Volkstrauertag: Gedenktafel für vertriebene Familie des ehemaligen Pfarrers Karle in Tennenbronn enthüllt
"Die Familie Karle ist wieder bei uns in Tennenbronn angekommen" – so hat Robert Hermann die Stimmung nach der Enthüllung der Gedenktafel zur Erinnerung an die Familie Karle am Volkstrauertag zusammengefasst.
Schramberg-Tennenbronn. Zuvor hatte Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr mit dem Vorsitzenden im Heimathaus die Tafel zur Erinnerung an die Familie Karle vor der evangelischen Kirche in Tennenbronn enthüllt, zu der Widmung "einem Freund" des Musikvereins Frohsinn. Sie dankte den Mitgliedern im Heimathaus für die Aufarbeitung der Zeit im Nationalsozialismus in Tennenbronn und die Ehrung der 1939 vertriebenen Familie des evangelischen Pfarrers. Der Projektchor "Just Singing" mit Gitarrist Reinhard Günter sah darin einen "Weg ohne Wiederkehr".
Robert Hermann hatte bei der Gedenkfeier einige Passagen aus dem neuen Buch "Das Leben im Nationalsozialismus in Tennenbronn" vorgelesen. Darin berichtet ein Zeitzeuge von einem unerwarteten Treffen mit einem Freund aus dem Ort an der Front in Russland. Alles Schönreden lasse nicht vergessen, welches Leid Kriege verursachen. Deshalb gelte es, sich für Freiheit und Menschenrechte einzusetzen.
Grundstein für Zukunft der Erinnerung gelegt
Durch einen Zufall konnte Stadtarchivar Carsten Kohlmann einen Kontakt zum Sohn von Annemarie Karle und ihrem Mann Wilhelm Karle, der bis zu seiner Ausreise nach England 1939 Pfarrer in Tennenbronn war, knüpfen. Hellmut Karle ist 1932 hier geboren, lebt heute in Frankreich und hat seinen Geburtsort im April 2016 besucht. Zur Gedenkfeier konnte der 83-Jährige nicht kommen, weil er kürzlich gestürzt sei.
Nach ihrer Flucht konnte die Familie in England wieder Fuß fassen und Wilhelm Karle war am 27. November 1949 zu Besuch in seiner ehemaligen Gemeinde. An diesem Tag wurden die neuen Glocken in der Kirche eingeweiht, die "ein Geläute des Friedens sein und bleiben" sollten, wünschte sich damals Wilhelm Karle.
Mit dem Mut, sich 70 Jahre nach Ende der NS-Zeit dem Thema auf örtlicher Ebene zu widmen und einen Blick auf das Geschehen und die Schicksale zu werfen, "hat die Projektgruppe für die Zukunft der Erinnerung in ihrem Stadtteil den Grundstein gelegt", hob Carsten Kohlmann die Bedeutung von Erinnerungsarbeit hervor. Dieser Prozess sei nie abgeschlossen für ein modernes Verständnis von Heimat. So gehöre die Familie in das "Tennenbronn-Bewusstsein", wie der Auerhahnweg und die Schneider-Minen. Dazu könne die Gedenktafel auf dem Platz vor der Kirche beitragen.
Als stellvertretender Ortsvorsteher dankte Manfred Moosmann dem Heimathaus für die Aufarbeitung eines schmerzlichen Themas und hoffte mit dem Musiker Jimi Hendrix, dass "die Macht der Liebe über die Liebe zur Macht siegt".