Der Junghans Terrassenbau erstrahlt nach zweijähriger Renovierungsphase in neuen Glanz. Ein Schrägaufzug an der Außenseite bringt die Besucher zu den einzelnen Terrassen. Foto: Matthias Hangst/Getty Images

Ehemaliger Junghans-Bau behutsam saniert. Neuer Schrägaufzug. Eröffnung am Freitag, 15. Juni.

Schramberg - Die Geschichte der Stadt Schramberg ist untrennbar mit dem Namen Junghans verbunden. In einem der markantesten Gebäude, befindet sich jetzt das neue Junghans Terrassenbau-Museum, das am Freitag, 15. Juni, mit einem Festakt für geladene Gäste eröffnet wird.

Es ist keine verstaubte Sammlung von Zeitmessern, sondern eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der Uhrenfertigung im Schwarzwald vom 18. Jahrhundert bis heute. Die Möglichkeiten zur Interaktion, Hörstationen und Filme machen den Besuch zu einem besonderen Erlebnis, heißt es in einer Mitteilung.

Erstellt wurde das Museumskonzept vom Atelier Brückner aus Stuttgart sowie von Arkas Förstner von "föndesign" aus Schramberg. Die Projektleitung der Instandsetzung und der technischen Modernisierung des Gebäudes lag bei Architekt Jürgen Bihlmaier vom Schramberger Architekturbüro Rapp-Bihlmaier.

Der Terrassenbau bildet den ebenso ungewöhnlichen wie passenden Rahmen für das Uhrenmuseum. Das imposante Gebäude wurde für dieses Museum unter Denkmalschutzgesichtspunkten zwei Jahre lang mit hohem finanziellen Aufwand restauriert.

In dem einzigartigen Industriebau haben die Junghans-Mitarbeiter seit der Errichtung 1918 viele Millionen Zeitmesser gefertigt – Wecker, Großuhren und Kleinuhren. "Es könnte keinen geeigneteren Ort für diese Präsentation geben", sagt Hans-Jochem Steim, gemeinsam mit seinen Kindern Hannes Steim, Annette Steim und Cathrin Schroer (geborene Steim) Eigentümer der Immobilienverwaltung Geißhalde GbR, die Eigentümerin des Junghans Terrassenbaus ist.

Jeder Raum in diesem Gebäude aus der Feder des erfolgreichen Stuttgarter Architekten Philipp Jakob Manz atmet Uhrengeschichte. Die Besonderheit dieses für damalige Zeiten hochmodernen Produktionsstandorts an der Geißhalde: Die schmalen langen Räume sind so gestaltet, dass fast alle Arbeitsplätze direkt am Fenster liegen.

Fahrt mit Schrägaufzug

Über neun Terrassen erstreckt sich die Ausstellung – sie beginnt im neu gebauten Foyer beim Parkplatz, wo früher die Junghans Kantine stand. Ein Schrägaufzug an der Außenseite des Gebäudes bringt die Besucher ins oberste Stockwerk, alleine diese Fahrt ist schon ein Erlebnis und die erste Attraktion. In den Terrassen neun bis sieben und fünf befindet sich die Sammlung Engelmann, dort werden die Besucher in die Anfänge der handwerklichen Uhrenherstellung im Schwarzwald zurückversetzt. Es sind aber nicht nur Uhren, sondern auch Orchestrions und Musikspielautomaten zu sehen.

Heinrich Engelmann aus Vechta in Niedersachsen hat über Jahrzehnte diese Sammlung geschaffen, viele der Exponate aufwendig restauriert und teilweise sogar originalgetreue Teile für Mechanik und Gestell gefertigt. Für das Junghans Terrassenbau Museum konnte Steim diese Sammlung mit Ausstellungsstücken vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert erwerben. Besonders sehenswert sind die Automatenuhren.

Die Firma Junghans war zu ihrer Blütezeit mit rund 10 000 Mitarbeitern nicht nur der größte Arbeitgeber in der Stadt, im Umfeld des Unternehmens entwickelte sich über Jahrzehnte auch eine innovative Zulieferindustrie.

In Terrasse vier gibt das Museum Einblick in diese Branche, die in erster Linie Uhrfedern hergestellt hat. Anders als Schwarzwalduhren oder Wiener-Regulatoren hatten die Junghans-Regulatoren nämlich keinen Gewicht-, sondern einen Federaufzug.

Firmengründer Erhard Junghans war deshalb auf zuverlässige Lieferanten für diese Produkte angewiesen. Er unterstützte die Ansiedlung von Firmen und leitete damit die Industrialisierung ein. Noch heute existieren einige der Betriebe, die als Junghans-Zulieferer gegründet wurden – der größte und bekannteste ist Kern-Liebers. Zu dieser Unternehmensgruppe gehören mittlerweile auch mehrere ehemals selbstständige Junghans-Zulieferfirmen wie Carl Haas, Franz Josef King und Bruker-Spaleck (früher Pfaff & Schlauder).

Herzstück

Gezeigt werden Spiralfedern, Triebfedern und Rollfedern sowie die Bandbreite der Anwendungen unter anderem zum Aufwickeln von Hundeleinen und Staubsaugerkabeln oder in Sicherheitsgurten. Ebenfalls Teil der Ausstellung in Terrasse vier ist der Bereich Quarze. In den 1970er-Jahren begann der Siegeszug der Quarzuhren, damit stieg auch der Bedarf stetig an.

Das Herzstück des neuen Museums erreichen Besucher in Terrasse drei. Dort wird in einer spannenden Darstellung die Geschichte der Familie und der Firma Junghans erzählt. Dabei geht es nicht "nur" um Uhren, sondern ebenso um die Bedeutung der Familie für die Entwicklung der Stadt.

In den Vitrinen sind eindrucksvolle Dokumente der Junghans-Historie zu sehen, beispielsweise die frühen Uhren aus den 1870er-Jahren nach amerikanischem Vorbild, unterschiedlichste Wecker, Taschenuhren, mechanische Großuhren, elektrische Uhren, Armbanduhren, Quarzuhren sowie Funk- und Solaruhren.

Daneben beleuchtet die Ausstellung Themenbereiche, etwa den 1916 bis 1918 errichteten Terrassenbau als architektonisches Meisterwerk, Forschung und Entwicklung an der Geißhalde, das internationale Engagement des Unternehmens mit Filialen und Niederlassungen beispielsweise in Italien, Frankreich und den USA, die Übernahme durch den Diehl-Konzern im Jahr 1956 sowie die Rolle im Zweiten Weltkrieg und die Demontage. Am Ende steht, nach der Insolvenz, 2009 die Übernahme durch die Unternehmerfamilie Steim.

Aktuelles Uhrendesign bildet den Abschluss der Ausstellung in Terrasse zwei, hier befindet sich der Junghans Shop mit dem Werksverkauf. Auf die Besucher warten die aktuellen Kollektionen von Junghans aus den Serien Meister, Meister Pilot, Meister Driver, Max Bill, Junghans Form sowie Funk und Solar. Die Terrasse sechs ist als einzige nicht offen zugänglich, sie dient als Magazin. Hier sind Produkte aus dem Hause Junghans gelagert zur laufenden Dokumentation und wissenschaftlichen Aufarbeitung.

Zu einem späteren Zeitpunkt soll im vorgelagerten Hochbau noch ein Café eröffnen.