auch viel Konfliktpotenzial. Anhand der Scheine erläuterte Mezger die Semiotik des Euros, so stünden die Brücken und Tore auf den beiden Scheinseiten für die Verbindung und Öffnung. Durch diese Vereinheitlichung ging die nationale Semiotik der alten Währungen verloren, nur auf den Euro-Münzen sind nationale Symbole eingraviert. Doch nicht nur das Aussehen der Währungen weise nationale Unterschiede auf, so Mezger, auch der Umgang mit Geld sei eine Kulturtechnik, die von Region zu Region variiere. Dass diese Unterschiede mit einer einheitlichen Währung aufgehoben würden, sei eine unrealistische Vorstellung.

Auch die Sprachgrenzen, etwa in der mehrsprachigen Schweiz, erwähnte Mezger. Zu Ende seines Vortrags erklärte er die Entstehung der Kalenderform, wie wir sie heute kennen und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass auch in Europas Zukunft die Lichter nicht ausgehen.